Erste Einblicke in das "Futurium", Teil 2: Mach mal langsam
Hätten wir mehr Zeit – wofür würden wir sie nutzen? Antworten auf diese und weitere Fragen werden im Denkraum „Mensch“ gesucht.
Ein Zauberwürfel und ein Pilgerschal – sie beide sind ein Symbol für Wege, mit Zeit umzugehen. Wieso? Das erfahren Besucher des Denkraums „Mensch“ im Futurium. In einem Teil der umfangreichen multimedialen Ausstellung dreht sich nämlich alles darum, wie die Zeit unser heutiges Leben prägt und wie wir künftig unser Verhältnis zur Zeit gestalten wollen. Die Uhren scheinen sich in der jetzigen Welt schneller zu drehen, meist gleicht unser Alltag eher einem Wettlauf gegen die Zeit: Wir leben beschleunigt.
„Wir alle kennen ja den Satz ‚Zeit ist Geld'“, erklärt Stefanie Borgmann, Referentin des Ausstellungsbereich im Futurium. „Und diese Aussage prägt bis heute die Wirtschaft. Aber auch in unserem Privatleben wollen wir effizient sein, möglichst viel erleben und erledigen.“ Schnelleres effizienteres Arbeiten und Freizeitstress – hier wird Zeit ganz klar zum ökonomischen Gut. Je mehr wir in weniger Zeit schaffen, desto mehr Gewinn entsteht.
Zudem verändern sich die Technologien, die unseren Alltag prägen: „Eine E-Mail erreicht uns sehr viel schneller als ein Brief – wir können mehr leisten, aber es wächst auch unsere To-Do-Liste und mit ihr die Zeitnot“, erklärt Stefanie Borgmann. Unser Lebenstempo verändert sich, wir versuchen mehrere Dinge gleichzeitig zu tun: Während wir in der Mikrowelle das Abendessen erwärmen, checken wir schnell auf dem Smartphone die letzten Arbeitsmails und im Kopf entsteht die neue Liste für den Tag. Multitasking nennen wir das dann und hetzen durchs Leben – bis hin zur psychischen oder körperlichen Belastung. Nicht umsonst boomen Ratgeber rund ums Zeitmanagement. Oft wünschen wir uns ein Pflaster für unseren gehetzten Geist. Dieses Ungleichgewicht kann mehr bewirken als nur Stressempfinden, es kann uns krank machen.
Den ersten Schritt aus dem „Immer schneller“ wagen
Hier hinterfragt der Themenbereich zum Zeitwohlstand wie wir zum einen in die Beschleunigung geraten und welche Strategien es zur Entschleunigung geben könnte – damit wir eben zu einem „Zeitwohlstand“ finden, also die Dinge in Balance bringen. „Wie wir Zeit erleben, wie wir diese nutzen, kann dabei auch große Auswirkungen auf die Gesellschaft haben“, sagt Stefanie Borgmann, „die Zeit, die wir haben, ist die Grundlage für Vieles. Hätten wir mehr Zeit – wofür würden wir sie nutzen?“, stellt sie einen der Aspekte der Ausstellung vor. Vielleicht würden wir uns stärker engagieren, uns endlich in einem Verein für Dinge einsetzen, die uns am Herzen liegen oder Raum finden für politisches Engagement. Wir könnten das soziale Miteinander stärken, Menschen anders begegnen, anstatt nur aneinander vorbeizuhetzen.
Hier kommen nun auch der Zauberwürfel und der Pilgerschal zum Tragen: Sie beide sind Exponate im Denkraum „Mensch“, die Berliner Bürger der Ausstellung zur Verfügung stellten, und die für sie Perspektiven auf Zeitwohlstand darstellen. Mit dem Zauberwürfel vergleicht eine Autorin und dreifache Mutter ihren Alltag mit Beruf und Kindern: So komplex wie das Lösen eines Zauberwürfels erscheint ihr die Planung des Alltags. Man muss spielerisch an diese Aufgabe herantreten.
Den Pilgerschal stiftete ein Technologe und Psychologe, der eine Offline-App entwickelt hat, mit der die User ihr Smartphone dazu nutzen können, bewusste Auszeiten von der digitalen Dauerbereitschaft zu planen. Für ihn persönlich war eine Pilgerreise ein analoges Bild zu seiner App: auf sich selbst fokussiert, offen für das Gespräch mit anderen und das Leben im Moment.
Diese und weitere Stationen können Besucher bald im Futurium erleben. Es geht den Machern der Ausstellung dabei nicht darum, zu mahnen und anzuklagen, sondern in den Dialog mit den Besuchern zu treten. „Wie wollen wir leben?“ ist die grundlegende Frage der Projekte des Futuriums, und es lädt so ein, unsere Lebenshintergründe zu hinterfragen, bietet Anregungen und Impulse zur Auseinandersetzung. Dabei richtet sich die Ausstellung an Besucher jedes Alters. „Wir zeigen Faktoren der Beschleunigung, aber auch wie einzelne Personen Wege zu einem Leben im eigenen Takt gefunden haben“, sagt Stefanie Borgmann. Auf jeden Fall regt der Denkraum „Mensch“ an, über unseren eigenen Umgang mit der Zeit nachzudenken und vielleicht den ersten Schritt aus dem „Immer schneller“ für sich selbst zu wagen.
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