Berlin und Brandenburg: Wie die Hitze der Region zusetzt
Laue Abende, kein Regen. Berlin ist in Sommerlaune. Doch jenseits der Stadtgrenzen kämpfen Bauern um ihre Existenz – und die Natur mit der Trockenheit.
La Dolce Vita in Berlin, laue Sommerabende, Lustwandeln mit Wegbier, unter freiem Himmel den Wein genießen. Michael Näckel, Präsidiumsmitglied beim Hotel- und Gaststättenverband Dehoga, sagt, in diesen Tagen seien „Anbieter leichter asiatischer, mediterraner Küche und die getränkelastige Gastronomie (mit Schankvorgarten)“ klar im Vorteil. „Wohl dem, der einen beschatteten Schankvorgarten betreiben darf, denn drinnen will keiner sitzen wollen.“ Köche klassischer deutscher Küche hingegen „freuen sich schon jetzt auf die ersten kühlenden Regentage“. Während sich Berlins Gastronome lediglich Sorgen um ihre Speisekarte machen müssen, geht es mancherorts vor den Stadttoren um die Existenz. Ein Überblick.
Noternten
So sind viele Landwirte in der Region verzweifelt. „Wir hatten eigentlich seit Ostern in ganz Brandenburg keinen nennenswerten Regen mehr“, sagte Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung am Donnerstag dem Tagesspiegel: „Die Böden sind steinhart, ein großer Teil der Ernte wird vertrocknen, es droht ein Fiasko.“ Deshalb fordert auch der Bauernbund, der Dürrehilfen eigentlich ablehnt, staatliche Hilfen für die Landwirte und schließt sich damit dem Deutschen Bauernverband an. Dessen Präsident, Joachim Rukwied, hatte am Donnerstag im westbrandenburgischen Trebbin ebenfalls Unterstützung für die Landwirte verlangt. Das Ernteergebnis allein bei Getreide werde deutschlandweit mit 41 Millionen Tonnen weit unter dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre von knapp 48 Millionen Tonnen liegen. In Brandenburg sei es oft gar nicht eingeholt, sondern gleich gehäckselt worden, sagte Landesbauernverband-Chef Henrik Wendorff. So müsse man hier mit Ausfällen von rund 30 Prozent rechnen.
Für die Bauern drohen daher hohe Vertragsverluste. In Brandenburg haben viele bereits vor zwei Wochen mit der sogenannten Noternte begonnen, weil die Früchte wegen des Wassermangels nicht weiterwachsen können. Für die sehr kleinen Körner des Getreides wird natürlich auch sehr viel weniger gezahlt. Ähnliches befürchten die Obstbauern für Äpfel und Pflaumen. „Das Schlimmste ist aber, dass es keine Hoffnung auf Besserung gibt“, sagt Bauernbund-Chef Jung, der selbst Landwirt ist und 2018 als sein bislang schlechtestes Jahr bezeichnet: „Als Nächstes trifft es den Mais, der zum Teil gar keine Kolben ausbildet, und Regen ist weit und breit nicht in Sicht.“
Trockenheit
Das wird leider vom Deutschen Wetterdienst (DWD) bestätigt, der von einer der schlimmsten Trockenperioden in den vergangenen 57 Jahren spricht. Seit 1961 gibt es nämlich genaue Daten zur Bodenfeuchte, sagt DWD-Agrar-Meteorologe Hans Helmut Schmitt: "In Ostdeutschland sind die Werte des für Pflanzen nutzbaren Wassers punktuell auf weniger als 30 Prozent gesunken, das ist ganz nahe an den Extremwerten, wie sie beispielsweise 1976 oder auch 2003 auftraten."
Bislang hätten sich die meisten Pflanzen aber über die Jahre wieder erholt, sagt Schmitt, allerdings drohten ihnen auch weitere Gefahren durch das extreme Klima. Die Wasserbetriebe haben durch ihre 43 Pumpstationen ein dichtes Netz an Regenmessern – und wissen, was vom Himmel kam. Der Regen im Januar und März war auskömmlich, der Februar ein Totalausfall, der Rest viel zu trocken, sagt Sprecher Stephan Natz. Nur die Hälfte der üblichen Regenmengen gab es.
Brände
So brachen auch am gestrigen Donnerstag überall im Land Brände aus. Betroffen sind davon zunehmend auch Felder, hieß es im brandenburgischen Landesforstbetrieb. Am Mittwoch konnte die Feuerwehr einen Großbrand nahe der Gemeinde Stahnsdorf erst in letzter Minute stoppen – die Einwohner seien an einer Katastrophe gerade noch „vorbeigeschrammt“, hieß es. Bei den trockenen Böden reiche ein Funkenschlag – wie er beispielsweise durch einen Mähdrescher ausgelöst werden kann. Mindestens 216 Brände seit Jahresbeginn hatte Brandenburgs Waldbrandschutzbeauftragter Raimund Engel am Donnerstagnachmittag gezählt. Im gesamten Jahr 2017 waren es nur 140. Am Donnerstag gab es ein Großfeuer in der Lieberoser Heide, mehrere Brände bei Cottbus sowie in Elbe-Elster. Engel ist nicht zuletzt deshalb besorgt, weil die Feuerwehrleute langsam an ihre Grenzen kommen: „98 Prozent der Kameraden gehören zu Freiwilligen Feuerwehren, müssen also auch noch hauptamtlich arbeiten. Und die ständigen Einsätze gehen jetzt schon über Wochen.“
Tierleid
In Berlin kommen die meisten Tiere mit der Hitze gut klar und finden immer noch gut Futter. Nur für Vögel wie Amseln, die direkt am Boden nach Insekten und Regenwürmern suchen, werde es schwieriger, sagt Derk Ehlert, der Naturexperte des Senats. Denn die oberste Schicht ist knochentrocken, da ist nichts mehr zu finden. Die Würmer und Insekten verkriechen sich nach unten. Für die erwachsenen Vögel reicht's noch; aber für den Nachwuchs wird es eng. Ähnlich geht es auch den Wildschweinen, denen die trockenen Böden im Wald nicht mehr so viel Nahrhaftes bieten. „Die Wildschweine riechen mit ihren feinen Nasen aus Entfernungen bis zu drei Kilometern, wenn jemand seinen Rasen sprengt“, sagt Ehlert. Und Wasser verbinden sie mit Nahrung. Deswegen sind gerade in den heißen Sommermonaten die Wildschweine besonders häufig am Stadtrand unterwegs.