Nach der Berlin-Wahl: Wer sind die neuen AfD-Stadträte?
Welche Politiker ziehen für die AfD in die Rathäuser ein? Was gehört zu ihren Aufgaben und welche Ziele haben sie? Ein Überblick nach Bezirken.
Reinickendorf integriert, Lichtenberg blockiert, und Neukölln rätselt noch, wer da eigentlich kommt – jeder Bezirk geht mit seinem AfD-Stadtrat anders um. In sieben Bezirken stellt die AfD zukünftig einen Bezirksstadtrat und übernimmt somit politische und behördliche Verantwortung. Zwar erhalten sie alle nur kleine Ressorts, doch die sind teilweise eine große Herausforderung – so wie die Bürgerämter in Reinickendorf oder die Parkplätze in Pankow. Ein Überblick.
TREPTOW-KÖPENICK
Als der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Bertram vor einer Woche im Rathaus Treptow seinen Kandidaten, Bernd Geschanowski, vorstellt, ist der zukünftige Stadtrat auffallend wortlos. Es ist die erste Bezirksverordnetenversammlung in dieser Wahlperiode, und die erste im Leben von Bernd Geschanowski.
Ein politisches Amt hatte er noch nie inne, AfD-Mitglied ist er seit knapp einem Jahr. Bertram sagt über Geschanowski, er sei ein Mann „der nicht die großen Reden schwingt, sondern der schaut, dass alles funktioniert.“ Es braucht drei Wahlgänge, bis Geschanowski Stadtrat ist. Als er zum Ende der Sitzung seinen Amtseid ablegt, zitterte seine zum Schwur gehobene Hand. Mehrfach kommt er ins Stocken.
Geschanowski ist der erste AfD-Stadtrat, der schon arbeitet
Das Lachen aus dem Publikum ist verunsichernd. Seine Wangen sind noch überzogen von roten Flecken, als er nach der Sitzung mit seinen Parteifreunden zusammensteht, am Rande der Runde, stumm. Die AfD ist isoliert.
Geschanowski hatte schon viele Jobs: Schiffbauer, Blumengroßhändler, auch „Internetpionier“ soll er laut Fraktionssprecher Bertram gewesen sein. Zuletzt vertrieb Geschanowski Elektroartikel, das war vergangene Woche. Seit dieser Woche ist er Mitglied des Bezirksamts Treptow-Köpenick.
Geschanowski ist der erste AfD-Stadtrat, der tatsächlich schon arbeitet. Zwei Ämter sind ihm unterstellt, Gesundheit sowie Umwelt- und Naturschutz. Ein kleiner Auszug aus der To-Do–Liste dieser Ämter: Müllentsorgung, Artenschutz, Kleingartenwesen und Katastrophenschutz. Eine Menge Arbeit. „Ich muss die Abläufe nun selbst erstmal komplett erfassen und verstehen“, sagt Geschanowski am Dienstag, seinem dritten Arbeitstag.
Nicht nur eine kognitive, auch eine logistische Herausforderung, denn das Amt für Umwelt- und Naturschutz liegt im Plänterwald, also sieben Kilometer von seinem Stadtratsbüro in Adlershof entfernt. Jeden kennenzulernen, vor allem die Mitarbeiter, nicht nur die Amtsleiter, das ist Geschanowski wichtig, sagt er.
REINICKENDORF
Am anderen Ende der Stadt, in Reinickendorf, gibt es noch einen zweiten AfD-Mann, der sich bereits Stadtrat nennen darf: Sebastian Maack. Dem 47-Jährigen wurde das Amt für Bürgerdienste und Ordnungsangelegenheiten übertragen. Maack bringt politische Erfahrung mit, 30 Jahre lang war er Mitglied der CDU. Ganz so weit wie sein Kollege Geschanowski in Treptow-Köpenick ist er dennoch nicht, der IT-Berater muss noch ein berufliches Projekt abwickeln, bevor er loslegen kann. Dann erst wird er sich den Bürgerämtern widmen.
Anfang Dezember ist Maacks erster offizieller Diensttag
„Das Bürgeramtsressort empfinde ich als positiv“, sagt Maack, Prozessoptimierung gehöre zu seinen Stärken. Wie er die Betriebsabläufe verbessern will, weiß er schon: mehr Effizienz, aber keine neuen Stellen. Das klingt nach einem Widerspruch? Selbstbedienungsterminals sind Maacks Lösung. Die gibt es auch schon in den Bürgerämtern von Marzahn-Hellersdorf und werden für Fotos und Fingerabdrücke genutzt – das soll den Mitarbeitern Arbeit abnehmen, und Zeit sparen.
Auch Maack will zunächst mit dem Personal sprechen: „Ich habe Demut davor, zu einem Menschen zu gehen, der seit 30 Jahren seinen Job macht und ihm zu sagen, wie es besser geht“, sagt Maack. Bisher hätten die Mitarbeiter ihn herzlich aufgenommen. Auch wenn es Vorurteile gegen die AfD gibt, sagt er, hier hätte er sie nicht gespürt. Maacks Büro in der Teichstraße wird noch hergerichtet, sein erster offizieller Diensttag wird Anfang Dezember sein.
MARZAHN-HELLERSDORF
Im Nachbarbezirk Marzahn-Hellersdorf werden die Bürgerämter bald ebenfalls von der AfD gemanagt. So viel steht, einigermaßen, fest. Denn gewählt wurde hier noch niemand – kein Bürgermeister, kein Stadtrat, und vor allem kein Thomas Braun. Der ist Kandidat der AfD und nach wie vor ein Phantom. Offiziell sprechen möchte er erst, wenn er im Amt ist. So lange bleiben nur diese Informationen: Auch Braun ist ein ehemaliger CDU-Mann.
Der 60-Jährige scheiterte an zwei Wahlen in seiner Heimat Baden-Württemberg, einmal wollte er „Sozialbürgermeister“ in Freiburg werden, ein anderes Mal Bürgermeister von Nürtingen. Kurzzeitig leitete er das Sozialamt in Friedrichshain-Kreuzberg. Was genau er jetzt macht, verrät sein Fraktionsvorsitzender Rolf Keßler nicht, er sei aber nach wie vor Beamter, und zwar in Berlin. Für die anderen Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung blieb Braun bisher gesichtslos. Er hat sich noch nicht vorgestellt. Das soll sich am Montagabend ändern. Dann werden sich alle Kandidaten für das Bezirksamt in der Fraktionssitzung jeder Partei präsentieren.
Gewählt wird voraussichtlich am 10. November. Der Zuschnitt der Ressorts ist zwischen Linken, SPD und CDU grundsätzlich verabredet, um Details wird aber noch gerungen – gerade im Hinblick auf die Personalie Braun.
Lichtenberg, Neukölln, Spandau und Pankow
LICHTENBERG
Erst ausgebuht, jetzt ausgebootet – in Lichtenberg machen die „demokratischen Parteien“, wie sich die Allianz von SPD, CDU, Grünen und Linken nennt, der AfD den Job schwer. Die Vorsitzenden der „Altparteien“, wie die AfD die vier verbleibenden Parteien wiederum nennt, wollten sich am Freitag treffen, um die Ressortverteilung zu besprechen. Ohne die AfD. Denn gewählt wurde auch hier noch niemand. „Die Ressorts sind noch nicht ansatzweise vergeben“, sagt Camilla Schuler, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Nur eins steht für sie fest: „Egal, welchen Kandidaten die AfD aufstellt, unsere Stimme kriegt keiner.“
Dass die AfD ausgerechnet Wolfgang Hebold aufgestellt hat, hatte Bürger und Bezirksverordnete schockiert. Der ehemalige Dozent verlor im Sommer gleich zwei Lehraufträge und einen Job, weil er seinen Studierenden ideologisierte Fragen gestellt haben sollte. Hebold bestreitet das, gegen die Kündigung der SRH Hochschule klagte er. Vor Kurzem einigten sie sich – worauf, darüber schweigen beide Seiten.
Nach wie vor ermittelt die Staatsanwaltschaft, denn Hebold soll Muslime beschimpft haben.
Ob der AfD-Mann genug Stimmen bekommt, wird sich wohl am 17. November zeigen, dann soll gewählt werden. Über eines sei man sich schon einig, heißt es aus Parteikreisen – mit Schule und Jugend soll die AfD nichts zu tun haben.
NEUKÖLLN
Die AfD in Neukölln hat sich mit Bernward Eberenz einen Kandidaten ausgesucht, dessen Vita eher zu den Grünen passt: Musiker, Philosoph, Autor. Grün ist aber nur das Amt, dass der 54-Jährige übernehmen soll – Umwelt und Naturschutz sind für ihn reserviert. „Ich würde mich in diesem Amt wohlfühlen“, sagt Eberenz auf Anfrage, „ich halte das Ressort nicht für eine Benachteiligung, auch wenn es von den etablierten Parteien so gemeint war.“ Gewählt wurde Eberenz noch nicht, aus bürokratischen Gründen: Sein polizeiliches Führungszeugnis lag zur konstituierenden Sitzung noch nicht vor. Er habe es aber rechtzeitig beantragt, sagt er. So oder so – bis zum 16. November bleibt sein Büro leer, für diesen Tag ist der zweite Anlauf geplant.
Wird die AfD absichtlich kleingehalten? Ein vergleichbar winziges Ressort zu leiten, bedeute nicht weniger Verantwortung, sagt der Vositzende der SPD-Fraktion Martin Hikel: „Selbstverständlich spiegeln sich die politischen Gestaltungswünsche der Zählgemeinschaftsfraktionen im entsprechenden Ressortzuschnitt wider. Die AfD hat das schwächste Ergebnis der stadtratsstellenden Fraktionen erzielt. Hieraus lässt sich kein Anspruch auf ein großes Ressort ableiten.“
Das gilt für Neukölln. Doch in Lichtenberg oder Marzahn-Hellersdorf gehört die AfD zu den stärksten Fraktionen. Auf größere Ressorts können sie trotzdem nicht hoffen.
SPANDAU
Der Spandauer AfD-Stadtratskandidat heißt Andreas Otti. Seine Kandidatur steht schon seit Wochen fest. Die Spandauer AfD war sich schnell einig, dass der Luftwaffenoffizier ihr Mann wird. Doch jetzt wird Otti ausgebremst, denn so lange CDU und SPD sich noch streiten, muss die drittstärkste Fraktion warten. Die CDU hatte die Gespräche mit der stärkten Fraktion, der SPD, kürzlich für gescheitert erklärt.
Die SPD ist aber auf eine Zählgemeinschaft mit der CDU angewiesen, um wie bisher einen Bürgermeister stellen zu können. Sie haben noch bis zum 30. November Zeit, dann sollen hier alle Posten im Bezirksamt verteilt werden. Welches Ressort Otti zufällt, bleibt bis dahin offen.
PANKOW
Die Bezirksverordnetenversammlung in Pankow ließ den AfD-Kandidaten Nicolas Seifert in ihrer ersten Sitzung durchfallen. Der Grund: Er war nicht rechtzeitig bei den anderen Parteien vorstellig geworden – bis zum Tag vor der Versammlung war er im Urlaub gewesen. Seifert, der erst im Frühjahr der Partei beigetreten war, kam kurzfristig zu seiner Kandidatur. Beworben hatte er sich eigentlich für einen anderen Job. Er wollte Landesgeneralsekretär werden und schickte dem AfD-Vorstand eine entsprechende E-Mail. Seifert, 42 Jahre alt, studierter Wirtschaftsingenieur, ist derzeit noch als IT–und Produktmanagementberater tätig. Er sah Parallelen seines Berufs zur Parteiarbeit.
Die Partei sah ihn wiederum im noch zu vergebenen Amt des Bezirksstadtrats in Pankow, und er nahm die Kandidatur an. „Ich arbeite mich mehrmals im Jahr in neue Organisationen ein“, sagt Seifert, „aufgrund meiner beruflichen Erfahrung bin ich gut für das Amt geeignet.“ Die anderen Parteien überlassen ihm nach bisheriger Planung sowohl das Ordnungsamt als auch das Umweltamt. Das bestätigte Bezirksverordnetenvorsteher Michael van der Meer (Linke). Auch die umstrittene Parkraumbewirtschaftung wird somit in Seiferts Aufgabenbereich fallen.
Bei CDU und FDP hat er sich mittlerweile vorgestellt, SPD und Grüne folgen. Nur der Termin mit der Linken steht noch nicht fest. Seine Wahl ist für den 16. November angesetzt. Dann wird auch der noch offene Posten der CDU im Bezirksamt vergeben.
Lisa McMinn