zum Hauptinhalt
Johannes Erz bewirtschaftet gemeinsam mit Ehefrau Hanna Erz seinen Zehn-Hektar-Hof bei Alt Tucheband im Oderbruch.
© Christoph M. Kluge

Das Hokkaido-Problem: Wie Bauer Erz mehr regionales Bio-Gemüse auf Berliner Teller bringen will

Brandenburgs Bio-Landwirte könnten mehr liefern. Doch Vermarktung und Vertrieb sind mangelhaft: Die Produkte landen zu selten in Berlin.

Mit den bloßen Händen greift Johannes Erz in die feuchte Erde. Ein Regenwurm kriecht hervor. Ein gutes Zeichen, findet der Bauer. Die Böden sind generell gut im Oderbruch, viel besser als in den meisten Regionen Brandenburgs. Das ehemalige Überschwemmungsgebiet der Oder wurde im 18. Jahrhundert trockengelegt. Es liegt an manchen Stellen nur zwei Meter über dem Meeresspiegel. Der 35-Jährige baut hier vor allem Hokkaido-Kürbisse und Kartoffeln an, die er in Berlin vermarktet.

2016 hat Johannes Erz gemeinsam mit seiner Frau Hanna den Hof im Ortsteil Rathstock der Gemeinde Alt Tucheband gekauft, unweit der polnischen Grenze. Es sei schwierig gewesen, ein Grundstück zu finden, sagt Johannes Erz. Am Ende sei wohl auch ein bisschen Glück im Spiel gewesen.

Zum Gehöft, das nach dem Prinzip eines Vierseitenhofes bebaut ist, gehört Ackerland mit einer Fläche von zehn Hektar – das entspricht 100 000 Quadratmetern. Die Flächen liegen direkt am Hof an, können also zu Fuß erreicht werden.

Kurze Wege erleichtern die Bewirtschaftung. Daher können die Erzens mit relativ wenig Technik und ohne Angestellte arbeiten. „Zu Beginn hatten wir gar kein Geld“, erinnert sich Erz. Die Anschaffung der Technik ist ein erheblicher Kostenfaktor. Für den Traktor musste eine Finanzierung in Raten abgeschlossen werden. Die Maschinen, bis hin zur Hacke, wurden gebraucht gekauft und aus den laufenden Einnahmen bezahlt.

Die Erzens versuchen, mit dem Notwendigsten auszukommen. Doch mit Sparsamkeit habe das Ehepaar kein Problem, sagt Johannes Erz. „Wir kommen beide aus Baden-Württemberg und haben eine gewisse schwäbische Mentalität.“ Die beiden haben sich beim Studium an der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung in Eberswalde kennengelernt. Fachrichtung: Ökolandbau und Vermarktung.

Kürbis mit Risiko

In diesem Jahr ist ihr kleiner Betrieb einen großen Schritt gegangen und hat auf vier Hektar Kürbisse angebaut. 2019 war es nur ein Hektar. Die Erweiterung war mit Risiko verbunden, denn die Jungbauern konnten nicht sicher sein, dass die Ware verkauft wird. Das habe auch zu „innenpolitischen Diskussionen“ mit der Ehefrau geführt.

Am Ende gelang es, etwa 30 Tonnen Hokkaido zu produzieren. Es hätte etwas mehr sein können, meint Erz. Allerdings habe er auch sehr viel Zeit damit verbracht, die Kürbisse zu vermarkten. Verkauft werden sie hauptsächlich über inhabergeführte Bioläden in Berlin, die Erz selbst mit dem Transporter beliefert. Der Bauer ist zuversichtlich: „Wir werden bis Weihnachten ausverkauft sein.“ In naher Zukunft wolle er die Scheune ausbauen, um Lagerkapazitäten zu schaffen.

Biobauer Johannes Erz bei einer Veranstaltung der Regionalwert AG in Potsdam im Oktober.
Biobauer Johannes Erz bei einer Veranstaltung der Regionalwert AG in Potsdam im Oktober.
© Andreas Klaer

Die Vermarktung ist ein wichtiges Thema für Johannes Erz. Darin sieht er ein grundlegendes Problem für die Versorgung der Region. „Die Landwirtschaft stellt sich auf die Nachfrage ein“, sagt er. Aber das geschehe nun einmal langsam. Aus Berlin höre er häufig die Beschwerde: Brandenburg produziere nicht genug Bioware.

Doch Erz sagt: „Wenn ihr Bio wollt, müsst ihr auch ganz gezielt danach fragen.“ Damit meint er: Die Bauern könnten es sich nicht leisten, etwas anzubauen, ohne zu wissen, ob sie es am Ende verkaufen können oder auf der Ernte sitzen bleiben.

Über lange Zeit sei großes, billiges Gemüse nachgefragt worden. Da müsse man sich nicht wundern, dass die Bauern weiterhin genau das produzierten. Es müsse eine Infrastruktur für Bioprodukte geschaffen werden, die den Bauern Absatzsicherheit biete.

Strukturprojekt: Suppe

Ein Projekt, das die Betriebe der Region stärken soll, ist eine neue regional produzierte Suppe aus dem Glas. Gekocht wird das bisher namenlose Produkt von der Firma „Wünsch Dir Mahl“ im nahen Müncheberg. Die Zutaten kommen vom Bauernhof Erz und anderen Produzenten der Region: dem Beerfelder Hof in Steinhöfel, dem Ökodorf Brodowin und dem Speisegut Gatow.

Geschält und verarbeitet wird das Gemüse von der Müncheberger GEKO Fruchthandelsgesellschaft, einem Versorger von Großküchen und Restaurants. So ist es gelungen, eine komplette Wertschöpfungskette aus biozertifizierten und regionalen Betrieben zu schaffen.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Das Angebot besteht zunächst aus zwei Sorten: Kürbissuppe und Kartoffelsuppe. Beide werden in kleinen Gläsern zu 380 Milliliter angeboten, die richtige Größe für einen städtischen Single-Haushalt oder die Mittagspause. Das Rezept kommt vom veganen Koch und Kochbuchautor Timo Franke. Finanziell gefördert wird das Projekt von der Regionalwert AG. Wenn das Produkt beim Verbraucher gut ankommt, kann im nächsten Jahr die Serienproduktion beginnen.

Johannes Erz hofft, dass die Bioerzeuger aus Ostbrandenburg durch die Fertigprodukte einen gesicherten Absatz bekommen und in Zukunft mehr Gemüse produzieren können. Dazu muss sich das Produkt jedoch erst am Markt durchsetzen. „Ich kann gerne mehr liefern“, sagt Erz. Neben den Kürbissen produziert der Betrieb auch Kartoffeln und Getreide.

In diesem Jahr hat der Hof erstmals auch Linsen angebaut. Für den Einstieg wurden ein Mähdrescher und andere Maschinen benötigt. Das Ehepaar Erz startete eine Crowdfunding-Kampagne auf der Plattform Startnext. Die Aktion „Linse mit Gesicht“ war ein großer Erfolg. Das anfängliche Finanzierungsziel von 20 000 Euro wurde deutlich übertroffen, am Ende kamen 23 928 Euro zusammen. 237 Personen gaben Geld.

Brandenburg hat einen Öko-Aktionsplan gestartet

Auf einem Teil der Flächen wächst Kleegras, eine Zwischenfrucht. Das liegt auch daran, dass die Flächen bisher noch nicht auf Bio „umgestellt“ waren. Bevor ein Betrieb seine Produkte mit der entsprechenden Kennzeichnung vermarkten darf, muss er eine Umstellungszeit durchlaufen.

Die Hokkaido-Kürbisse werden mit anderen regionalen Zutaten zu einer Suppe verarbeitet.
Die Hokkaido-Kürbisse werden mit anderen regionalen Zutaten zu einer Suppe verarbeitet.
© Christoph M. Kluge

Das ist eine Herausforderung. Denn der Anbau muss in dieser Phase bereits alle Regeln des Ökolandbaus eingehalten werden. Aber die Waren dürfen noch nicht als „bio“ bezeichnet und über die einschlägigen Großhandel vertrieben werden. Im kommenden Jahr werden alle Flächen des Bauernhofes umgestellt sein.

Das Kleegras verbessere die Bodenqualität, erklärt Erz. In Zukunft sollen die Flächen dann etwas mehr Ertrag bringen. Das Brandenburger Landwirtschaftsministerium unter dem grünen Minister Axel Vogel hat kürzlich einen Öko-Aktionsplan gestartet, um die Fläche des ökologischen Landbaus auszubauen.

Kommen solche Maßnahmen bei den Bauern an? Erz schaut skeptisch: „Wir warten nicht auf die große Politik.“ Der Hof müsse langsam, aber kontinuierlich ausgebaut werden. „Da kommt es auf Stabilität an.“ Unabhängig davon, welcher politische Wind gerade wehe.

„Nach der Wende kamen viele hierher und wollten erklären, wie es funktioniert.“

Erz engagiert sich lieber vor Ort, etwa im Gemeinderat und im Vorstand des Gewässer- und Deichverbands. Letzterer sorgt dafür, dass das Oderbruch fortlaufend entwässert wird. Weil er auch direkt am Hof Kartoffeln verkauft, komme er mit den Leuten der Gegend ins Gespräch. Da spüre er mitunter ein gewisses Misstrauen gegenüber Zugezogenen, gerade gegenüber denen aus dem Westen.

Das könne er aber verstehen, sagt Erz. „Nach der Wende kamen viele hierher und wollten erklären, wie es funktioniert.“ Das sei als Bevormundung verstanden worden. Aber wenn man nicht „mit dem großen Geldbeutel“ daherkäme, sondern hart arbeite und sich ernsthaft bemühe, lerne man die Menschen von einer herzlicheren Seite kennen.

Ein großes Problem für Junglandwirte in Brandenburg seien fehlende Beratungsangebote, sagt Erz. Seiner Ansicht nach tut die Landesregierung zu wenig. Da bleibe nur, sich selbst weiterzubilden. Hanna und Johannes Erz fahren zum Beispiel in die Niederlande, um sich die dortigen Methoden des Ökolandbaus anzuschauen. „Die sind dort viel weiter. Daran müssen wir uns orientieren“, sagt er.

Zur Startseite