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In Hessen werden Schüler:innen bereits bei einem Pilotprojekt an Schulen geimpft.
© Helmut Fricke/dpa
Update

Schüler, Eltern, Auffrischungen: Wie gut ist Berlin vorbereitet auf die Ausweitung der Impfkampagne?

Impfungen für Schüler sollen den Schulstart sicherer machen. Den Grünen geht das nicht weit genug. Und auch die ersten Auffrischungsimpfungen sind ein Thema.

Ab kommenden Montag sollen zum Schuljahresbeginn volljährige Schüler:innen an Berliner Oberstufenzentren gegen das Coronavirus geimpft werden können, wie Bildungssenatorin Sandra Scheeres am Dienstag nach einer Senatssitzung mitteilte.

Zuerst solle in großen Oberstufenzentren mit rund 3000 Schüler:innen mit den Impfungen begonnen werden. Dann soll das Angebot auch an kleineren Oberstufenzentren mit weniger Schüler:innen folgen. Insgesamt erhofft sich der Senat mit der Aktion 70.000 Schüler:innen impfen zu können. Auch 16- und 17-Jährige können sich mit Einverständnis ihrer Eltern im Rahmen dieser Impfkampagne immunisieren lassen, sagte Scheeres weiter.

Eine Woche vor dem Schulstart in Berlin beschlossen die Gesundheitsminister der Länder, dass Jugendlichen ab 12 Jahren ein Impfangebot gemacht werden könne. Das heißt, sie sollen bundesweit auch in Impfzentren geimpft werden können. In Berlin besteht diese Möglichkeit für über 12-Jährige bereits.

Hintergrund für den Beschluss ist, dass die Impfung als wirksamstes Mittel zur Eindämmung der Pandemie gesehen wird und sie „maßgeblich zu einem sichereren Start in den Lehr- und Lernbetrieb nach den Sommerferien beitragen“ könne.

Impfteams auch an Gymnasien und anderen weiterführenden Schulen gefordert

Und dennoch ist absehbar: In den ersten Wochen des neuen Schuljahres werden in Berlins Klassenzimmern vor allem ungeimpfte Schüler:innen sitzen. Dem Robert-Koch-Institut zufolge haben in Berlin 8,4 Prozent der 12- bis 17-Jährigen bereits den vollen Impfschutz.

16,7 Prozent der Jugendlichen aus dieser Altersgruppe sind einmal geimpft. Laut Gesundheitsstaatssekretär Martin Matz (SPD) steige die Impfquote in dieser Altersgruppe nun jedoch doppelt so schnell als bei den 18- bis 59-Jährigen.

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An Berliner Berufsschulen sind Impfungen mit mobilen Teams ab kommenden Montag für volljährige Schüler:innen bereits länger geplant. Doch um für möglichst viele Schüler:innen einen sicheren Schulalltag ermöglichen zu können, fordert der Landesschülerausschuss mobile Teams auch an anderen Schulen.

„Die Schülerinnen und Schüler, die geimpft werden wollen, sollen mithilfe mobiler Impfteams an Schulen ein Impfangebot bekommen können“, sagt der Sprecher Rufus Franzen dem Tagesspiegel. Er schließt sich damit der Forderung seiner Kolleg:innen aus Brandenburg an.

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„Vor allem für junge Schüler ist es sehr schwer, an eine Impfung zu kommen“, sagte die Vorsitzende des Landesschülerrats Brandenburg, Katharina Swinka, am Dienstagmorgen im RBB-Inforadio. Rufus Franzens Eindruck unter Mitschüler:innen sei, dass sich ein Großteil impfen lassen wolle, besonders jene aus höheren Jahrgängen.

Bei 12- bis 15-Jährigen müssen Eltern dabei sein

Gesundheitsstaatssekretär Martin Matz (SPD) sagte nach der Senatssitzung am Dienstag, dass die Impfung für die 12- bis 15-Jährigen an den Schulen schwieriger zu organisieren sei als für die älteren Schüler:innen, weil bei jenen ein Elternteil beim ärztlichen Aufklärungsgespräch dabei sein müsse.

Daher liege es nahe, die 12- bis 15-Jährigen in die Impfzentren zu holen; alternativ überlege der Senat, die Oberstufenzentren als Basis zu nutzen, um Schülerinnen und Schüler umliegender allgemeinbildender Schulen dorthin einzuladen.

Bettina Jarasch will Schulimpfungen auch für Lehrer und Eltern anbieten

Berlins Grüne schlagen sogar vor, an den Schulen neben Lehrkräften und Schülern auch Eltern gegen Corona zu impfen. Niederschwellige Angebote seien wichtig, um nach dem Schulstart am 9. August den Präsenzunterricht abzusichern, sagte die Spitzenkandidatin der Grünen für die Abgeordnetenhauswahl, Bettina Jarasch.

„Ich wünsche mir deshalb an den Oberschulen, also Gymnasien und Integrierten Sekundarschulen (ISS), ein Impfangebot für Schüler ab 12, für das Personal und für die Eltern“, sagte Jarasch. Auch an Grundschulen könnten Eltern geimpft werden, schlug Jarasch vor.

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Norman Heise, Vorsitzender des Landeselternausschusses Berlin, hält Impfteams an Schulen für Lehrkräfte und Schüler:innen durchaus für sinnvoll. Für die Eltern sieht er jedoch keine dringende Notwendigkeit, zumal Termine bei Impfzentren mittlerweile leicht zu bekommen seien.

„Durch die flexibleren Zeiten in den Impfzentren ist die Vereinbarkeit von Arbeiten und Impfen vermutlich stärker gegeben.“ Doch haben die Impfzentren ausreichend Kapazitäten, zumal am Montag auch Auffrischungsimpfungen für Risikogruppen beschlossen wurden?

Impfzentren: Genug Kapazitäten für Schüler- und Auffrischungsimpfungen

Der Landesverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), der die fünf Berliner Impfzentren betreibt, versichert, noch reichlich Kapazitäten zu haben. „Die jetzt im Betrieb befindlichen Berliner Impfzentren sind sofort in der Lage, deutlich mehr Impfungen zu leisten. Die Kapazitäten sind längst nicht ausgeschöpft“, sagte Sprecher Hendrik von Quillfeldt dem Tagesspiegel.

Bis Ende September – solange laufen die Verträge der Impfzentren mit der Senatsverwaltung für Gesundheit – könnten alleine in den Impfzentren noch rund 500.000 Impfungen durchgeführt werden. Bei zwei Impfdosen pro Person können also noch 250.000 Menschen in den Zentren immunisiert werden. Für alle zugelassenen Altersgruppen, wie von Quillfeldt sagte.

Ein Schild mit der Aufschrift „Spontan Impfen ohne Termin“ hängt vor dem Impfzentrum Messe Berlin.
Ein Schild mit der Aufschrift „Spontan Impfen ohne Termin“ hängt vor dem Impfzentrum Messe Berlin.
© Fabian Sommer/dpa

Mario Czaja (CDU), Präsident des DRK-Landesverbands, sagte dem Tagesspiegel, die Impfzentren würden „weiter genauso engagiert wie zu Beginn arbeiten, als der Andrang deutlich höher war“. Czaja glaubt jedoch, dass die Impfquote unter den Jugendlichen ab 12 Jahren nicht sprunghaft ansteigen wird, „da die Stiko noch keine allgemeine Impfempfehlung für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren herausgegeben hat“.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt eine Impfung von Kindern ab 12 Jahren nur für diejenigen, die ein besonderes Risiko haben, schwer zu erkranken. Doch sie rät auch nicht explizit von einer Impfung ab. Für die 12- bis 17-Jährigen sind die mRNA-Impfstoffe von Biontech und Moderna zugelassen.

Etwa 200.000 Berliner:innen bekommen Auffrischungsimpfung

Die Gesundheitsminister der Länder haben zudem beschlossen, bei besonders gefährdeten Gruppen Auffrischungsimpfungen vorzunehmen. Das betrifft immungeschwächte Patient:innen, sehr alte Menschen und Pflegebedürftige, bei denen die letzte Impfung mindestens sechs Monate her ist.

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Mit den Auffrischungsimpfungen soll in Berlin ab September begonnen werden, wie Gesundheitsstaatssekretär Martin Matz (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung sagte. Das betreffe etwa 200.000 Menschen in Berlin. Auch Matz sieht dafür in den Impfzentren genug Kapazitäten.

Die Hausärzte sollen sich ebenfalls an den Impfungen beteiligen, ebenso wie Mobile Impfteams in Pflegeeinrichtungen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Berlin hat ihre Bereitschaft erklärt, die mobilen Teams zu unterstützen, sagte eine Sprecherin. Jedoch sei die KV dafür noch nicht kontaktiert worden.

„Auch über eine Entscheidung, dass in Berlin die Ü12 geimpft werden sollen, hat die Senatsverwaltung mit der KV Berlin bisher nicht gesprochen“, teilte die Sprecherin mit. Aus der Ärzteschaft wurde am Dienstag Kritik an der Entscheidung, Jugendliche vermehrt zu impfen, laut. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbands, Ulrich Weigeldt, bezeichnete den Beschluss der Gesundheitsminister im Gespräch mit dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ als „Wahlkampfgetöse“.

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