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Kein Halt für Rassisten: Der U-Bahnhof "Mohrenstraße" heißt bald "Glinkastraße".
© Gerald Matzka/dpa

Kein Halt für Rassisten: Streit um neuen Namen für U-Bahnhof Mohrenstraße

Die BVG benennt die Station „Mohrenstraße“ um. Doch der umstrittene Straßenname mit der rassistischen Konnotation bleibt vorerst.

Der Mann trägt einen urdeutschen Vornamen, er fährt leidenschaftlich gerne Bus, er lenkt ihn bei seinen Touren durch Mitte, auch durch die Mohrenstraße, vorbei am gleichnamigen U-Bahnhof. Der Busfahrer ist Schwarz.

Petra Nelken, die Pressesprecherin der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG), kennt ihn gut, sie dachte zuletzt immer öfter: „Was muss sich dieser Mann wegen seiner Hautfarbe anhören? Was muss er denken, wenn er durch die Mohrenstraße fährt?“ Sie sagt, dass auch in ihrem Unternehmen „schon lange über den Straßennamen diskutiert wird“.

Die Debatte über die rassistisch konnotierte Mohrenstraße wird die Stadt vermutlich noch eine Weile begleiten. Der BVG-Vorstand hat jetzt überraschend beschlossen, den U-Bahnhof „Mohrenstraße“ umzubenennen, künftig soll die Station „Glinkastraße“ heißen, in Erinnerung an den russischen Komponisten Michail Iwanowitsch Glinka, gestorben am 15. Februar 1857 in Berlin. Die Glinkastraße biegt von der Mohrenstraße ab. Seit Jahren wird über letztere gestritten, über die Assoziation zu afrikanischen Sklaven, zu Schwarzen Menschen überhaupt, die durch den Begriff „Mohren“ rassistisch beleidigt werden.

Die Entscheidung über die Umbenennung, sagt Petra Nelken, habe der BVG-Vorstand Mitte der Woche in Eigenregie gefällt, der BVG-Aufsichtsrat, in dem unter anderen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop und Verkehrssenatorin Regine Günther (beide Grüne) sitzen, habe die rechtlich verbindliche Entscheidung „mit Freude zur Kenntnis genommen“, sagt Nelken.

Gerade die Grünen hatten schon lange eine Umbenennung favorisiert. Vor wenigen Tagen hatte die Grünen-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, energisch eine Umbenennung gefordert. Das landeseigene Verkehrsunternehmen begründete die Umbenennung am Freitag so: „Als weltoffenes Unternehmen und einer der größten Arbeitgeber der Hauptstadt lehnt die BVG jegliche Form von Rassismus oder sonstiger Diskriminierung ab.“

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Streit über Umbenennung

Tahir Della, Sprecher der Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland (ISD), findet die BVG-Entscheidung „grundsätzlich richtig“. Er sagt, die Nachricht von der Namensänderung hätte ihn „wie ein Blitz getroffen“. Jahrelang sei nichts passiert, jetzt gehe alles ganz schnell. Doch der neue Stationsname „Glinkastraße“ stört ihn. Der ISD setzt sich seit Jahren für den Namen „Anton Wilhelm Amo“ ein.

Amo war in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts der erste Schwarze Philosoph, der eine akademische Laufbahn in Deutschland einschlug. Er war noch ein kleines Kind, als er aus dem Gebiet des heutigen Ghana verschleppt und an den Hof von Herzog Anton Ulrich von Braunschweig-Wolfenbüttel gebracht wurde. Als „Geschenk“. Anton Ulrich ließ das Kind 1707 auf den Namen Anton-Wilhelm taufen. Von der Fürstenfamilie gefördert, studierte Amo in Halle Philosophie und Rechtswissenschaften.

Della möchte aus dem U-Bahnhof, mit Infotafeln, einen Dokumentationsort zum Thema Rassismus machen. Das geht natürlich auch in einer Station „Glinkastraße“, aber wenn an den Eingängen „Anton-W.-Amo“ stünde, würde die Dokumentation aufgewertet, erklärt Della.

Eine Aktivistin hält bei einer Kundgebung zur Umbenennung der Mohrenstraße ein Straßenschild der „Anton-W.-Amo-Straße" hoch.
Eine Aktivistin hält bei einer Kundgebung zur Umbenennung der Mohrenstraße ein Straßenschild der „Anton-W.-Amo-Straße" hoch.
© imago/IPON

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Doch so könnte die Station nur heißen, wenn auch die Mohrenstraße in „Anton-W.-Amo-Straße“ umbenannt würde. Und da beginnt der nächste Streitpunkt. Im Bezirk Mitte wird seit langem über eine Umbenennung der Mohrenstraße diskutiert, doch es ist ein zähes Verfahren, es reden viele Menschen mit, es gibt eine „Bürgerinitiative Pro Mohrenstraße“, auch rechtliche Aspekte müssen geprüft werden.

Die BVG dagegen kann in Eigenregie über Namen entscheiden. Durch den Tod des US-Amerikaners George Floyd, der in Minneapolis durch Polizeigewalt zu Tode kam, ist die Debatte um die Mohrenstraße angeheizt worden. Auch deshalb die schnelle Entscheidung der BVG.

U-Bahnhof-Namen müssen auch „Orientierungshilfe" geben

Der Vorschlag „Glinkastraße“, sagt Petra Nelken, sei dem Vorstand von den BVG-Fachabteilungen „Kundenbetreuung“ und „Marketing“ vor zehn Tagen vorgelegt worden. Ein U-Bahnhof-Name muss auch „Orientierungshilfe“ geben, deshalb muss sein Name auf eine nahegelegene Straße, einen Platz oder ein markantes Gebäude hinweisen. Eine Glinkastraße gibt es am U-Bahnhof, eine „Anton-W.-Amo-Straße“ bislang nicht.

Und es ist kaum damit zu rechnen, dass die BVG erneut den Namen ändern wird, sollte der Bezirk Mitte die Mohrenstraße irgendwann umbenennen. „Das müsste dann schon der ausdrückliche Wunsch des Landes Berlin sein“, sagt Nelken.

Allerdings wird es noch Monate dauern, bis die Station offiziell U-Bahnhof Glinkastraße heißt, genau gesagt: bis zum Fahrplanwechsel im Dezember. Bis dahin muss die BVG ihre Fahrpläne ohnehin neu gestalten, weil dann die U 5 mit der neuen Verbindung von Alexanderplatz zum Brandenburger Tor ans Netz gehen wird.

Dann wird der U-Bahnhof zum fünften Mal umbenannt. Die Station wurde 1908 unter dem Namen Kaiserhof eröffnet, weil in der Nähe das berühmte Hotel Kaiserhof stand. Im August 1950, nachdem die DDR den Wilhelmplatz umgetauft hatte, erhielt sie den Namen „Thälmannplatz“ und erinnerte an den KPD-Vorsitzenden Ernst Thälmann.

Ab 1986 hielt die U-Bahn an derselben Stelle in der Station „Otto-Grothewohl-Straße“, benannt nach dem langjährigen Ministerpräsidenten der DDR. Die Wilhelmstraße war 1964 in Otto-Grothewohl-Straße umbenannt worden, durch Bebauung war der Thälmannplatz allmählich verschwunden. Der U-Bahnhof wurde 1991 zur Station „Mohrenstraße“. Petra Nelken hat den neuen Namen auf ihre Weise begrüßt. Am Freitag hörte sie ein Stück aus Glinkas Oper „Ruslan und Ljudmila“.

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