Krisenstimmung im Lehrerzimmer: Weitere Berliner Grundschulen schlagen Alarm
In einem Brandbrief beklagte die Berlin-Neuköllner Sonnen-Schule Personalnotstand und Überforderung. Ein SPD-Politiker fordert eine Task Force für Schulen in Not.
Dem Brandbrief der Neuköllner Sonnen-Grundschule haben sich offenbar weitere Neuköllner Grundschulen angeschlossen. „Ich habe mehrere gleichlautende Briefe erhalten“, berichtete Bildungsstadträtin Karin Korte (SPD). Angesichts des knappen Personals und der schwierigen Bedingungen könne sie „verstehen“, dass der Brief geschrieben worden sei. Es sei gut, dass die Lage der betreffenden Schulen thematisiert werde. So werde erreicht, dass „zumindest über Teilerleichterungen“ nachgedacht werde, lautete Kortes Kommentar zu dem Brief, den der Tagesspiegel am Mittwoch bekannt gemacht hatte.
In dem zweiseitigen Schreiben an Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hatte das komplette Kollegium – Lehrer und Erzieher – auf den Personalnotstand hingewiesen sowie auf den hohen Anteil an problematischen Kindern. Mitunter sei der Lehrer oder Erzieher im Hinblick auf die Sprache und auf das Sozialverhalten das einzige positive Vorbild.
Scheeres setzt auf Verwaltungsleiter
Einen Tag nach Bekanntwerden des Brandbriefes hat am Mittwoch Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) auf die Vorwürfe und Klagen des Kollegiums reagiert und Verbesserungen „für sogenannte Brennpunktschulen“ angekündigt. Dazu gehöre die Verstärkung durch Verwaltungsleitungen, die auch der Entlastung des pädagogischen Personals diene.
Zudem werde die Jugendsozialarbeit ausgebaut. Scheeres wies den Vorwurf zurück, dass Klassenfrequenzen in den Grundschulen steigen würden. Die Frequenzen seien über die letzten Jahre sehr stabil und in Neuköllner Grundschulen am geringsten.
Breiten Raum hatte in dem Brandbrief auch das Thema Inklusion eingenommen. Die Pädagogen warnen vor der „unbegrenzten und alternativlosen Inklusion“: Von den zugesagten Hilfen komme im Schulalltag „so gut wie nichts an“. Scheeres reagierte darauf, dass sie „einen Schwerpunkt auf den Ausbau der Unterstützung für die Inklusion“ lege. Die Senatorin stellte den Schulen „notwendige zusätzliche Ressourcen“ in Aussicht, „damit alle Schüler die ihnen zustehende Förderung“ bekämen.
Wenn die SPD auf „Zwangsinklusion“ setze, dann müsse wenigstens das dafür angekündigte Zusatzpersonal „endlich ankommen“, forderte CDU-Generalsekretär Stefan Evers.
Langenbrinck spricht von "exemplarischem Fall"
Die Schulen würden immer mehr zum Reparaturbetrieb unserer Gesellschaft, seien dafür aber nicht ausreichend ausgestattet, kritisierte der Neuköllner Abgeordnete Joschka Langenbrinck (SPD). Er forderte eine „Task Force“ für Schulen in Not, die mit ihren sozialen Problemen nicht alleingelassen werden dürften. Die Sonnen-Grundschule sei „exemplarisch“ für viele Brennpunktschulen.
Tatsächlich ähneln die im Brandbrief geschilderten Zustände auch denen an der Schöneberger Spreewald-Schule, über die der Tagesspiegel im März berichtet hatte. Der Krankenstand ist hier ähnlich hoch wie an der Sonnen-Grundschule, wo er bei rund 25 Prozent liegt. Die Schulen sind daher auf Vertretungslehrer angewiesen. Spreewald-Rektorin Doris Unzeitig berichtete am Mittwoch, dass eine Vertretungskraft erklärt habe, sich nicht mehr allein in einer bestimmten Klasse aufhalten zu wollen: Sie war innerhalb weniger Tage zweimal von Drittklässlern, die um sich schlugen, getroffen worden.
Drittklässler, die um sich schlagen - und Lehrer treffen
An der Spreewald-Schule hat sich nach Angaben Doris Unzeitigs die Sicherheitslage wieder verschärft, seitdem der Wachschutz abgezogen wurde, der das unübersichtliche Grundstück und die Schule vor schulfremden Personen schützen sollte. Der Bezirk verwies darauf, dass die Gegensprechanlage repariert sei, die von der Sekretärin bedient werden könne. Die allerdings sei für drei Wochen gar nicht auf ihrem Platz, gab Unzeitig am Mittwoch zu bedenken. Die Schulfremden seien bereits wieder da.