Landratswahl in Brandenburg: "Weder hat die AfD gesiegt, noch wurde sie besiegt"
Die AfD war für manchen Wähler in Brandenburg keine Alternative - weil auf kommunaler Ebene andere Themen und Personen wichtiger sind. Ein Analyse
Nach den Wahlen von sechs Landräten und vier Bürgermeistern in Brandenburg besteht eigentlich für niemanden ein Grund zur Freude. Das sagte der Dresdner Politikwissenschaftler Werner Patzelt am Montag dem Tagesspiegel: „Weder hat die AfD gesiegt, noch wurde sie besiegt – allein schon deshalb, weil es auf kommunaler Ebene um ganz andere Dinge geht als bei der Wahl zum Bundestag.“
Wie berichtet, hatte die AfD vor dem vergangenen Wahlsonntag wohl mit einem sehr guten Abschneiden, wenn nicht gar mit einem Sieg des einen oder anderen ihrer Kandidaten gerechnet. Aber keiner von ihnen konnte gewinnen, und nur zwei schafften es in die Stichwahl: Steffen Kubitzki, der 28,89 Prozent erhielt, tritt gegen den bisherigen CDU-Landrat von Spree-Neiße Harald Altekrüger (39,97 Prozent) an. Und in Guben fordert der zweitplatzierte Daniel Münschke (34,8 Prozent) am 6. Mai für die AfD den bisherigen CDU-Vize-Bürgermeister Fred Mahro (48,7 Prozent) heraus. Sowohl Kubitzki als auch Münschke, die beide eher als gemäßigt gelten, werden keine großen Chancen eingeräumt. In den beiden anderen Südkreisen Elbe-Elster und Oberspreewald-Lausitz, in denen die AfD bei der Bundestagswahl sehr viele Stimmen geholt hatte, siegten die bisherigen Landräte Christian Heinrich-Jaschinski (CDU) und Siegurd Heinze (parteilos) gleich im ersten Anlauf.
Die Machtbasis der SPD schwindet
Im Norden Brandenburgs, anders als die Industrie- und Bergbauregion Lausitz sehr ländlich geprägt, ist die AfD ohnehin schwächer. Die Landkreise Ostprignitz-Ruppin, Uckermark und der Barnim-Kreis wurden bisher von SPD-Landräten geführt, und zwar seit 1990. Doch wie in anderen Regionen des Landes gerät diese Dominanz der Sozialdemokraten ins Wanken. Bei den anstehenden Stichwahlen am 6. Mai läuft es auf rot-schwarze Duelle hinaus, die ein Vorgriff auf die Frontlinien bei der Landtagswahl im Jahr 2019 sind. Dann will CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben den bisherigen SPD-Regierungschef Dietmar Woidke erklärtermaßen ablösen. Die besten Chancen hat die CDU, die im Landestrend mit der SPD gleichgezogen ist, in der Uckermark. Favoritin für die Stichwahl ist CDU-Vizelandrätin Karina Dörk, die am Sonntag mit 47,7 Prozent deutlich vor SPD-Amtsinhaber Dietmar Schulze (36,5 Prozent) lag, der trotz seiner 65 Jahre noch einmal für acht Jahre angetreten war.
Wechselstimmung in der Uckermark
In der Uckermark liegt ein Wechsel in der Luft. In den anderen zwei Kreisen hat die SPD, die nach der Wahlniederlage zur Bundestagswahl und den seit Monaten deprimierenden Umfragetiefs im Land dringend Erfolge braucht, die besten Chancen auf die wichtigen Landratsposten. In Ostprignitz-Ruppin ist SPD-Amtsinhaber Ralf Reinhardt der Favorit, im Barnim der SPD-Landtagsabgeordnete Daniel Kurth. Der Ausgang der Stichwahlen ist aber schwer kalkulierbar, da zum einen niemand weiß, wem Stammwähler anderer Parteien ihre Stimmen geben. Zum anderen kam es häufig vor, dass Stichwahlen an zu geringer Wahlbeteiligung scheiterten, keiner das Quorum von 15 Prozent der Wählerstimmen schaffte. In solchen Fällen muss der Kreistag den neuen Landrat wählen.
Die AfD war im Norden nur im Landkreis Ostprignitz-Ruppin angetreten, die Kandidatin konnte zehn Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Das Abschneiden der Rechtspopulisten bewog manche Kommentatoren, eine Wahlpleite oder gar eine „Entzauberung der AfD“ zu verkünden, während deren Landesvorsitzender Andreas Kalbitz von „respektablen Ergebnissen“ beziehungsweise von „einem ungebrochenen Aufwärtstrend der Alternative für Deutschland“ sprach.
Der Amtsbonus spielt wichtige Rolle
Politikwissenschaftler Patzelt bezeichnet die Vorstellung, die AfD würde nun von Wahlsieg zu Wahlsieg eilen, zwar als Größenwahn, gibt aber zu bedenken: „Die Partei erhielt bei der Bundestagswahl so viele Stimmen, weil sie für viele Bürger die einzige Alternative zur Migrations- und Integrationspolitik der etablierten Parteien war.“ Da dieses Problem noch immer nicht gelöst sei, könne sie bei Bundes- oder Landeswahlen durchaus noch Stimmen gewinnen. Auf kommunaler Ebene stünden aber ganz andere Themen zur Debatte. Und oft entscheide man über Menschen, die man persönlich kenne, sagt Patzelt: „Deshalb spielt der Amtsbonus so eine große Rolle.“
Der verhinderte Apfelkönig
Im Süden profitierte davon auch der bisherige Bürgermeister von Schipkau Klaus Prietzel (CDU), während es für den amtierenden Vizebürgermeister Fred Mahro in Guben nicht reichte. Das hängt aber ganz sicher auch mit der Jahre langen erbitterten Diskussion um Gubens umstrittenen Ex-Bürgermeister Klaus-Dieter Hübner zusammen. Der war wegen Korruption verurteilt und trotzdem von den Einwohnern erneut zum Bürgermeister gewählt worden. Ausüben durfte er sein Amt bis zu seinem überraschenden Tod im vergangenen Jahr aber nicht. Der FDP-Mann galt vielen Bürgern als Garant für das Aufblühen der Grenzstadt an der Neiße. „Wenn Hübner noch da wäre, gäbe es hier keine AfD“, sagt ein Einwohner. „Oder er wäre ihr Vorsitzender“, ergänzt ein anderer: „Wenigstens haben sie diesen komischen Typen, der schon Apfelkönig werden wollte, nicht zur Wahl antreten lassen. Wegen dem lacht schon ganz Deutschland über Guben.“ Die Rede ist vom 42-jährigen Marko Steidel, der seit längerem die Gerichte beschäftigt, weil er nicht zum Apfelkönig – einer lokalen Symbolfigur – gewählt wurde. Wahrscheinlich gehen die grotesken Klagen jetzt weiter, weil man ihn wegen Formfehlern nicht als parteilosen Kandidaten zur Bürgermeisterwahl antreten ließ.
Parteilose Kandidaten on Forst
In der etwas südlicher gelegenen Grenzstadt Forst gehen zwei parteilose Kandidaten in die Stichwahl: die Juristin und Leiterin des Direktionsstabes der Polizeidirektion Süd, Simone Taubenek, und der 40-jährige Thomas Engwicht, der Gärtner ist und dessen Vorfahren sich schon um den berühmten Forster Rosengarten verdient gemacht haben. Die beiden hatten sich sehr knapp gegen die Kandidaten der Linken und der CDU durchgesetzt. Beiden traue man zu, die Stadt gut zu regieren, heißt es in Forst.
Problem der geringen Wahlbeteiligung
Politikwissenschaftler Werner Patzelt findet nur bedenklich, dass immer mehr Menschen nicht mehr für eine Partei kandidieren wollen, weil das einfach nicht mehr attraktiv ist. „Andererseits bemühen sich die Parteien offenbar auch nicht wirklich um solche Kandidaten.“ Auch das sei keine gute Entwicklung. Von der geringen Wahlbeteiligung ganz zu schweigen.
Sandra Dassler, Thorsten Metzner