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Rapsblüte in Brandenburg. Die Mark könnte am frühesten vom Klimawandel betroffen sein.
© Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/ZB

Extremwetter: Hitzewellen und Starkregen: Klimawandel trifft Berlin und Brandenburg zuerst

Hitzewellen, Trockenheit, heftige Gewitter, Stürme, Starkregen: Brandenburg und Berlin werden den Klimawandel wohl früher als andere Bundesländer zu spüren bekommen.

Fast 30 Grad im Mai, Sonne pur mehr als 16 Stunden am Tag, nahezu übergangslose Wechsel zwischen Winter und Sommer – gefühlt hat der Klimawandel die Hauptstadtregion längst erreicht. In der nächsten Tagen werden die hohen Temperaturen ganz sicher noch anhalten, sagt Tanja Kraus-Lamprecht von Meteogroup.

Was Sonnenanbeter und Outdoor-Aktivisten zunächst einmal jubeln lässt, bringt Landwirten und Gärtnern bestenfalls viel Arbeit und schlechtestenfalls trotzdem wenig Lohn ein. Denn anhaltender Regen sei nicht in Sicht, sagt die Meteorologin – wenn uns der Himmel etwas beschert, dann Gewitter mit Starkregen. Und der schafft es nicht, in den ausgetrockneten Boden einzudringen.

„Gerade im Frühjahr, während der Blühphase benötigt das Getreide aber besonders viel Regen“, sagt Christina Koppe vom Deutschen Wetterdienst: „Außerdem bildet sich auf trockenem Boden ein wasserabweisender Film, der sich erst nach längerem Regen auflöst.“

Was daraus entstehen kann, haben Berlins Badelustige im vergangenen Sommer zu spüren bekommen. „Da haben sich die Blütenpollen wochenlang auf den Straßen und Plätzen gesammelt und wurden vom Starkregen alle auf einmal und teils auch noch zusammen mit ungeklärtem Abwasser in die Gewässer gespült“, sagt der Naturexperte und Wildtierbeauftragte des Berliner Senats, Derk Ehlert. Die Folge waren zeitweilige Badeverbote in einigen Seen und Flüssen.

Klotzen statt kleckern

In diesem Jahr sind die Berliner Gewässer noch jungfräulich sauber – und noch ist auch genug Sauerstoff im Wasser, sagt Derk Ehlert, aber bei Starkregen kann sich das schnell ändern. Der Mai wird wie der April einer der trockensten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen werden und darunter werden in der Hauptstadt vor allem die schon jetzt eher braunen als grünen Rasenflächen in den Parks und die Bäume leiden.

Deshalb sind alle Initiativen von Anwohnern hoch willkommen, sagt Ehlert: „Es gilt klotzen statt kleckern, also lieber einmal drei bis vier Zehn-Liter-Eimer auf den Baum als jeden Abend einen halben Eimer. Das ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht tiefgründig genug.“

Dass das Wasser zum Gießen knapp wird, ist nach Aussagen von Stephan Natz von den Berliner Wasserbetrieben nicht zu befürchten. Trotz des trockenen Klimas und des verstärkten Zuzugs habe Berlin zu Zeiten des Mauerfalls wegen der vielen Industriebetriebe etwa 40 Prozent mehr Wasser verbraucht als jetzt, sagt er: „Wir sind solche Situationen wie in diesem Frühjahr gewohnt und können gut damit umgehen. Jedenfalls so lange keine zusätzlichen Belastungen auftreten – wie beispielsweise ein Anstieg der durch den Braunkohletagebau in der Lausitz verursachten hohen Sulfatwerte in der Spree.“

In der Lausitz hat man derzeit allerdings noch mehr Probleme. Hier ist seit Wochen kaum Niederschlag gefallen. Und auch jetzt und in den kommenden Tagen sind allenfalls kurze – möglicherweise auch wieder sehr starke – Schauer möglich. Hinzu kommen laut Wettervorhersage Temperaturen über 30 Grad.

Extremer Klimawandel

Tatsächlich wird nach Ansicht der Experten Brandenburg am frühesten und extremsten vom Klimawandel betroffen sein. Nicht umsonst als märkische Streusandbüchse bezeichnet, ist es wegen der vielen Sandböden mit Abstand das trockenste Bundesland. Und dort, wo es jetzt schon trocken ist, wird es nach fester Überzeugung der Klimaforscher noch trockener.

Hinzu kommen die immer schnelleren Übergänge der Jahreszeiten. „Viele erinnern sich noch, wie sie in ihrer Kindheit im Frühling sehnsüchtig darauf warteten, dass es mindestens eine Woche lang über 20 Grad warm war“, sagt Thomas Deutschländer. „Erst dann durften Kinder Kniestrümpfe und kurze Hosen anziehen.“

Heute seien die Übergänge sehr viel kürzer und schroffer, sagt der Klima-Experte vom Deutschen Wetterdienst – und das werde extremer, je weiter man nach Osten komme. Manchmal dauere der Frühling nur drei Tage. Und inzwischen haben auch hier schon manche das Gefühl, man könne vom Ski- gleich in den Badeanzug wechseln.

Viele Menschen würden immer noch denken, dass ein Temperaturanstieg um zwei, drei Grad nicht dramatisch sei, sagt Deutschländer. Aber mehr Wärme bedeute auch mehr Wasser in der Atmosphäre, dass oft zu schweren Gewittern und Starkregen führe. Von den dramatischen Folgen habe die Region im vergangenen Jahr einen kleinen Vorgeschmack bekommen, als Straßen, Häuser und Keller tagelang nach Starkregen überschwemmt waren.

Auch in Berlin natürlich, denn die Stadt liegt nun einmal mitten in Brandenburg. Die materiellen Schäden durch Wasser, Blitz oder vom Sturm entwurzelte Bäume steigen nach Aussagen von Versicherungen schon jetzt stark an, sagt Thomas Deutschländer: „Am Ende wird man sogar oftmals froh sein müssen, mit Leib und Leben davonzukommen.“

Ärzte warnen außerdem bereits vor gesundheitlichen Risiken durch Hitzekollaps, Dehydrierung oder Hautkrebs. Das gilt vor allem für Menschen, die im Freien arbeiten. So muss sich auch der Präsident des brandenburgischen Bauernbunds, Marco Hintze, schützen, der in Krielow bei Werder/Havel rund 560 Hektar bewirtschaftet. „Gras mähen und Heu machen – viel mehr kann man in diesen Tagen nicht tun“, sagt er.

Oft geht sein Blick sorgenvoll zu den Getreidefeldern. „Das Korn ist gut gewachsen, aber jetzt müssen sich die Ähren ausbilden, und wenn es weiter so trocken bleibt, wird das nichts“, sagt er. Alle Flächen zu bewässern sei nicht möglich beziehungsweise zu kostspielig. So hoffen die Bauern mehr als alle anderen auf eine längere Regenperiode.

Zwar gibt es immer mal wieder Hilfen aus Brüssel, weil Brandenburg in der EU wegen der Sandböden und des hohen Waldanteils als landwirtschaftlich benachteiligte Region gilt, aber die kommen vor allem den großen Agrargenossenschaften zugute, und nicht den kleinen Familienbetrieben, sagt Hintze.

Sorge bereitet ihm und vielen Landwirten, die ihre Felder nahe an Wäldern haben, die hohe Brandgefahr. Am Samstag herrschte in allen Brandenburger Landkreisen bis auf die Uckermark die höchste und zweithöchst Alarmstufe. Einige kleinere Brände waren an verschiedenen Orten im Land ausgebrochen, sie konnten alle relativ schnell gelöscht werden.

Waldbrandgefahr wegen Trockenheit

„Es ist so trocken und dazu geht auch noch Wind – da reicht ein kleiner Funke, um eine Katastrophe auszulösen“, sagt Carsten Brudek von der Leitstelle Lausitz. Der Feuerwehrmann wird nie verstehen, warum Menschen bei dieser Trockenheit mit dem Auto in Wälder fahren, dort sogar noch rauchen oder den Zigarettenstummel wegwerfen.

„Die meisten Brände werden von den Kameraden der Freiwilligen Feuerwehren gelöscht“, sagt er: „Die kommen in diesen Tagen nicht zur Ruhe, werden ständig von ihrem Arbeitsplatz oder ihren Familien weggeholt. Und das meistens wegen Fahrlässigkeit und Leichtsinn.“

Brudek ist seit 30 Jahren Feuerwehrmann. Er war 1992 an der brandenburgisch-sächsischen Grenze im Einsatz, wo sich eine Feuerwalze auf die Stadt Weißwasser zubewegte und ein Menschenleben forderte.

Auch beim großen Waldbrand in der Nähe vom südbrandenburgischen Großräschen im Juli 1983 war er dabei. Damals kämpften Tausende Feuerwehrleute, Soldaten und Zivilisten wochenlang gegen die Flammen, die 1138 Hektar Wald vernichteten. Die Einsatzkräfte verhinderten knapp eine größere Katastrophe, weil sich damals im Wald noch ein Raketenstützpunkt der Nationalen Volksarmee (NVA) mit einem großen Treibstofflager befand.

Auch aus diesen Erfahrungen heraus bittet Brudek alle, die irgendwo in der Natur Feuer entdecken, sofort die 112 anzurufen und sich nicht darauf zu verlassen, dass das schon jemand anders tun wird: „Besser zehn Leute rufen an als gar keiner.“

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