BER-Aufsichtsrat: "Wie der Bund die Sache handhabt, ist skandalös"
Die Verantwortlichen für Fehler beim BER gehen unter, sagt Anton Hofreiter. Der Grünen-Fraktionschef verlangt nach Experten für den Aufsichtsrat.
Herr Hofreiter, was läuft falsch am BER?
Dort ist in der Vergangenheit extrem viel falsch gelaufen, da könnte man eine lange Geschichte erzählen. Aber was jetzt aktuell fraglich ist und auch schon länger in der Debatte: Ob der Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft Berlin Brandenburg richtig zusammengesetzt ist. Es ist eine alte Forderung von mir und anderen Grünen-Politikern, dass im Aufsichtsrat dringend mehr Experten sein müssen. Es gehören dort Fachleute hinein, die mehr Zeit für ihre Kontrollaufgabe haben als ein Minister, Senator oder Regierender Bürgermeister.
Mit Experten meinen Sie aber nicht die Staatssekretäre? Von denen sitzen einige im Aufsichtsrat, Bund und Brandenburg sind nur mit Staatssekretären vertreten.
Mit Experten meine ich echte Fachleute, die spezifisches Expertenwissen haben. Natürlich darf ein so wichtiges öffentliches Projekt nicht von der politischen Verantwortung entkoppelt sein. Aber wir müssen die drei Ebenen auseinanderhalten: Die Geschäftsführung, die für das operative Geschäft zuständig ist. Dann den Aufsichtsrat, der das Unternehmen beaufsichtigt, und die Gesellschafterversammlung als politisches Steuerungsorgan der öffentlichen Eigentümer.
Es saßen ja gelegentlich Experten im Aufsichtsrat. Als letzter gegangen ist der Berliner Hotelmanager Michael Zehden.
Wir brauchen dringend Fachleute für Baucontrolling und -organisation. Also Leute, die beurteilen können, ob das, was die Flughafengesellschaft macht, tatsächlich sinnvoll ist.
Sie raten demnach nicht nur Berlin, sondern auch den Mitgesellschaftern Brandenburg und Bund, den Aufsichtsrat zu entpolitisieren?
Generell gilt das für alle drei Gesellschafter. Berlin steht ja nicht allein in der Verantwortung, und wie der Bund die Sache handhabt, ist schon seit Jahren skandalös. Vor allem das Bundesverkehrsministerium tut so, als wenn es mit dem Bau des Hauptstadt-Flughafens nichts zu tun hätte. Das war bei Herrn Ramsauer so und ist bei Herrn Dobrindt nicht besser geworden. Der Bund, der viel mehr Erfahrungen mit Großbaustellen hat als ein kleines Bundesland, muss sich stärker engagieren, beispielsweise Kostenkalkulationen und Terminpläne kritisch unter die Lupe nehmen.
Rot-Rot-Grün streitet darüber, wie die beiden vakanten Sitze im Aufsichtsrat besetzt werden sollen. Als Kompromiss deutet sich an, dass Grüne und Linke jeweils einen Staatssekretär benennen. Wären das die Experten, von denen Sie sprechen?
Beim Flughafen BER geht es darum, dass dieses Bauvorhaben endlich fertig wird. Natürlich haben Staatssekretäre oft ein spezifischeres Wissen – ich bin sicher, das liegt in einer grün-geführten Senatsverwaltung auch vor. Ich persönlich plädiere aber dafür, Leute zu finden, die Erfahrung mit schwierigen Großbaustellen haben.
Immerhin kennt sich Berlins Flughafen-Koordinator, der Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup, im Baubereich aus…
… ja, ja.
Und Brandenburg hat mit dem stellvertretenden Aufsichtsratschef, dem Staatssekretär Rainer Bretschneider, einen Mann mit großer Erfahrung.
Das stimmt, aber auch er ist kein Mann vom Bau.
Nehmen wir mal an, Berlin schickt tatsächlich zwei waschechte Experten in den Aufsichtsrat. Sollte sich dann auch der Regierende Bürgermeister Michael Müller als Vorsitzender des Gremiums zurückziehen?
Diese Entscheidung würde ich gern dem Regierenden Bürgermeister überlassen. Für mich ist entscheidend, dass der Aufsichtsrat mehr Expertise bekommt. Es muss in Zukunft auch deutlicher werden, wofür die Geschäftsführung, der Aufsichtsrat und die Gesellschafterversammlung verantwortlich sind. Darunter leidet der Flughafenbau von Anfang an. Bisher ist das ein Bermudadreieck, in dem die Verantwortlichkeiten für Fehler und Probleme spurlos untergehen.
Ist die Gesellschafterversammlung, in der Berlin, Brandenburg und der Bund sitzen, ihrer politischen Aufgabe bisher gerecht geworden?
Die Gesellschafterversammlung hat sich meiner Meinung nach viel zu lange im Hintergrund gehalten. Man hätte viel deutlicher machen müssen, was man politisch will.
Anton Hofreiter, 46, ist Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Deutschen Bundestag und leitete von 2011 bis 2013 den Verkehrsausschuss des Parlaments.