Umstellung auf Notversorgung: Wer darf in Berlin weiter in die Kita gehen?
Nur wer die Betreuung wirklich braucht, soll sie in Anspruch nehmen. Eine Liste für systemrelevante Berufe wie beim ersten Lockdown gibt es diesmal nicht.
Die Kitas bleiben offen, aber nicht für alle. Ab Mittwoch wird auf eine Notversorgung umgestellt. Das teilte der Senat am Sonntag mit. Nur wenn es gar nicht anders geht, sollen die Kinder in die Kita gebracht werden. Die Eltern werden aufgefordert, sich bei ihrer Kitaleitung zu melden, wenn sie eine Betreuung in Anspruch nehmen wollen.
Doch wer darf sich angesprochen fühlen? Eine Liste für systemrelevante Berufe wie beim ersten Lockdown im Frühjahr gibt es diesmal nicht. „Ich erhalte schon den ganzen Vormittag Mails, in denen mich Eltern fragen, ob sie ihr Kind weiterhin bringen dürfen“, sagt die Leiterin einer Kindertagesstätte in Friedrichshain dem Tagesspiegel. Das mache unheimlich viel Arbeit. „Wir sind nun wieder die Bittsteller, die bei den Eltern um Vernunft werben.“
In einem Schreiben der Senatsverwaltung an die Kitaträger- und Leitungen heißt es: „Pauschale Absagen an den von Seiten der Eltern formulierten Bedarf sind in diesem Zusammenhang unzulässig.“
Babette Sperle vom Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden sagt: „Am Ende ist doch jeder Fall eine Einzelfallentscheidung.“ Während des ersten Lockdowns habe es viele Unstimmigkeiten über die herausgegebenen Berufe-Listen gegeben. Viele Berufsgruppen hätten darauf gedrängt, die Betreuung ebenfalls in Anspruch nehmen zu dürfen. Der jetzige Weg sei unbürokratischer und schneller.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]
„Am Ende kennen die Kita-Leitungen die Familien am besten und wissen, wer eine Betreuung dringend benötigt.“ Auch Corinna Balkow vom Landeselternausschuss Kita begrüßt die locker gehaltene Formulierung: Es sei wichtig, „dass Eltern verantwortungsvoll entscheiden können, ob Sie diese Unterstützung benötigen.“ Kitas sollten als familienstützende Systeme wirken. „Vorgefertigte Kriterien werden aktuellen Notsituationen nicht gerecht.“
Martin Hoyer vom Paritätischen Wohlfahrtsverband gibt zu bedenken, dass gerade über vier bis fünf Werktage diskutiert werde, an denen eine alternative Betreuung organisiert werden müsse. „An den Tagen kurz vor Weihnachten und zwischen den Feiertagen und Neujahr haben viele Kindertagesstätten ohnehin geschlossen.“ Der Zeitpunkt für den Lockdown sei daher gut gewählt.
Doch ist danach wieder alles auf Anfang? Die Leiterin aus der Kita in Friedrichshain hatte schon vor den Verhandlungen am Sonntag einen Brief verfasst, in dem sie auf das hohe Ansteckungsrisiko in Kitas aufmerksam gemacht hatte: Trotz eines ausgefeilten Hygienekonzeptes stünden sie mit insgesamt etwa 70 unterschiedlichen Haushalten in täglichem in Kontakt. „Ich würde gerne unsere Bildungssenatorin einladen, um ihr auch nur einen Tag einen Einblick in unsere Realität zu geben.“
Dann bitte „warm angezogen“, so wie die Erzieherinnen das jeden Tag sind, um beim ständigen Lüften nicht zu frieren. Für das kommende Jahr fordere sie eine Perspektive vom Senat, wie es unter Pandemiebedingungen weitergehen könne. „Gerade planen wir mal wieder von Tag zu Tag.“
Wer zahlt, wenn die Eltern Zuhause betreuen?
Dem schließen sich Martin Hoyer und Babette Sperle in einem offenen Brief ihrer Verbände am Montag an. „Eine Möglichkeit könnte die Betreuung in festen Kleingruppen bis mindestens Anfang Februar sein“, sagt Sperle. Betreuungszeiten müssten dann womöglich verkürzt werden, da Personal und Räumlichkeiten dafür nicht ausreichen.
Ob auch denkbar sei, dass einige Kinder über den 10. Januar hinaus zu Hause bleiben müssen? „Zum jetzigen Zeitpunkt ist das wohl nicht vorgesehen, aber sicher ist gerade nichts“, sagt Sperle.
[Behalten Sie den Überblick: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen rund um das Coronavirus. Jetzt kostenlos anmelden: checkpoint.tagesspiegel.de.]
Das stellt viele vor ein Problem, denn wer seine Kinder zu Hause betreuen muss, kann nicht arbeiten und muss mit Verdienstausfällen rechnen. Eine Regelung aus dem Infektionsschutzgesetz soll Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entschädigen und ihnen 67 Prozent des entstandenen Ausfalls zurückzahlen.
Während der Schulferien besteht kein Entschädigungsanspruch. Voraussetzung für die Entschädigung ist weiter, dass das Kind das zwölfte Lebensjahr nicht vollendet hat oder wegen einer Behinderung auf Hilfe angewiesen ist. Außerdem darf es für den Zeitraum der Schließung keine andere zumutbare Betreuungsmöglichkeit für das Kind geben.
Die Frage an den Senat, ob das Geld für Alleinerziehende vom Land Berlin aufgestockt werden wird, bleibt bis Redaktionsschluss unbeantwortet. 67 Prozent des Nettolohns reichen in vielen Familien nicht aus. Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht in Köln, gibt zudem zu bedenken, dass der Entschädigungsanspruch nur gilt, wenn die Kitas und Schulen offiziell geschlossen werden, aber nicht, wenn nur die Empfehlung besteht, die Kinder zu Hause zu lassen.
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität