Über dem U5-Bahnhof: Was wird nun aus dem leeren Raum vor dem Berliner Rathaus?
Die Verlängerung der U-Bahnlinie 5 ist vollendet, die Baustelle hat ein Ende. Plötzlich ist wieder Platz am Roten Rathaus – viel mehr, als manchem lieb ist.
Schweres Baugerät und Zäune haben jahrelang das Areal vor dem Roten Rathaus dominiert, jetzt sind sie verschwunden. Was bleibt: viel loses Erdreich und ein ansonsten leerer, von Denkmälern, Brunnen und Bäumen locker strukturierter Stadtraum, den die DDR an dieser zentralen Stelle hinterlassen hat. Die U5 ist fertig – wie soll es jetzt an der Oberfläche weitergehen?
Ein Blick zurück: Es dürfte schwer sein, eine andere Stadt dieser Größe zu finden, die ihren historischen Kern so vollständig geopfert hat wie Berlin. Unter dem Pflaster des Fernsehturms ist das Marienviertel, unter der Grünfläche des Marx-Engels-Forums das Heiliggeistviertel begraben. Sehr viel wurde im Krieg zerstört, Luftbildaufnahmen zeigen allerdings, dass Ende der 60er Jahre noch Dutzende Gebäude und die historische Straßenführung erhalten waren.
Der heutige Zustand ist Ergebnis eines komplexen Prozesses aus Aufkauf, Enteignung und Abriss, der schon zur Nazizeit einsetzte – und einer Baupolitik der DDR, die rasch Wohnraum schaffen wollte. Mit dem historischen Areal in Mitte wusste sie – bis zur Entstehung des postmodernen Nikolaiviertels in den 80er Jahren – wenig anzufangen.
Heute befindet sich die Fläche vollständig im Besitz des Landes Berlin. Das Planwerk Innere Stadt, das dem vom früheren Senatsbaudirektor Hans Stimmann entwickelten Planwerk Innenstadt folgte, sieht hier keine Reurbanisierung mehr vor – anders als auf der Rückseite des Roten Rathauses, wo gerade die monströse Grunerstraße verlegt wird und ein eng parzelliertes Viertel sowie der Molkenmarkt wiederentstehen.
Um das, was einmal Berlins Altstadt war, wurde erbittert gerungen. Stimmanns Nachfolgerin Regula Lüscher initiierte 2015 einen Dialogprozess, an dem sich bis zu 10.000 Bürger und Bürgerinnen beteiligten.
Das Ergebnis: Das DDR-Erbe soll an dieser Stelle bewahrt bleiben, Berlins Mitte eine grüne Oase mit historischen Einsprengseln werden. Wie das konkret aussieht, wird ein Wettbewerb entscheiden, der im Januar ausgelobt wird. Im September sollen die Entwürfe in einer Ausstellung zu sehen sein.
Das Souterrain des Alten Rathauses verschwindet wieder in der Erde
„Hier entsteht ein Ort, an dem ein bisschen was los sein wird, wenn die Sonne scheint“, sagt Historiker Benedikt Goebel, Sprecher des Bürgerforums Berlin, das sich für eine am historischen Grundriss orientierte Bebauung ausspricht. Gegründet wurde der Verein aus Protest gegen die drohende Zerstörung des Souterrains und zwei Meter hoher Feldsteinmauern des Alten Berliner Rathauses von 1300, die sich immer noch im Boden vor dem Roten Rathaus befinden.
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Ein „vergessenes Kapitel des Berliner Mittelalters“ nennt Landesarchäologe Matthias Wemhoff die Zeugnisse. Der Umgang mit ihnen spiegelt Berlins Haltung zu seiner Geschichte: Erst rechnet man nicht damit, dass überhaupt etwas im Boden ist. Dann werden die U-Bahn-Röhren umgeplant, aber trotzdem 15 Prozent der Substanz geopfert.
Die wertvollen Reste des Rathauses der Öffentlichkeit in einem „archäologischen Fenster“ zugänglich zu machen, dafür war der Bauprozess zu komplex. Sie wurden vorerst wieder verfüllt. Das Fenster soll zu einem späteren Zeitpunkt in die Wand des neuen U-Bahnhofs gebrochen werden.