Nach dem Unwetter in Berlin: Wie sich der Rekordregen auf die Gewässer auswirkt
Die Flüsse steigen, die Stadtspree ist für Schiffe gesperrt und mit Schmutzwasser belastet. Aber der Rekordregen hat auch Vorteile.
Erst stürzten Wassermassen vom Himmel, dann erfanden die Meteorologen dazu ein Wortungetüm. Sie sprachen am Freitag vom „Jahrhundertregenereignis“. Tatsächlich könne man von absoluten Superlativen reden, heißt es beispielsweise beim Berliner Wetterdienst Meteogroup. Der Rekordwert in der Region Berlin wurde in Oranienburg erreicht, wo binnen 24 Stunden sagenhafte 260,6 Liter Wasser pro Quadratmeter herabprasselten. Fast die Hälfte des dort üblichen Jahressolls fiel an einem Tag vom Himmel. Welche Folgen hat dies für die Kanalisation, für Flüsse, Seen sowie die Schifffahrt? Hier ist eine erste Bilanz.
Zur Fähre muss man jetzt hinauf, statt hinabgehen
Hochwasserdruck ließ am Freitag die Pegelstände von Spree und Havel steigen: Was das aus Brandenburg abfließende Regenwasser bewirkt, konnte man beispielsweise an den Anlegestellen der BVG- Wannseefähre beobachten. Die Übergangsstege führten nicht wie üblich zur Fähre hinab, sondern hinauf. Die Fluten erreichten in Kladow fast den schmalen Übergang, normalerweise schwappt das Wasser ein gutes Stück darunter. Tatsächlich ist der Pegel der Havel um einen Meter gestiegen, bei Spree und Landwehrkanal sind es 60 Zentimeter.
Für die Passagierschifffahrt hat dies gravierende Folgen. Denn beide Wasserwege sind bis montagfrüh gesperrt, für die Stadtspree gilt dies zwischen Oberbaumbrücke und Schleuse Charlottenburg. Mit guten Gründen. Zum einen passen jetzt die meisten Schiffe nicht mehr unter den niedrigen Brücken hindurch, zum anderen sind die Mühlendamm- und Charlottenburger Schleuse außer Betrieb. Ihre Tore bleiben dauerhaft geöffnet, damit das aus Südbrandenburg nachdrückende Hochwasser rasch zur Havel abfließen kann.
„Für Berlins Reedereien ist das hart“, sagt Geschäftsführer Andreas Behrens von der Stern- und Kreisschifffahrt. Rund 50 Abfahrten fallen bei seinem Unternehmen aus. Er rechnet mit „hohen Umsatzeinbußen“. Passagierdampfer verkehren am Wochenende nur noch auf der Unterhavel sowie ab Treptow spreeaufwärts. Dort fahren auch alle BVG-Fähren weiter. In beiden Richtungen müssen die Schiffe mit starken Strömungen zurechtkommen.
Schmutzwasser floss in die Spree und Havel
Besser als bei den Reedern ist die Stimmung am Tag danach bei den Wasserbetrieben. Im Grunde habe sich das Abwassersystem bewährt, lässt sich deren Bilanz auf den Punkt bringen. Alle Klärwerke seien beispielsweise darauf ausgelegt, maximal dreimal so viel Abwasser zu verkraften, wie sie an normalen Tagen verarbeiten müssen. „Das haben sie gut geschafft“, sagt die Sprecherin der Wasserbetriebe, Astrid Hackenesch-Rump.
Allerdings war dies nur ein kleiner Teil der gewaltigen Regenmenge. Der große Rest quoll kurzfristig auf manche Straßen, wurde aber überwiegend in unterirdischen Auffangbecken zurückgehalten – und als diese voll waren, mussten Spree, Havel und Landwehrkanal als Abwasserkanäle herhalten. Dort hinein wurden alle Überläufe geleitet, inklusive verschmutzte Haushaltsabwässer und Straßenabrieb.
„Das ist unerfreulich, aber nicht zu verhindern“, sagt Hackenesch-Rump. Die Auffangbecken habe man für Sturzregen dimensioniert, „die alle zwei bis drei Jahre stattfinden, aber nicht für Jahrhundertereignisse“. Das wäre „zu viel des Guten“ – zumal ja die gewaltigen Regenmengen das übergeleitete Schmutzwasser stark verdünnen“, gibt sie zu bedenken. Betroffen von den Überleitungen sind auch einige Seen, vor allem der Glienicker,- Oranke- und Weiße See sowie der Jungfernheideteich. Dort solle man in den nächsten Tagen nicht baden, warnt der Senat.
"Für die Seen war der Starkregen eine Auffrischung"
Das sieht Jörg Freihof vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie in Friedrichshagen ähnlich. Für die Seen wirkt sich der Starkregen nach seiner Einschätzung nicht negativ aus. Im Gegenteil. Die Sintflut könne für diese „eine erfreuliche Auffrischung“ sein. Denn viele Seen hatten in den vergangenen Monaten niedrige Wasserstände wie beispielsweise der Glienicker- oder Tegeler See. Zu viel dürfe man aber nicht von den himmlischen Sturzbächen erwarten, meint Freihof. „Große Gewässer wie der Müggelsee schlucken das weg.“ Der Pegel sei dort kaum gestiegen.
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