Osterbräuche in Berlin: Wat is mit der Tradition?
Berlin und Ostern – wie gut passt das zusammen? Gibt es typische Osterbräuche, spielt das Ei eine gewichtige Rolle? Eine Spurensuche quer durch die Stadt.
Berlin kommt an den Osterfeiertagen ganz zu sich – jedenfalls, wenn das Wetter stimmt wie diesmal. Raus aus den Wohnungen auf die Wiesen, an die Seen und Kanäle, das versteht sich von selbst in einer Stadt, die sich von November bis April meist in melancholischer Selbstbespiegelung ergeht.
Einfach draußen sitzen bei allem, was man zu tun gedenkt, gern, wenn möglich, auch bei der Arbeit, das ist nicht nur dem Eingeborenen genetisch gefestigte Pflicht, sondern überträgt sich auch auf die Zugereisten, jene, die bleiben, und jene, die nur ein paar Tage vorbeischauen. Ostern mit seinen drei Feiertagen bietet dafür den perfekten Rahmen.
Aber was hat Berlin eigentlich traditionell mit Ostern zu tun? Gibt es Berliner Osterbräuche, spielt das Ei eine gewichtige Rolle, womöglich der Osterhase? Wer im Internet fahndet, wird sofort in Richtung Spreewald umgeleitet, zu den handbemalten sorbischen Eiern, die tatsächlich eine lange Tradition haben.
Aber in Berlin, speziell im West-Berlin der Mauerzeit, waren sie praktisch unbekannt. Die Stadt nahm, was sie im Geschäft bekommen konnte, und das war schlicht. Als Kinder suchten wir mit Inbrunst brave Schokoladeneier, deren geschmackliche Raffinesse weit entfernt war vom Confiserie-Chic der Moderne; wer Knickebein erwischte, die seltsame Eierlikör-Fondant-Füllung, der hatte, bäh, eine Niete gezogen. Viel besser liefen die Dragee-Eier mit der flüssigen Zuckerfüllung, die so schon zwischen den Zähnen krachten, ein Suchtmittel auf beiden Seiten der Mauer. Gibt es die noch?
„Willste ma vergackeiern?“
Knickebein immerhin klingt irgendwie berlinisch, ist es aber nicht. Der Name hat möglicherweise mit einem Jenaer Studenten zu tun, der so genannt wurde, nach anderen Quellen beschreibt er einfach die Wirkung, die nach übermäßigem Genuss eintritt, und dann gibt es auch noch ein Studentenlied, in dem Andreas Hofer…. Eine falsche Spur jedenfalls, wenn wir nach Berliner Traditionen suchen.
Ein anderes Ei wiederum ist innig mit der Alt-Berliner Küche verbunden, aber es hat absolut nichts mit Ostern zu tun: das Sol-Ei. Fester Bestandteil des „Hungerturms“ in der Kneipe neben Sülzkotelett und Boulette, aber eben kein Saisonprodukt, sondern das Ergebnis einfacher Konservierung in Salzlake.
Es ist, wie es scheint, zusammen mit den Kneipen und dem Hungerturm, dem gläsernen Kleinregal, längst ausgestorben, gelegentliche Wiederbelebung aus nostalgischen Gründen nicht ausgeschlossen. „Willste ma vergackeiern?“ sagt der Berliner, wenn er Fake News wittert, aber auch das hat natürlich nicht das Geringste mit dem Osterfest zu tun.
Wiedereröffnung vielleicht an Ostern?
Aber das Eierhäuschen! Das Ausflugslokal am Rande des Plänterwaldes an der Spree war eine 1-a-Adresse, wenn es um das Ziel des Osterausflugs ging, denn vom Eise befreit war der Strom mit einiger Sicherheit immer um die Feiertage herum.
Über die Herkunft des Namens sind zwei Theorien in Umlauf: Möglicherweise wurden dort Eier an die Spreeschiffer verkauft, oder er hängt mit einem Ruderwettbewerb zusammen, dessen Hauptpreis aus einem Schock Eier bestand. Im Fontanejahr kann der Hinweis nicht ausbleiben, dass der Dichter das Eierhäuschen im „Stechlin“ verewigt hat: Melusine lädt Woldemar zu einer Dampferfahrt ein und freut sich über den „Palazzo“. Zuletzt war es Teil des „Spreeparks“, stand leer und verfiel. Aktueller Stand der Sanierungsarbeiten: Vor 2021 wird es nichts mit der Wiedereröffnung. Dann vielleicht Ostern?
Von einem Osterfeuer, wie es heute ja geradezu Pflichtprogramm zu sein scheint, ist bei Fontane keine Rede. Trügt die Erinnerung – oder ist diese Sitte eine zeitgenössische Übernahme aus anderen ländlich-heidnischen Traditionen, zum Beispiel wiederum aus der sorbisch-slawischen Ecke?
Heute sind Osterfeuer, wild entzündet oder offiziell organisiert, in Berlin und um die Stadt herum aus touristischen Gründen immerhin so weit verbreitet, dass die Brandenburger Behörden aktuell auf die hohe Waldbrandgefahr hinweisen und in vielen Regionen ein Verbot aussprechen. Aber da wir grad bei Brandenburg sind: 900 Millionen Hühnereier sind dort im vergangenen Jahr produziert worden, das lief gerade unter der Überschrift „Fleißige Legehennen“ durch die Nachrichten, wir können nur hoffen, dass möglichst viele dieser Hennen auch glücklich sind.
Eier, Eier, Eier...
Wenn Ostern die Sonne scheint, steigt der Eierverbrauch steil an. Nicht nur fürs Frühstück, sondern vor allem für den Schmuck von Sträuchern im eigenen Garten. Diese Sitte stammt angeblich ebenfalls aus dem 19. Jahrhundert, wurde aber, wie es scheint, auch erst spät wiederentdeckt. Allerdings tragen die wenigsten Eier in den hiesigen Gärten eine so meisterliche Bemalung, wie sie im Spreewald Tradition hat; die meisten sind wohl einfach nur bunt gefärbt.
Sehen wir der Wahrheit ins Auge: Berlin ist, was österliche Traditionen angeht, nicht gerade eine Fundgrube. Aber mit dem Ei geht es doch in den letzten Jahren langsam weiter bergauf. Die „Egg Kneipe“ am Kottbusser Damm bringt in ihrem kalauernden Namen das Thema und die Berliner Tradition in harmonischen Einklang. „Eggs Benedict“, eine amerikanische Erfindung aus zwei pochierten Eiern auf Toast mit Speck und holländischer Sauce, war noch vor einer Dekade in der Stadt praktisch unbekannt.
Heute ist die nahrhafte Komposition ein Eckpfeiler sämtlicher Frühstücksbuffets. Eierspeisen gibt es heute auch in der „Eierschale“, jener vielfach umgepflanzten Dahlemer Institution, die 1952 als „Kajüte“ im Keller des kriegsversehrten Schöneberger Rathauses gegründet wurde und 1956 an den Breitenbachplatz umzog – die heißeste Berliner Jazzkneipe ihrer Zeit, berühmt für Skiffle und New Orleans-Jazz. Aber der Name „Eierschale“ war nur ein Name…
Die angenehmen Seiten des Klimawandels
Wir wollen keinen Eiertanz aufführen: Vieles, was an diesem Osterfest in Berlin stattfindet, unterscheidet sich nicht sehr von vielen austauschbaren Veranstaltungen mit dem Vornamen „Weihnachts-…“ Aber etwas ist eben doch anders: das frische Grün, das schöne Wetter.
Wer die Gelegenheit gleich zum Anbaden im Wannsee, im Prinzenbad oder Sommerbad Wilmersdorf nutzen will, der kann das in diesem Jahr uneingeschränkt tun. Aber eine Berliner Ostertradition ist auch das ganz sicher nicht. Wenn es aber eine wird, dann zählt das zu den angenehmen Seiten des Klimawandels.
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