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In der Unruhezone. Im Tegel-Umfeld wird sobald wohl niemand in Wohnungsbau investieren.
© Mike Wolff

Berliner Bezirke: Was war? Was wird? Reinickendorf im Polit-Check

Im nördlichsten Berliner Bezirk steht und fällt alles mit Tegel. Doch Wandel gibt es auch durch andere Bauprojekte.

Was war: Streit um Tegel, Ärger um Müll

Die Unsicherheit über die künftige Nutzung des Flughafengeländes in Tegel überlagert alle anderen Probleme des nördlichsten Berliner Bezirks. Das belastet die Entwicklungsperspektiven im Norden Berlins im Grunde seit dem Jahre 2012, in dem der BER eröffnet werden sollte. Seitdem ist alles in der Schwebe:

Die Pläne für die „Urban Tec Republic“ mit der Ansiedlung zukunftsorientierter Industrie- und Fertigungsanlagen in verkehrsgünstiger Lage direkt an der Autobahn. Die Verlagerung eines großen Teils der Beuth-Hochschule mit ihren 12.000 Studenten vom jetzigen, völlig überlasteten Standort an der Luxemburger Straße in Wedding in das Hauptterminal von TXL. Und der Bau von 5000 Wohnungen auf einem Areal im östlichen Flughafengelände mit Anbindung an den Kurt-Schumacher-Platz.

Seit die Abstimmung am 24. September 2017 eine Mehrheit für den Erhalt des Flughafens ergeben hat, kann sich die FDP, die die Tegel-Offenhaltungskampagne lancierte, nun auch durch die CDU in ihrem Bestreben gestärkt fühlen. CDU-Abgeordnete verlangten im Abgeordnetenhaus die Blockade weiterer Mittel für die Fortschreibung der Tec-Republic-Planung. Sollte die Opposition damit Erfolg haben, ist Reinickendorf der einzigen größeren räumlichen Entwicklungsperspektive beraubt. So lange in Tegel geflogen wird, sind weder in Reinickendorf-West noch in Reinickendorf-Ost Veränderungen der Infrastruktur möglich. In Wohnungsbau wird da kaum jemand investieren, beide Areale leiden unter sozialen Ungleichgewichten, die Arbeitslosigkeit ist hier höher als im Restbezirk.

Wenn das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg fast die Hälfte der Wohnlagen des Bezirks als „einfach“ definiert, findet sich hier der Beleg dafür. Bezirksbürgermeister Frank Balzer, CDU, ist in der christdemokratischen Prominenz Reinickendorfs heute der Einzige, der öffentlich zu seiner Überzeugung steht, dass Tegel geschlossen werden muss. Dem Tagesspiegel sagte er kürzlich: „Jetzt die Nachnutzungsüberlegungen einzustellen, halte ich für den völlig falschen Weg… Ich halte nach wie vor an meiner Meinung fest, und ich halte sie auch nach wie vor für richtig.“

Große Probleme bereiten immer noch das Märkische Viertel und seine westlichen Ränder. In Wittenau leiden Bewohner und Handel unter den seit Monaten andauernden Bauarbeiten an der Oranienburger Straße, mehrere Banken hatten ihre Filialen schon zuvor wegen der Strukturschwäche der Umgebung geschlossen. Die fehlende U-Bahnanbindung des Märkischen Viertels an die U 8 (sie endet jetzt in Wittenau) macht die Erreichbarkeit des Märkischen Viertels für Pendler schwierig. Der rot-rot-grüne Senat empfindet die Verlängerung der U 8 nicht als prioritär, obwohl der U-Bahn-Tunnel seit Jahren im Rohbau fertig ist. Zwar hat die Gesobau von 2009 bis 2015 insgesamt 13.500 Wohnungen in der Siedlung mit einem Kostenaufwand von 590 Millionen Euro energetisch modernisiert und dadurch als Wohnort noch attraktiver gemacht, aber die hohe Arbeitslosigkeit schlägt naturgemäß auf die Geschäftstätigkeit und die Umsätze des lokalen Handels durch. Soziale Einrichtungen berichten von steigendem Betreuungsbedarf.

Im Gegensatz zu der Situation in anderen Bezirken arbeitet die Verwaltung in Reinickendorf in der Regel sehr effizient. Die Möglichkeiten, neue Stellen im Bereich der Bürgerdienste zu besetzen, wurden und werden konsequent genutzt. Gegen die wachsende Verschmutzung des öffentlichen Raumes durch das Ablegen von Sperrmüll am Straßenrand will der Bezirk zusammen mit der BSR ein Test-Projekt installieren, in dessen Rahmen der Sperrmüll in regelmäßigen Abständen geholt werden soll. Testgebiet sollen in Reinickendorf-Ost der Kiez um den Schäfersee und die Residenzstraße sein.

Was wird: Bauen, bauen, bauen

Die Zukunft ist in Reinickendorf untrennbar mit der Vergangenheit verbunden, denn alle Probleme des Jahres 2017 wirken sich auch 2018 aus. Hinzu kommt ein bevorstehender Verkehrs-Supergau, der sich für die Jahre ab 2021 abzeichnet. Nach derzeitiger Planung sollen parallel die Rudolf-Wissell-Brücke abgerissen, die A 111 zur Erneuerung gesperrt und die S-Bahn zwischen Schönholz und Tegel sowie die U-Bahn zwischen Schumacher-Platz und Alt-Tegel für Monate eingestellt werden. Bürgermeister Balzer sagte dazu: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass das so realisiert wird.“

Ein Problem bleibt der Schulbau. Auch in Reinickendorf wächst die Zahl der Kinder, in der Cité Foch soll in den Räumlichkeiten einer früheren französischen Schule entweder eine Montessori-Schule Platz finden, die aus ihrem jetzigen Quartier in Heiligensee ausziehen muss, oder der Bezirk wird selber aktiv.

Der Ortskern von Tegel, rund um die Gorkistraße, wird auch in diesem Jahr durch das Baugeschehen des Investors Huth tangiert. Der Abriss der Parkhäuser im Umfeld der früheren Markthalle hat zu einer unangenehmen Verknappung von Parkraum geführt. Die provisorische Markthalle im Erdgeschoss des früheren Kaufhauses Hertie hat sich bewährt, die Initiative der Bürgergemeinschaft „I love Tegel“ kann da einen Erfolg verbuchen. Die meisten Tegeler ertragen, so die Beobachtung, die Unbilden der Bauphase, weil ihnen bewusst ist, dass mit dem neuen Kaufhaus Karstadt ein Attraktionspunkt geschaffen wird, der auf die Umgebung abstrahlt und Tegel als Einkaufszentrum deutlich attraktiver machen könnte.

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