zum Hauptinhalt
Die Wohnungssuche in Berlin wird immer schwieriger – auch für Geflüchtete.
© imago/Seeliger

Wohnraummangel in Berlin: Wie Flüchtlinge bei der Wohnungssuche abgezockt werden

Zweifelhafte Makler nutzen die Not vieler Flüchtlinge bei der Wohnungssuche aus: Es geht um illegale Provisionen oder Betrug in Höhe von mehreren Tausend Euro.

Ermittler, Flüchtlingshelfer und die Sozialverwaltung warnen vor zweifelhaften Maklern. Vor allem Arabisch sprechende Berliner nutzen die Lage von Flüchtlingen aus, um an illegalen Provisionen oder durch offenkundigen Betrug zu verdienen. Dutzende Männer libanesischer, seltener syrischer und iranischer Herkunft bieten Wohnungen gegen vorab verlangtes Bargeld an. In Flüchtlingsunterkünften, das berichten Mitarbeiter, gingen Bewohner davon aus, dass Mietverträge hierzulande eben für – unquittiert gezahltes – Bargeld zu bekommen seien.

Üblich sind je nach Größe der vermittelten Wohnung dabei Summen zwischen 1000 und 3000 Euro. Dramatisch für die Betroffenen ist nicht nur, dass es sich bei den illegalen Provisionen um vergleichsweise viel Geld handelt. In zahlreichen Fällen haben Flüchtlinge dafür nicht mal eine Wohnung bekommen, sondern nur ein Exposé oder eine mündliche Zusage. Die jeweilige Immobilie existierte nicht, war schon bewohnt oder gehörte völlig Unbeteiligten.

„Sie haben mir einen Vertrag gegeben und dafür 1600 Euro von mir bekommen“

Das Phänomen ist nicht neu, allerdings scheint sich die Lage nicht zu verbessern. Da auch Alteingesessene oft keine Wohnungen mehr bekommen, steigt der Druck auf dem Mietmarkt. Auch wenn die Ämter die Miete der Flüchtlinge übernehmen, ziehen Hausverwaltungen und Eigentümer solventere Bewerber vor. So hat der syrische Asylbewerber Ammar Jamal (Name geändert) in den vergangenen Monaten 25 Besichtigungstermine absolviert, immer bekam jemand anderes die Wohnung. Über Bekannte wandte er sich an zwei Männer, die ihm als Makler vorgestellt wurden und Arabisch sprachen – ein Libanese und ein Palästinenser. „Sie haben mir einen Vertrag gegeben und dafür 1600 Euro von mir bekommen“, sagte Jamal. Als er wie vereinbart die Schlüssel abholen wollte, waren die Männer nicht mehr erreichbar.

Beim Landeskriminalamt kommt fast jede Woche ein neuer Fall dazu

Jamal erstattete Anzeige. Die Staatsanwaltschaft ermittelt nun wegen etwaigen Betruges gegen den Libanesen und den Palästinenser. Allein die beiden sollen so zehn Flüchtlinge betrogen haben. Wohnungsgesellschaften haben registriert, dass zu Besichtigungsterminen für ausgeschriebene Wohnungen angekündigte Interessenten kämen, die dann Flüchtlinge mitbrächten, von denen sie vorher Geld kassiert hätten. An wohnungssuchende Flüchtlinge kommen die Betrüger über „Mund-zu-Mund-Propaganda“ in der wachsenden arabischen Community. Beim Landeskriminalamt wird fast jede Woche ein neuer Fall aktenkundig.

Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) kennt die Berichte über offenkundige Betrüger und zweifelhafte Provisionen, allerdings meldeten sich kaum Betroffene: „Ich habe immer wieder dazu aufgerufen, mir Fälle zu nennen, wenn Geflüchteten für viel Geld Wohnungen angeboten werden“, sagt Breitenbach. „Es hat sich aber bislang kein Betroffener bei mir gemeldet.“

„Vorsicht Betrüger!“

Das könnte damit zusammenhängen, dass viele Flüchtlinge so letztlich doch an eine Wohnung kommen – und Schmiergeld als notwendigen Schritt erachten. So berichtet Yaman Amin (Name geändert), dass er im Sommer eine Immobilienfirma in Spandau aufsuchte. Im Fenster hing ein Schild: „Keine freien Wohnungen“. Ein mit der Firma zusammenarbeitender Makler spricht Farsi, so wie mehr als 20.000 Flüchtlinge aus Zentral- und Südasien in Berlin. „Ich traf den Makler in seinem Büro in der Altstadt“, sagt Amin, „und er sagte direkt: ,2000 Euro und ich finde doch noch eine Wohnung für dich!‘“ Nach ein paar Tagen habe der Makler angerufen und Amin eine Wohnung gezeigt: „Ich habe ihm das Geld gegeben und einen Mietvertrag bekommen.“

Die Polizei weist darauf hin, dass sich Flüchtlinge in ihren Gemeinschaftsunterkünften im Zweifelsfall an das Personal wenden sollen. Zudem hat die Behörde stadtweit Flyer verteilt, auf denen es unter der Überschrift „Vorsicht Betrüger!“ um vorgetäuschte Wohnungsangebote geht. In Deutsch, Englisch und Arabisch werden Flüchtlinge auf Abzockmethoden hingewiesen. Auf dem Flyer ist zu lesen, dass man sich unabhängig von den Aussagen eines Vermittlers immer an die Verwaltung oder den Eigentümer wenden solle, um zu erfahren, ob die Wohnung tatsächlich verfügbar ist. „Leisten Sie niemals im Voraus Barzahlungen an einen Vermittler“, warnt die Polizei. Miete oder Provisionen würden nach Unterzeichnung des Mietvertrages auf das Konto des Vermieters überwiesen. Barzahlungen seien genauso unüblich wie Handschlagverträge.

Wohnungen werden absehbar ein knappes Gut bleiben. Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) hatte kürzlich mitgeteilt, dass angesichts des Bevölkerungszuwachses bis 2030 insgesamt 194 000 neue Wohnungen entstehen müssten, um den Markt zu entspannen. Derzeit sollten sich Flüchtlinge, die eine Wohnung mieten möchten, beraten lassen, etwa beim Evangelischen Jugend- und Fürsorgewerk in Moabit.

Zur Startseite