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Ein Teil des Gendarmenmarkts soll unterbaut werden. Das Konzerthaus plant einen Saal unter der Freitreppe.
© Andreas Conrad

Berlins schönster Platz bröckelt: Wie kaputt ist der Gendarmenmarkt?

Der Gendarmenmarkt gilt als der schönste Platz Berlins. Man darf nur nicht so genau hinsehen. Sanierungspläne gibt es seit Jahren – doch nichts geschieht.

Berlin, dein Gesicht hat Sommersprossen, befand Hildegard Knef. Da hatte sie sicher recht, aber wenn es immer nur Sommersprossen wären! Am Gendarmenmarkt, immerhin der schönste Platz Berlins, wie viele meinen, sind es, um im Bild zu bleiben, sehr unschöne Hautprobleme. Und deren Behandlung verzögert sich seit Jahren, ja, ist nicht mal absehbar.

Ein touristisches Highlight der Stadt ist der Platz immerhin geblieben. Tag für Tag steuern Besuchergruppen aus aller Welt ihn an, auch am Sonnabend klang es mittags in einer Ecke italienisch, nicht weit entfernt englisch, auch russische Worte waren zu identifizieren, von den Klangnuancen des Deutschen ganz zu schweigen.

Bewundernde Blicke umfingen die drei unentwegt fotografierten Solitäre: Schinkels nun als Konzerthaus dienendes Schauspielhaus, den Deutschen und den Französischen Dom samt der Französischen Friedrichstadtkirche. Automatisch richteten sich die Blicke dabei nach oben, und das war gut so. Denn leider, man muss es so sagen, gilt hier inzwischen: oben hui, unten pfui!

Man nehme nur das den Platz bedeckende Ornament aus Granitplatten und teilweise sogar zu Mosaiken zusammengefügten Pflastersteinen: An vielen Stellen ist es löchrig geworden, die Schadstellen jedoch hat man vielerorts nicht repariert, sondern mit Asphalt nur provisorisch geflickt.

Besonders südlich des Deutschen Doms sind im Pflaster ausgesparte Kreise noch die letzten Erinnerungen an Bäume, die dort einmal standen. Die meisten Kreise zeigen nun nacktes Erdreich, teilweise wurden auch sie mit Asphalt ausgegossen. Verschwunden sind die dekorativen Metallringe, die die Baumscheiben einst abdeckten. Man sieht noch die ins Erdreich eingelassenen Ziegelsteine, auf denen sie auflagen, und mit etwas Mühe findet man sogar noch den Rest solch einer zerbrochenen gusseisernen Platte, nun mit Asphalt zur Pflasterreparatur zweckentfremdet.

Loch an Loch. Der Gendarmenmarkt braucht eine Schönheits-OP.
Loch an Loch. Der Gendarmenmarkt braucht eine Schönheits-OP.
© Andreas Conrad

Auch sind einer ganzen Reihe der eisernen Löwenköpfe, die die steinernen Pfeiler vor dem Schauspielhaus schmücken, ihre im Maul befestigten Eisenketten abhandengekommen. Ein den Platz gliederndes Element ging so verloren. Momentan kommt noch eine asphaltierte Baustellenzufahrt zum Französischen Dom hinzu, der innen umgebaut und modernisiert wird. Deren Verschwinden immerhin ist absehbar.

Der Gendarmenmarkt sollte zum Berliner Salon werden

Nein, insgesamt kein schöner Anblick: eine verlottert wirkende Freifläche, reich an Stolperfallen. Ein Problem, das von den zuständigen Stellen seit Langem erkannt ist. Und ebenso lange gibt es Pläne, dies zu beheben, nur blieben es bislang Pläne. „Schönheitskur für den Gendarmenmarkt“, so titelte der Tagesspiegel vor knapp zehn Jahren, als die damals zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ihr Vorhaben bekannt gab, den Platz zum „Berliner Salon“ umzugestalten.

Die Pläne fanden durchaus Beifall, massive Kritik entzündete sich aber am Vorhaben der Verwaltung, rund 140 kleinwüchsige Kugelahornbäume, die vor allem am Französischen Dom wachsen, abzuholzen und durch einzeln stehende große Bäume zu ersetzen. Es gab Proteste, erfolgreiche Unterschriftensammlungen, schließlich ein Bürgerforum samt Befragung, bei dem sich die Mehrheit gegen die Abholzung aussprach: Die Bäume durften bleiben.

Statt des Bezirks Mitte kümmert sich nun die Grün Berlin

Die Pläne zur Platzsanierung und -umgestaltung waren damit freilich nicht hinfällig, nur reduziert. Und an sich gelten sie noch immer, ohne dass dies etwas bewirkt hätte. Zuständig ist allerdings nicht mehr die Stadtentwicklungsbehörde, sondern nun die für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz.

Und hatte einst der Bezirk Mitte, der noch immer für Pflege und Instandhaltung verantwortlich ist, die Planungen vorangetrieben, so hat es vor einem Jahr einen Trägerwechsel zur Grün Berlin GmbH gegeben. Sie hat nun „die Rolle als Bauherr für das Land Berlin und die Gesamtprojektsteuerung übernommen“, wie es aus der Behörde von Verkehrssenatorin Regine Günther heißt.

Wo ist der Rest? Gusseiserne Ringe bedeckten früher die Baumscheiben.
Wo ist der Rest? Gusseiserne Ringe bedeckten früher die Baumscheiben.
© Andreas Conrad

Dort ist man sich des Handlungsbedarfs durchaus bewusst, schließlich sei der Gendarmenmarkt „mit seinem historischen Ensemble einer der bedeutendsten Plätze Europas“, der „in den vergangenen Jahren durch die zunehmende Nutzung als Veranstaltungsort“ leide. Deutliche Belagsschäden seien festzustellen, auch führten „die infrastrukturellen Einrichtungen der Veranstalter und Gastronomen zu erheblichen funktionalen und visuellen Defiziten, etwa was provisorische oberirdische Kabeltrassen betrifft“.

Der nach einem Wettbewerbsverfahren vorliegende Entwurf sehe „eine Sanierung der Belagsoberflächen, eine barrierefreie Erschließung an den umliegenden Straßenkreuzungen und die bedarfsgerechte Erneuerung der technischen Infrastrukturen vor“.

Der Bau kann frühestens im Sommer 2021 beginnen

Bleibt die Frage, wann dies endlich geschehen soll. Vor gut einem Jahr hatte Frank Keidel, erster Vorsitzender des Vereins Freunde und Förderer Gendarmenmarkt Berlin, bei Senatorin Günther die ausstehende Instandsetzung angemahnt. In ihrer Antwort hatte diese auf die Projektübernahme durch Grün Berlin hingewiesen, bei der aber „nur begrenzt Ingenieurpersonal vorhanden“ sei. Ein qualifizierter Projektstart könne daher „erst nach Abschluss und Abrechnung der Maßnahmen in Zusammenhang mit der Internationalen Gartenausstellung erfolgen“.

Doch egal, wie weit mittlerweile abgerechnet wurde: Es gibt neue „Verzögerungen, die beim Beginn der Planungen nicht absehbar waren“, wie Günthers Sprecher Jan Thomsen mitteilt. Das Konzerthaus plane einen neuen Saal unter der Freitreppe, damit werde eine Teilfläche des Platzes unterbaut. Die Arbeiten sollen im Juli beginnen und bis ins Frühjahr 2021 dauern, heißt es. Mit der baulichen Umsetzung der Planung Gendarmenmarkt könne daher frühestens im Sommer 2021 begonnen werden.

Unter der Freitreppe des Konzerthauses ist ein neuer Saal geplant

Aber auch daraus wird wohl nichts. In der Tat plant das Konzerthaus, so ist dort zu hören, unter der Freitreppe einen 200-Quadratmeter-Raum mit variablen Bühnenelementen, Sitzflächen, modernster Ausstattung und eigenem Bereich für Catering, Garderobe und Toiletten. Unter der Leitung von Intendant Sebastian Nordmann suche das Haus nach neuen Vermittlungsmöglichkeiten für klassische Musik, in Richtung computergestützter Virtual Reality und Augmented Reality.

So weit, so gut. Allerdings: „Über den Zeitpunkt des Baubeginns kann derzeit keine Aussage gemacht werden.“

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