Einkaufszentren in Berlin: Wer kauft noch in den Potsdamer Platz Arkaden?
Erst Saturn, jetzt Hugendubel: In den Potsdamer Platz Arkaden schließt ein Geschäft nach dem anderen. Was heißt das für das Einkaufszentrum? Fünf Antworten von fünf Leuten - die einen zieht es oft hier her, die anderen sind selten da.
Am zentralsten Platz Berlins wird umdekoriert und ausgeräumt. In den Potsdamer Platz Arkaden ziehen die Ankermieter aus. Nachdem letzte Woche der Elektronikmarkt Saturn dichtgemacht hat, schließt am heutigen Sonnabend die Buchhandlung Hugendubel. Und im Frühjahr eröffnet gleich nebenan das zweitgrößte Shoppingcenter Berlins am Leipziger Platz. Was bedeutet das für die 1998 eröffneten Arkaden? Die einen glauben an einen neuen Anfang, die anderen wünschen sich das Ende. Und viele fragen sich: Wer kauft hier überhaupt ein? Ein Ort, fünf Menschen, fünf Tageszeiten, fünf Meinungen.
9.52 Uhr. Die Verkäuferin
Acht Minuten noch. In den Arkaden ist es ungewöhnlich still. Aus dem Obergeschoss schwappt leise Countrymusik aus einer Sportsbar. Direkt daneben wuseln sechs Verkäuferinnen durch Hugendubel. Sie stapeln alte Bücher auf die Verkaufstische. In acht Minuten schließen sie den Laden auf, zum fast letzten Mal. Hugendubel steckt schon lange in Schwierigkeiten. Hinter der Glastür sieht es aus wie auf einem leer geräumten Flohmarkt. Berlin-Reiseführer für Einsfuffzich vereinsamen auf einem der Tische, die „Bravo Hits 81“ gibt es für 17,99 Euro.
Wie es mit den Arkaden weitergeht, dazu wollen die Hugendubel-Mitarbeiter nichts sagen. „Wir Deutschen mögen keine Shoppingcenter. Das ist etwas für Amerikaner“, meint die Verkäuferin in einem Nachbarladen. Sie arbeitet seit 30 Jahren als Verkäuferin – früher am Ku’damm, heute am Potsdamer Platz. Vor 15 Jahren hat sie ihren Besuch immer zum Potsdamer Platz und in die Arkaden geführt. „Damals war das neu.“ Und heute? Die kleine Frau lacht und schüttelt den Kopf.
Gerne arbeitet sie hier nicht. Es sei langweilig und kühl. Kein Guten Tag, kein Auf Wiedersehen. „Hier sind vor allem Touristen“, sagt sie. Warum, weiß sie genau. „Würden Sie von Wilmersdorf oder Kreuzberg hierher zum Einkaufen kommen? Also ich nicht.“ Im März zieht auch der Laden, in dem sie arbeitet, aus – es geht rüber zum Leipziger Platz.
12.05 Uhr. Der Geschäftsführer
Es riecht nach Shoppingcenter: Parfum. Es klingt nach Shoppingcenter: laute Popmusik. In den Läden ist wenig los, auf den Sitzgruppen davor viel. Es scheint, als hätten alle umliegenden Firmen keine Kantine. Mittagspause – schnell muss es gehen.
Auch Lutz Heinicke bleibt nicht viel Zeit. Der Center-Manager, der hier erst seit Sommer tätig ist, steckt mitten in den Vorbereitungen für das chinesische Neujahrsfest, das in zwei Wochen in den Arkaden stattfinden soll. Um sein Shoppingcenter macht er sich keine Sorgen. Wo Saturn war, zieht das Modekaufhaus TK Maxx ein. Auch für die bald leer stehenden Verkaufsräume von Hugendubel gibt es Interessenten. Namen nennt er nicht.
Heinicke spricht von seit Jahren stabilen Besucherzahlen, 43 000 Gäste unter der Woche, 50 000 am Wochenende. Die Konkurrenz vom Leipziger Platz fürchtet er nicht. „Wir erwarten eine Belebung des gesamten Platzes“, sagt er. Dass eher Touristen in die Arkaden kommen, gibt Heinicke zu. „Hier wohnt ja nicht wirklich jemand“, sagt er. Aber vielleicht kommen die Berliner bald – wegen des Leipziger Platzes. „Die Gegend hier wird in den Fokus als Einkaufsort gerückt.“
Drei Stockwerke tiefer macht sich ein russisches Paar auf die Suche nach einer Handtasche – einer original Berliner.
16.18 Uhr. Die Straßenkehrer
Die Beine tun weh, der Rücken auch. Zeit für eine Pause. 200 Meter neben den Arkaden stehen vier Männer von der Straßenreinigung und trinken Kaffee von McDonalds. Seit 22 Jahren arbeitet einer von ihnen schon als Straßenreiniger am Postdamer Platz. „Früher war hier nichts“, sagt er, „manchmal denke ich, die sollten alles wieder abreißen.“ Wenn es um die Arkaden geht, wird er wütend. Er streckt den Zeigefinger in die Luft, sein Schnurrbart bibbert. Mit rotem Kopf sagt er: „Hier wird das ganze Geld reingepumpt. Und wer kauft hier ein?“ „Nur die Schickimickis“, antwortet einer seiner Kollegen. „Wir haben viel zu viele Shoppingcenter“, sagt ein Dritter. Der Vierte arbeitet gern hier. Früher putzte er in Kreuzberg. „Hier ist es wenigstens sauber“, findet er. Der Mann mit dem Schnurrbart schnaubt und schüttelt den Kopf.
21.29 Uhr. Der Taxifahrer
In den Potsdamer Platz Arkaden war er noch nie. Er hat auch nicht vor, dort hineinzugehen. Seine Klamotten kauft er auf Ebay. Thorsten Küster steht mit seinem Taxi in der Alten Potsdamer Straße. Er steht immer hier und fährt meistens Touristen weg.
Viele der Touristen kämen aus den Arkaden, erzählt er. Vor allem jungen Frauen, die voll bepackt mit Einkaufstüten in sein Taxi steigen, rät er dann: „Geht lieber in Kreuzberg einkaufen. Alles was es hier gibt, kriegt ihr auch bei euch zu Hause.“ Küster wohnt übrigens in Kreuzberg. Er findet, am Potsdamer Platz sehe es aus wie in Frankfurt am Main. „Hier ist kein Leben“, sagt er, „nur Geld.“
Ein Stück weiter, in den Arkaden, haben die Läden vor einer halben Stunde geschlossen. Auch in den Fressbuden werden schon die Vitrinen geputzt. Man kann jetzt sogar die Vögel hören, die aus den kleinen Boxen an den Bäumchen im Foyer zwitschern. Bald kehrt Ruhe ein. Doch die währt nicht lange.
2.12 Uhr. Die Dekorateurinnen
In den Potsdamer Platz Arkaden arbeitet nicht nur der Sicherheitsdienst in der Nacht. Direkt am Eingang steht ein roter Kran, in der kleinen Kabine hockt ein junger Mann, der glitzernde Sternenketten abhängt. Nathalie Weihnstock und Moreen Hoffmann, zwei junge Frauen um die 18, stopfen die Sterne in große Pappkartons und transportieren sie ab. Jede Nacht arbeiten sie hier. Unter der Woche bis drei, am Wochenende bis sieben. Ein Aushilfsjob neben dem Studium. Jetzt bauen sie die Weihnachtsdeko ab, bald dekorieren sie für die Berlinale. Im Foyer werden im Februar immer die Karten für die Filmfestspiele verkauft – dann kommen auch viele Berliner hierher.
Nathalie kauft noch manchmal hier ein. Bei H & M. Früher kam sie regelmäßig hierher, „zum Pizzaessen mit den Eltern“. Sie haben in der Nähe gewohnt. Dann sind sie nach Spandau gezogen.
Eva Riedmann
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