Stadtplanung: Neugestaltung des Gendarmenmarktes erregt Streit
Für die Neugestaltung des Gendarmenmarktes sollen 140 Bäume gefällt werden. Anwohner und Landschaftsarchitekten wehren sich dagegen.
Wie wohltuend diese Bäume sind! Fürs Klima in Berlins Mitte. Als Schattenspender an heißen Sommertagen. Zur Kühlung unter dem grünen Blätterdach. Die Touristen suchen Schutz unter den Kugelahorngewächsen rund um den Französischen Dom am Gendarmenmarkt. Sie genießen im Frischluft-„Refugium“ ihren Eiscafé – und ahnen nicht, dass dies die letzte Saison im Schatten des Ahorn sein könnte. Denn die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung plant, wie berichtet, einen der schönsten Plätze Europas umzugestalten. Drei Jahre soll das dauern, mehrere Millionen Euro kosten – und einen regelrechten Kahlschlag hinterlassen. Denn die 140 Kugelbäume sollen fallen, weil sie nach Meinung von Senatsbaudirektorin Regula Lüscher den Blick auf den Französischen Dom behindern und verstellen.
Zudem soll das kleinteilige Pflaster des Platzes herausgerissen und durch Platten ersetzt werden. Fachleute finden auch dies – wie den Kahlschlag rund um die Französische Friedrichstadtkirche – vollkommen überflüssig. „Kleinere Schäden an der Pflasterung des Platzes könnten ausgebessert, aber doch nicht das ganze Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden!“ sagen Ada Withake-Scholz und Frank Keidel, die Vorsitzenden vom Verein der Freunde und Förderer Gendarmenmarkt. Jetzt fordert der Verein in einer Unterschriftensammlung „einen sofortigen Planungsstopp für die bauliche Neugestaltung“ und stattdessen eine „behutsame Instandsetzung des Platzes und einen respektvollen Umgang mit der bestehenden Platzgestaltung von 1984“. Spontan unterschreiben Berliner und Touristen diese Forderung, zumal sie sich denken können, dass die Kosten einer umfänglichen baulichen Umgestaltung in keinem Verhältnis zu dem Preis einer behutsamen Instandsetzung des Platzes stehen.
Rigorose Umgestaltung oder behutsame Instandsetzung – das ist die Frage, um die es in den nächsten Monaten geht. In mehreren Foren wurde die Senatsplanung (bei der das Bezirksamt Mitte als kommunaler Bauherr auftritt) erläutert und diskutiert, die Sympathie der Senatsbaudirektorin „für das Sichtbarmachen der historischen Gebäude“ war unverkennbar. Natürlich klingt das ungleich harmloser als die brutale Wahrheit vom Fällen von 140 gerade mal 26 Jahre alten Bäume. Die heutigen Senatsplaner könnten sich ein Beispiel an den geistigen Vätern der Neuordnung des Gendarmenmarktes von 1984 nehmen. Landschaftsarchitekt Hubert Matthes und Schauspielhaus-Architekt Manfred Prasser hatten damals große Achtung vor den anno 1895 gepflanzten Bäumen, die rings um den Deutschen Dom den Krieg überstanden hatten. „Wir lassen sie stehen, damit sie in Würde sterben“, sagten sich die DDR-Planer damals. „Sollten wir nicht junge Bäume, die gut und gern ihr Leben noch vor sich haben, nicht auch pflegen, hegen und in Würde altern lassen?“ fragt Landschaftsplaner Axel Zutz heute.
Zusammen mit Landschaftsarchitekt Joerg Th. Coqui formulierte der 44-jährige Gartenhistoriker ein Plädoyer dafür, dass Denkmalpflege „nicht die Zerstörung vorhandener konzeptionell hochwertigster, zeitgenössischer Anlagen zugunsten des Neubaus verlorener Zeitschichten“ bedeuten kann. Junge, von ideologischen Scheuklappen befreite Gartengestalter erkennen plötzlich die inhaltlichen Vorzüge der jüngsten Platzraumgestaltung aus den achtziger Jahren: Die damalige Arbeit am „Platz der Akademie“ sei „ein vortreffliches Beispiel moderner Landschaftsarchitektur, wie zu Zeiten der DDR mit Geschichte als Ressource Gegenwartsaufgaben gelöst worden sind“.
Wenn man heute nach einer denkmalpflegerischen Leitschicht sucht, kann man diese nur in den achtziger Jahren zurzeit der Fertigstellung von Schauspielhaus, Französischer Kirche, Platzfläche und Platzwänden finden, sagen die beiden jungen Architekten. Damals stand Schinkel bei der Gestaltung Pate, sagt Manfred Prasser. Sein Kollege, Landschaftsarchitekt Hubert Matthes, wollte nach dem Vorbild der Brühlschen Terrassen in Dresden „Baumsäle“ anlegen und hatte Linden im Sinn. Da jedoch 1984 der Pflegeaufwand als zu hoch eingestuft wurde, nahm man statt dessen Acer platanoides Globusum, den Kugelahorn. „Er müsste eigentlich nur ab und zu ordentlich verschnitten werden“, sagt Ada Withake-Scholz als Anliegerin, „und das ist wahrhaft billiger als die Variante Kleinholz“.
Die Gendarmenmarkt-Freunde sagen klipp und klar: Sich durch eine Neugestaltung zu profilieren, kann von uns nicht mitgetragen werden. Die Planer wollen dem Gendarmenmarkt ein „Nachwendekleid“ geben, das er nicht benötigt. Sie sehen in dem Platz einen „Berliner Salon: geschichtlich, geschäftig, elegant“. Dass es sich um einen der schönsten Plätze Europas handelt, ist unbestritten. Senatsbaudirektorin Regula Lüscher als eifrige Verfechterin einer Umgestaltung wird ihre Theorien mit kirchlichem Segen verbreiten: Am 29. August spricht sie im Französischen Dom im Gottesdienst. Thema: Schönheit und Stadt.