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Nach Florian Grafs Rücktritt sucht die CDU in Berlin einen Nachfolger.
© Britta Pedersen/dpa-Zentralbild/dpa

Stühlerücken nach Rücktritt von Florian Graf: Wer wird neuer Chef der Berliner CDU-Fraktion?

Die CDU-Fraktion im Parlament braucht einen neuen Chef. Was spricht für Mario Czaja, was für Stefan Evers, was für Burkard Dregger? Für Czaja formiert sich breite Unterstützung.

Von Ronja Ringelstein

Bei der Berliner CDU ist alles offen. Nachdem Florian Graf am Donnerstagabend überraschend sein Amt als Fraktionschef aufgegeben hatte, hat die Union in Berlin also weder einen Fraktionsvorsitzenden, noch einen Europakandidaten – geschweige denn einen Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl 2021.

Doch jetzt könnte es ganz schnell gehen. Jedenfalls die ersten beiden Posten werden sich bald klären. Den neuen Fraktionsvorsitzenden (dass es ein Mann wird, gilt als zu hundert Prozent sicher), wählt die Fraktion am 12. Juni. Aber dem Vernehmen nach könnte er schon Anfang nächste Woche feststehen.

Davon, wer das wird, hängt auch alles andere ab. Es wird darüber entscheiden, welchen Kurs die CDU in Berlin einschlägt – und letztlich darüber, ob sie dem rot-rot-grünen Regierungsbündnis in Berlin bei der nächsten Wahl wirklich etwas entgegensetzen kann.

Diese drei nennen sie in der Partei immer wieder: den Generalsekretär Stefan Evers, den innenpolitischen Sprecher Burkard Dregger sowie Mario Czaja, der im rot-schwarzen Senat Gesundheits- und Sozialsenator war. Jeder der drei hat Stärken – doch eben auch Schwächen.

Wie verhält sich der neue Chef gegenüber Monika Grütters?

Die Frage, die sich einige stellen, die nicht nur in der Fraktion, sondern auch im Landesverband gut vernetzt sind, ist: Wie wird sich der neue Fraktionschef gegenüber der Landesvorsitzenden Monika Grütters verhalten? Wird er ihr brav zuarbeiten oder versuchen, an ihr vorbeizuziehen?

Erst vor gut einer Woche sagte Grütters, dass sie eine Spitzenkandidatur für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin nicht ausschließe, sprach von einem „inneren Ringen“. Landesvorsitz der Partei – aber auch Fraktionsvorsitz im Parlament – wären jeweils ein guter Ausgangsposten für den nächsten CDU-Spitzenkandidaten.

„Wenn Monika Grütters 2021 Spitzenkandidatin werden will, hat der Fraktionschef bis dahin die ganze Arbeit gemacht und bekommt dann nicht den Pokal. Das macht vielleicht Evers, aber Czaja will den Pokal auch gewinnen“, sagt jemand aus der Fraktion.

Die Suche nach Mehrheiten hat begonnen. In der Fraktion wird derzeit viel telefoniert. Die Parlamentarischen Geschäftsführer hören sich um, fragen die, die für den Fraktionsvorsitz infrage kommen, ob sie bereitstehen, danach müssen sie Unterstützer finden. Bevor am 12. Juni tatsächlich gewählt wird, steht also im besten Fall schon fest, wer es wird. „Alles andere wäre eine Blamage“, heißt es. Die Herausforderung ist, einen Kandidaten so zu verkaufen, dass dem alle trotz etwaiger Bedenken zustimmen. Doch weder Czaja noch Dregger noch Evers sind unumstritten.

Mario Czaja, der Aussichtsreiche

Mario Czaja scheint der aussichtsreichste Kandidat für den Fraktionsvorsitz zu sein. Wie man hört, formiert sich eine breite Unterstützung für ihn. Der 42-Jährige gilt als klug und gewinnend. 2016 holte er in seinem Wahlkreis in Marzahn-Hellersdorf entgegen dem Abwärtstrend das beste Erststimmenergebnis von 47,2 Prozent.

Er hat im Osten der Stadt ein starkes Standing – zwar sind die Ostbezirke eher schlecht im Abgeordnetenhaus vertreten, doch auch Tempelhof-Schöneberg – wo Florian Graf Kreischef ist – und der starke Bezirk Steglitz-Zehlendorf sowie Mitte könnten für ihn votieren. Er wird als Bildungsexperte mit pragmatischen Ansätzen geschätzt.

Aber die Vergangenheit könnte ihm die Zukunft verbauen. „Viele Abgeordnete haben noch Bedenken wegen der Lageso-Geschichte“, sagt einer. In der Hochphase der Flüchtlingskrise konnte Czaja als Senator für Gesundheit und Soziales das Chaos in seinem Landesamt nicht bewältigen. Das wäre ein Angriffspunkt.

Bis Freitagnachmittag hatte mit Burkard Dregger noch niemand über eine Kandidatur für den Fraktionsvorsitz gesprochen, „ich will den Gesprächen nicht vorgreifen“, sagte er dem Tagesspiegel. Dregger, der nächste Woche 54 Jahre alt wird, ist Anwalt. Er wird als Innenexperte geschätzt und ist Vorsitzender im Amri-Untersuchungsausschuss.

Im Gegensatz zu Evers und Czaja verkörpert er die konservative Berliner CDU. Deshalb können ihn sich viele auch als den nächsten Generalsekretär an Monika Grütters’ Seite vorstellen – als liberal-konservatives Duo. Er ist Grütters gegenüber loyal, beide haben ein gutes Verhältnis. Dregger kommt aus Reinickendorf – sechs Abgeordnete stellt der Bezirk im Parlament, diese wollen dem Vernehmen nach einstimmig wählen. Doch innerhalb der Partei fehlt Dregger der Unterbau.

Auch Stefan Evers könnte Mühe haben, eine Mehrheit zu bekommen. Bei seiner Wahl zum Generalsekretär 2016 fiel der heute 38-Jährige im ersten Wahlgang durch, sein Verhältnis zu manchen Kreisverbänden ist schwierig. Außerdem soll er Ambitionen haben, Europakandidat zu werden. „Evers muss sich jetzt endlich erklären“, fordern sie in der Fraktion.

Klar ist: Ob als Fraktionsvorsitzender oder Europakandidat – Generalsekretär kann der Vertraute von Grütters in beiden Fällen nicht bleiben. Sollte der Stadtentwicklungsexperte sich gegen Europa entscheiden, hätte Monika Grütters mit ihm einen loyalen Mann an der Spitze im Abgeordnetenhaus.

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