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Gedankenbilder. Chris Walter sitzt im Futurium vor seiner Installation „Brainwaves“.
© Thilo Rückeis

Erste Einblicke in das "Futurium", Teil 3: Werden wir in Zukunft gläserne Bürger sein?

Im „Denkraum“ Technik malen die Besucher Bilder mit Signalen aus ihrem Kopf.

Wer sich im „Denkraum“ Technik des Futuriums auf Chris Walters interaktives Exponat einlässt, erklärt sich bereit, sein Innerstes nach außen zu kehren. Mit „share your inner unicorn“ („teile dein inneres Einhorn“) lädt er zu der ästhetisch-technischen Erfahrung ein, ein Bild ausschließlich mit der Kraft der Gedanken zu malen.

Die Installation steht in einem Teil des „Denkraums“, in dem sich alles um sogenannte Gehirn-Computer-Schnittstellen (auf Englisch: Brain-Computer-Interfaces, BCI) dreht. Dies sind Anwendungen, die eine Steuerung von Maschinen mit bloßer Hirnaktivität – also Denken – möglich machen. Die „Gedankenwelt“ der Bereitwilligen wird mittels Elektroenzephalografie (EEG) mit einem Stirnband an drei Punkten gemessen. Ein Algorithmus bildet aus drei Eingangsgrößen eine Variable, welche den geistigen Zustand von Anspannung und Entspannung beschreibt. Ebendiese Variable wird vom Stirnband via Bluetooth an eine Zeichenmaschine übermittelt, die hinter einer Glasscheibe sichtbar ist. Kommen die Signale bei ihr an, setzt sie sich in Bewegung und zeichnet die vom Algorithmus übersetzte „Gedankenwelt“ an die Scheibe. Entspannt man sich, senkt sich der Stift in der Mitte und malt lange Striche; die Maschine leuchtet blau. Ist man unruhig, malt die Maschine nur kurze Striche und wird grün. Durch die Überlagerungen der „gemalten Gedanken“ der Besucherinnen und Besucher entstehen Bilder.

Wird unser Verstand „hackbar“ sein?

Vorausgegangen war für Walter die Frage: Wie beschäftigen wir uns in der Zukunft in der Freizeit? Die Virtualität verändert unser Verhältnis zu den Dingen. Unsere Häuser werden smart, und mit der Zwischenschaltung von W-Lan oder Bluetooth wird der Kontakt zwischen Haut und Material seltener. Heutzutage berühren wir noch die Benutzeroberfläche von Smartphone oder Computer. Wie aber gestalten sich Freizeitmöglichkeiten in 50 Jahren, wenn es nichts Haptisches mehr gibt, sondern die Schnittstelle zwischen Menschen und Gegenständen rein gedanklich stattfindet?

Der 29-Jährige arbeitet zwischen Design, Technik und der freien Kunst. „Ich mag es, wenn Technik schön gestaltet ist. Und ich mag den ehrlichen und transparenten Umgang mit ihr“, erzählt er. Auch im Exponat sind sämtliche Kabel und verbauten Elektronikteile sichtbar. So will er die Technik transparent und nachvollziehbar machen.

Gleichzeitig möchte er mit seinem Exponat aber auch zum Nachdenken über denkbare Folgen anregen. Die Besucher geben ihren Bewusstseinszustand preis und stellen ihn öffentlich zur Schau. Zwar handelt es sich um eine rudimentäre Auslesung von Hirnsignalen, da die Leute nicht zeitaufwendig verkabelt werden können – die Tragweite der angedeuteten Möglichkeiten wird einem aber bewusst. Werden wir in Zukunft gläserne Bürger sein? Werden wir mit W-Lan-verbundenen Chips im Gehirn herumlaufen und unser Verstand dadurch „hackbar“ sein? „Das ist so ähnlich wie mit Instagram, wo Leute ihr Leben zur Schau stellen. Das birgt Gefahren, weil es etwas Persönliches ist. Wir dürfen nicht vergessen, unsere Privatsphäre mitzudenken“, meint Chris Walter.

Friederike Moraht

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