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Umstrittener Name. Wie heißt der U-Bahnhof Mohrenstraße künftig?
© REUTERS/Annegret Hilse

Namensstreit um Mohrenstraße in Berlin: „Wenn er Antisemit war, sollte der U-Bahnhof nicht nach meinem Ur-Ur-Großvater benannt werden“

Miriam Glinka ist Ur-Ur-Enkelin des berühmten Komponisten Michail Glinka. Der U-Bahnhof Mohrenstraße soll nach ihm umbenannt werden – doch es gibt Kritik.

Frau Glinka, wie präsent war Ihr Ur-Ur-Großvater Michail Glinka bislang in Ihrem Leben?
Ich weiß quasi seit Geburt, dass ich einen berühmten Vorfahren habe. In meiner Familie ist das schon präsent. Ich bin aber in Frankfurt am Main aufgewachsen, da kannte bis auf ein paar richtige Klassik-Fans niemand den Namen Glinka. Das hat sich in Berlin geändert, da wurde ich häufig darauf angesprochen. Da ich keine Musik mache, hat das mich oder meine Kunst aber nie beeinflusst.

Haben Sie sich mit seinem Werk auseinandergesetzt?
Ich kenne die Basics seines Schaffens, wie ein „Ein Leben für den Zaren“. Ich mag die Piano-Konzerte deutlich mehr als die Opern. Aus Familienerzählungen weiß ich, dass er gerne komponierte und dabei viele Leute um sich hatte.

Die BVG hat unlängst angekündigt, den U-Bahnhof Mohrenstraße umzubenennen in Glinkastraße.
Das finde ich richtig. Der Begriff „Mohr“ ist alt und meines Erachtens nicht neutral, sondern abwertend. Ein Mohr war im 17. Jahrhundert auch nur ein dekorativer Mensch von weißen, privilegierten Adeligen. Ich kann dem überhaupt nichts Positives abgewinnen, wenn man Straßen so benennt.

Nach dem Vorschlag, den U-Bahnhof nach Ihrem Ur-Ur-Großvater zu benennen, dauerte es nicht lange, bis Antisemitismus-Vorwürfe gegen ihn bekannt wurden.
Ich habe davon noch nie etwas gehört, bin aber auch kein Glinka-Experte. Wenn es zutrifft, dass er ein Antisemit war, sollte man den U-Bahnhof nicht nach meinem Ur-Ur-Großvater benennen.

Sie sind selbst Schauspielerin und Sängerin. Was halten Sie davon, wenn man die Kunst der Vergangenheit mit den Standards der Gegenwart überprüft?
Das ist ein ganz schwieriges Thema, eigentlich lässt sich das nicht ins heute übersetzen. Viele Künstler sind privat Schweine. Das ist Fakt. Wie viel das mit ihrem Werk zu tun hat, kann ich nicht beurteilen. Mit diesen Standards dürfte man eigentlich auch keine Filme von Klaus Kinski anschauen. Ich finde das geht zu weit, da sollte man Werk und Privatleben trennen. Es gibt aber Grenzen.

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Zum Beispiel?
In Großbritannien werden gerade viele Statuen von Sklavenhändlern und Kolonialisten entfernt, das finde ich gut. Man sollte auch keinen Ärzten, die mit Sklavinnen herumexperimentiert haben, vor Krankenhäusern eine Statue errichten. Überhaupt sehe ich Statuen für Menschen kritisch. Das brauchen wir nicht, denn damit überhöhen wir den Menschen unnötig.

Miriam Glinka.
Miriam Glinka.
© privat

Sollten auch Straßen nicht mehr nach Menschen benannt werden?
Dagegen habe ich nichts, aber man muss die Personen viel besser auswählen und vorab historisch beleuchten. Es gibt doch so viele tolle Schriftsteller, Künstler oder Musiker, die nichts mit Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus zu tun haben. Man muss sie nur suchen – auch für die Mohrenstraße.

Ihre Kunst bezeichnen Sie explizit als unpolitisch. Warum?
Ich verstehe mich als Ästhet, nicht als Politiker. Das war einfach nie mein Drive. Ich verstehe auch keine Kunst, die was mit Sex zu tun hat. Für mich ist Kunst das Produzieren eines Luxusguts. Bei Künstlern ist es oft viel Gerede, um intellektueller zu wirken. Ich bin nicht aus Furcht vor einer späteren Zensur unpolitisch.

Miriam Glinka lebt in Berlin und arbeitet als Autorin, Sängerin, Schauspielerin und Künstlerin. Sie ist Ur-Ur-Enkelin des berühmten Komponisten Michael Glinka.

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