Street-Art mit Folgen: Wie Graffiti in Berlin zu Kuschelmonstern werden
Zwei junge Frauen bilden Street-Art-Figuren als Stofftiere nach und fotografieren sie vor dem Original. Geld verdienen wollen sie mit den Figuren aber nicht - das ist für sie "eine Frage der Ehre".
Für Nicole Mieth und Juliane Halsinger ist die Welt nicht so ernst, wie der Alltag sie manchmal erscheinen lässt. Wenn sie durch die Straßen gehen, sehen sie geflügelte Frösche, süße Wollmonster, Katzen-Döner-Spieße und Pinguine. Die beiden Frauen haben einen geschulten Blick für die neuesten Streiche der Street-Art-Künstler. Und nicht nur das, sie machen aus den irrwitzigen Gebilden an Hauswänden wiederum Kunst: „Kuschelmonster“.
Vor zwei Jahren kam den Freundinnen die Idee, die schnelllebigen, fantastischen Gebilde in den Straßen der Stadt auf besondere Art zu verewigen. „Little Lucy“, ein Charakter des Street-Art-Künstlers El Bocho, gefiel Halsinger so gut, dass Mieth ihr als Geburtstagsgeschenk eine Nachbildung aus Stoff nähte. Seitdem laufen die beiden stundenlang durch die Stadt und suchen nach den neuesten Werken der Szene. Für sie sind besonders die „Paste-Ups“ interessant. Das sind keine gesprayten Graffiti, sondern auf Papier gedruckte Werke, die an Hauswände geklebt werden. „Sie stellen meist eher eine Ordnungswidrigkeit als Vandalismus dar“, erklärt Halsinger.
Oft ist das Kuscheltier fertig, aber das Graffiti schon weg
Die Modedesignerin Mieth setzt die Vorlage dann in ihrem Showatelier zu einem Kuschelmonster um: Dafür sucht sie zunächst die passenden Stoffe und fertigt ein Schnittmuster an. Wenn das Monster fertig genäht ist, bringen die beiden es zum Original in den Straßen und machen ein Foto vom Street-Art-Werk mit seiner Stoff-Nachbildung – vorausgesetzt, das Original ist noch da. Denn viele Hausbesitzer lassen Paste-ups und Graffiti an den Fassaden nach wenigen Tagen beseitigen. Dann war die Näharbeit umsonst: „Der Zusammenhang vom Stofftier zum Original muss für uns sichtbar sein“, sagt Halsinger. Für die Fotos lassen sich die Freundinnen immer etwas Besonderes einfallen. Sie werfen, kleben und halten die Stoffnachbildungen neben die Originale an den Hauswänden. Die Stoffmonster sollen dabei möglichst lebendig aussehen.
Die 35-jährige Halsinger arbeitet in einem Fotostudio, ihre ein Jahr ältere Freundin führt neben ihrem eigenen Stofftier-Label einen Kinderladen in Prenzlauer Berg. „Viele Eltern fragen mich, ob ich das Lieblingskuscheltier ihres Kindes reparieren kann“, erzählt Mieth. Für die ausgebildete Modedesignerin ist es spannender, ein Kuscheltier zu stopfen, an das sich das Kind noch als Erwachsener erinnern wird, als Modekollektionen zu entwerfen, die vielleicht nur eine Saison getragen werden. Für ihr eigenes Stofftier-Label näht sie Ameisenbären, Baby-Dinos und Ferkel und verkauft sie übers Internet und in ihrem Atelier.
Für die Freundinnen ist Street-Art Kunst, kein Vandalismus
Diese Kreationen haben aber nichts mit den Street-Art-Monstern zu tun: „Es ist eine Frage der Ehre, dass wir mit den Werken der Künstler kein Geld machen“, sagt Mieth. Stattdessen stellen die Freundinnen ihre Stofftiere und die Fotos in kleinen Ateliers und Cafés aus. Schließlich ist das auch die Philosophie der Street-Art-Künstler: „Sie teilen die Kunst mit jedem, ohne daran zu verdienen“, sagt Halsinger. „Wir wollen darauf aufmerksam machen, wie schön das eigentlich ist, was man in den Straßen sehen kann.“ Für sie ist Street-Art kein Vandalismus, sondern Kunst, deren Urheber sich intensiv mit Design und Ästhetik beschäftigt haben.
Das Haus mit der neuesten Kreation, einem schwarz-weiß gesprenkelten Frosch mit Flügeln, steht in der Dirschauer Straße in Friedrichshain. Daneben schmücken ein bunter Mann in Uniform, eine lachende Frau und ein angriffslustiger Tiger die Fassade. Das gefällt nicht jedem; doch so ist es nun mal mit der Kunst – und besonders mit Street-Art.
Jana Scholz
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