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Verkehr in Berlin: Die Leipziger Straße, ein ewiges Chaos.
© Arne Immanuel Bänsch/dpa

Gastbeitrag von Grünen-Politiker Matthias Dittmer: Was spricht gegen autofreie Sonntage?

Der Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Mobilität der Berliner Grünen fordert ein Stadtzentrum voll mit Fahrrädern – und frei von Motoren.

Wollen wir die Lebensbedingungen für uns Menschen auf unserem Planeten erhalten, stehen wir vor Aufgaben, die wir bewältigen können und wollen. Es werden Veränderungsprozesse nötig, die von uns Aufgeschlossenheit und Mut verlangen. Diese umfassende Transformation hin zur Klimaneutralität hat bereits begonnen. Unsere Aufgaben sind dabei, die Problemlage anzuerkennen, unsere Verantwortung im Handeln wahrzunehmen und die angenehmen Seiten dieser Herausforderung zu entdecken.

Berlin ging in seiner Geschichte oft vorausschauende Wege. In den 20er Jahren war der Beiname „Elektropolis“ Synonym für internationale Anerkennung. S- und U-Bahn, Straßenbahn und Stromnetz besaßen weltweit Vorbildfunktion.

Heute halten jedoch Signalstörungen und Waggonkrisen die Stadt im Griff. Fahrradwegenetze werden diskutiert statt gebaut. Und der Ausstoß Klima gefährdender Gase steigt im Verkehrssektor weiter und weiter. „Die Zerstörung unserer Lebensbedingungen nehmen wir in Kauf“, so die Erklärung, „weil wir nicht bereit sind, unsere Mobilitätsgewohnheiten zu ändern“. Stimmt das wirklich?

Die innerste Innenstadt vom automobilen Individualverkehr zu befreien, ist für die einen Einschnitt in die Freiheit, aber für noch viel mehr Menschen ein Freiheitsgewinn. In der innersten Innenstadt trifft das noch viel stärker als anderswo zu. Und zugleich ist es auch ein Zeichen. 

schreibt NutzerIn rotfahrer

Hauptsache schnell ans Ziel

Berlin weist in Relation zu seinen Einwohnern die geringste Zahl von Autobesitzern aller europäischen Städte auf. Tendenz fallend. Je jünger die Menschen, um so pragmatischer bewegen sie sich in der Stadt. Gefragt ist das Verkehrsmittel, mit dem man am schnellsten ans Ziel kommt. Könnte es sein, dass die Politik einen bereits einsetzenden Bewusstseinswandel nicht wahrnimmt?

Der öffentliche Verkehr, sein vernetzter Ausbau, seine Beschleunigung durch die Verdichtung der Takte, sind die Markensteine, die der Wandel auf seinem Weg braucht, dem Aufheizen unseres Planeten entgegenzuwirken. Gleichzeitig sinkende Fahrpreise würden dem Trend „Mobil ohne eigenes Auto“ Flügel verleihen. Der Koalitionsvertrag fordert Flächengerechtigkeit. Mit der Vorgabe der Verkehrsberuhigung zwischen Brandenburger Tor bis zum Humboldt Forum weist er die Richtung.

Die historische Innenstadt Berlins besitzt Plätze erlesener Kultur und Architektur. Die Museumsinsel und der Gendarmenmarkt, das Schinkel- und das Kulturforum sind beredte Beispiele. Diese Schönheit verbreitenden Ensembles gemeinsam mit der Flaniermeile Unter den Linden und der viel frequentierten Friedrichstraße sind städtebauliche Räume, die eines besonderen Schutzes bedürfen. Großzügige Fußgängerbereiche könnten Stadtleben ermöglichen und diese Plätze zum Leuchten bringen.

Ziehen wir eine Linie vom Reichstagsufer über die Museumsinsel bis zur Leipziger- und Wilhelmstraße. Sie markiert einen Raum, der vor motorisiertem Individualverkehr und seinen Emissionen geschützt werden sollte. Autoverkehr nur mit Sondererlaubnis.

Das Herz Berlins würde für Fußgänger und Radfahrer zum Paradies werden. Schlendern. Das Einkehren in Straßen-Cafés, spielende Kinder und Ruhezonen würden das Stadtbild bestimmen. LKWs würden durch City-Hubs und Cargobikes ersetzt. Elektrische Kleinbusse, die in absehbarer Zeit autonom unterwegs sein werden, könnten geräuschlos eiligen Passanten helfen, das Zentrum zu durchqueren.

Was spricht dagegen, Berlins Mitte an Sonn- und Feiertagen dem Autoverkehr zu entziehen?

Ein erstes Ausprobieren! Das historische Zentrum wird zur Fahrradstraßenstadt. Keine Autos, keine Emissionen – stattdessen eine zukunftsweisende Aufenthaltsqualität.

Wir würden einem Beispiel folgen, das in Südamerika bereits für Furore sorgt. Ob Bogota, Rio oder Lima – Paris und Frankfurt ziehen gerade nach – die Menschen lieben es.

Matthias Dittmer

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