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Das Porzellan von KPM ist handbemalt, der Umgang mit den Farben ist sensibel. Eine neue EU-Richtlinie könnte allerdings drastische Änderungen bringen.
© Maurizio Gamberini/dpa

KPM in Berlin: Was wird nach der neuen EU-Verordnung aus dem Berliner Porzellan?

Eine neue Richtlinie zum erlaubten Bleigehalt könnte Farben wie das "sterbende Blau", das Friedrich der Große so liebte, verändern. KPM führt bereits erste Experimente durch.

Schönheit ist mit Risiken und Nebenwirkungen behaftet. Das gilt auch für bemaltes Porzellan und seinen Bleigehalt. Bekannt ist dieser Umstand hierzulande seit der Erfindung des europäischen Hartporzellans in Dresden im Jahr 1709. Nun hat die EU das Problem in die Hand genommen. Wie berichtet wird derzeit über eine Verschärfung der Auflagen für die Keramikindustrie diskutiert.

Für den Fertigungsleiter der Königliche Porzellan-Manufaktur (KPM), Carsten Glitzky, ist das Thema nicht neu. Die „Schwermetalllässigkeit von Lebensmittelbedarfsgegenständen“, wie es im Bürokratiedeutsch heißt, stellt freilich gerade für eine Manufaktur mit einer so großen Tradition eine echte Herausforderung dar.

Gefordert wird Trinkwasserqualität

Vor allem die Farben, die nach jahrhundertealten geheimen Rezepturen gemischt werden, machen schließlich den Reichtum der KPM aus. Das sterbende Blau etwa, das Friedrich dem Großen so gefiel, dass er ein ganzes Porzellanservice in dieser Farbe bestellt hat, das gibt es so nur bei der KPM.

Weißes Porzellan wird bei 1400 Grad gebrannt, weiß Glitzky. Auf die Glasur werden die Farben aufgetragen, die aber verloren gehen, wenn Tassen und Teller bei über 850 Grad Hitze gebrannt werden. Das Blei, das in den keramischen Farben enthalten ist, kann später in allerdings sehr geringen Mengen aus dem Teller ausgelaugt werden.

Es gibt einen Test, um das zu bestimmen. Man füllt einen Suppenteller randvoll mit einer 4-prozentigen Essig-Lösung. Nach 24 Stunden entnimmt man eine Probe und bestimmt anhand dieser Probe den Bleigehalt der Flüssigkeit. Aufgrund einer ersten EU-Verordnung von 1984 beträgt der bislang vier Milligramm pro Liter. Künftig könne es um eine 400fache Verringerung dieses Wertes gehen, fürchtet Glitzky. Dann wären nur noch 0,01 Milligramm pro Liter erlaubt, das entspricht Trinkwasserqualität.

Betroffen wären vor allem Teller

Als das Problem 1984 auftrat, schauten sich die Verantwortlichen in der KPM nach unbedenklichen Farbpaletten in der Industrie um. Mit vielen langwierigen Experimenten mischte man die bleifreien Farben so nach den traditionsreichen Tönen des Hauses, dass sie den geforderten Werten entsprachen.

Das war allerdings ein ausgesprochen langwieriger und schwieriger Prozess. Der Umgang mit den Farben ist an sich schon nicht einfach, und die Farben selbst sind sensibel. Unter den 35 Malern des Hauses gibt es welche, die spezialisiert sind auf den Umgang mit Blau, aber sich um die korrekte Nuance Violett richtig mühen müssen.

Worauf würde man eher verzichten: Muscheln und Salat oder das schöne Porzellan?

Maler bei der KPM zu sein, das ist ein stolzer Beruf in dieser Stadt. Betroffen von einer zukünftigen Blei und Cadmium-Verordnung seien, so Gliztzky, vor allem Teller mit üppigen Blumenornamenten und Goldstaffagen. Tassen und Terrinen sind oft nur außen bemalt und innen weiß. Vasen und Skulpturen sind eh nicht betroffen.

Ein bisschen ungerecht findet der Fertigungsleiter die drohende Verschärfung schon, da der Mensch aus manchen Lebensmitteln ja schon mehr Schadstoffe in sich aufnehme als von den Tellern, die nach derzeit geltendem Recht erlaubt sind. Die Frage, ob man lieber auf Muscheln und Salat verzichtet oder auf die Benutzung kostbaren Porzellans, klingt wie eine Luxusfrage.

Die KPM trifft das aber in ihrem Herzen. Porzellan mit einer so großen Tradition wie das von der KPM ist natürlich auch ein Kulturgut. Bereits Ende des vergangenen Jahres hat das Expertenkommittee für immaterielles Kulturerbe bei der deutschen UNESCO-Kommission die Porzellanmalerei offiziell in das Bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen.

In Kalifornien reichen Warnhinweise

Bislang wisse noch niemand, wie die Verordnung aussehen soll und wann sie kommt, sagt Glitzky. Erste Experimente mit bleifreien Farben laufen auch schon. Bei einem Pink-Ton sei die Mischung sogar gelungen. Aber ob die alten Porzellane, die etwa Friedrich der Große liebte, nach künftigen Verordnungen so noch hergestellt werden können, ist keineswegs sicher. Eine denkbare Lösung hat Glitzky in Kalifornien entdeckt, wo es bereits jetzt sehr scharfe Bestimmungen gibt. Da muss der Konsument mit Warn-Hinweisen leben.

Ob sowas auch hier kommt, muss sich noch herausstellen. „Der Verzehr einer Speise von diesem Teller gefährdet Ihre Gesundheit. Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie bitte Ihren Elefanten im Porzellanladen“. Mit solchen Hinweisen können überzeugte Ästheten und historisch tickende Porzellan-Fans sicher eher leben als mit dem vollständigen Verzicht auf die historisch wertvollen Muster.

Der IQ kann leiden

Dass bei Lebensmitteln teils höhere Grenzwerte gelten als bei diesem Porzellan, könnte dem Luxusfaktor geschuldet sein oder aber einer guten Lobbyarbeit der Lebensmittelindustrie. Blei gilt unter anderem auch deshalb als gesundheitsschädlich, weil die Entwicklung des Intelligenzquotienten von übermäßigem Genuss betroffen sein könnte.

Schon rund um den Übergang ins 19. Jahrhundert wurde erkannt, dass im Gegensatz zu den aufwändig bunt bemalten Tellern es bei weißem Porzellan kein Bleiproblem gibt. Darauf wurde das weiße Porzellan zum „wohlfeilen Preis“, also etwas günstiger als „Gesundheitsgeschirr“ auf den Markt gebracht. Damals war die KPM noch in der Leipziger Straße ansässig, und in der Wegelystraße wurde ein erster Standort für die Fertigung dieses gesunden, nicht dekorierten Porzellans etabliert.

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