Bewerbung um Olympia: Was spricht für Berlin, was für Hamburg?
Das Duell um Olympia geht weiter, in Hamburg votierten 64 Prozent der Bürger für eine Bewerbung ihrer Stadt, in Berlin 55. Jetzt präsentieren die Städte ihre Konzepte. Was spricht für die Bewerber? Fragen und Antworten.
Seit September wuchs die Olympia-Zustimmung deutlich. Auf die Frage zu den Olympia-Plänen hatten sich vor einem halben Jahr 53 Prozent der Hamburger und 48 Prozent der Berliner für eine Bewerbung ausgesprochen. Jetzt sind es 64 und 55 Prozent, wie die Forsa-Umfrage ergab. Gleichzeitig sank in diesem Zeitraum in beiden Metropolen die Zahl der Menschen, die das Projekt ablehnen: in Hamburg von 44 auf 32 Prozent, in Berlin von 49 auf 39 Prozent.
Gibt es jetzt einen klaren Favoriten?
Nein. Der Abstand zwischen Hamburg und Berlin ist zwar relativ groß, aber entscheidend ist ein anderer Punkt: Berlin hat eine Mehrheit erreicht, sie fiel sogar vergleichsweise deutlich aus. Hätte Berlin die 50-Prozent-Marke nicht überschritten, dann wäre die Hauptstadt aus dem Rennen gewesen. Dann wäre dem DOSB das Risiko, bei der Bürgerbefragung am 13. September eine krachende Niederlage zu erleiden, viel zu hoch gewesen. 55 Prozent für Berlin bedeuten zugleich, dass es verglichen zum September 2014 eine klare Tendenz nach oben gibt, auch ein wichtiges Kriterium für den DOSB. Noch ein Punkt: Hamburg liegt zwar neun Prozentpunkte vor Berlin, aber der Abstand ist andererseits nicht groß genug, um Hamburg zum klaren Sieger zu erklären.
Wie haben die Bürger im Einzelnen abgestimmt?
In Hamburg und Berlin haben sich mehr Männer als Frauen und die unter 30-Jährigen häufiger als die über 30-Jährigen für eine Olympiabewerbung ihrer jeweiligen Stadt ausgeprochen. Interessant ist die Aufteilung nach politischer Überzeugung: 45 Prozent der Grünen-Anhänger in Hamburg und 44 Prozent der Grünen-Anhänger in Berlin sind „persönlich dafür, dass sich ihre jeweilige Stadt um die Olympischen Spiele bewirbt“. Bei SPD-Anhängern waren 77 Prozent (Hamburg) und 64 Prozent (Berlin) für eine Bewerbung, bei den CDU-Anhängern 71 Prozent (Hamburg) und 65 Prozent (Berlin). Die geringsten Zustimmungen gab es bei den Linken-Anhängern (Hamburg 23 Prozent, Berlin 38 Prozent). 29 Prozent der AfD-Anhänger in Hamburg und 44 Prozent in Berlin votierten für eine Olympiabewerbung.
Wie teuer wäre Olympia für Berlin?
Die Durchführung der Spiele kostet rund 2,5 Milliarden Euro. Darin sind auch die temporären Bauten enthalten, für die das Land eine Milliarde Euro veranschlagt. Für die Durchführung der Spiele gewährt das Internationale Olympische Komitee (IOC) Zuschüsse. So soll Rio de Janeiro, wo die Sommerspiele 2016 stattfinden werden, rund 1,31 Milliarden Euro erhalten. Die Erlöse aus dem Ticketverkauf, Marketing-Artikeln und Werberechten schätzt die Sportverwaltung auf 1 bis 1,2 Milliarden Euro. „Risiken und Kosten decken sich“, sagte Bernhard Schwank, im Vorstand des Deutschen Olympischen Sportbunds (DOSB) für die Olympiabewerbung zuständig, Ende Januar vor dem Sportausschuss im Abgeordnetenhaus.
Für die Sanierung und Neubau von Sportanlagen oder Trainingshallen rechnet Berlin mit einem Budget von 1,4 Milliarden Euro. Das Land hat eine Zusage vom Bund, dieser werde sich in „erheblichen Umfang“ finanziell beteiligen. Sport-Staatssekretär Andreas Statzkowski geht davon aus, dass Berlin rund 500 Millionen Euro bezahlen muss.
Die sogenannten „Sowieso-Kosten“, die noch hinzukommen, liegen in unbekannter Höhe. Das sind Gelder vor allem für Infrastrukturmaßnahmen, die auch ohne die Spiele hätten vorgenommen werden müssen. Wie hoch dieser Kostenblock ist, ist offen. Es hängt davon ab, wie viel Stadtentwicklungsprojekte Berlin mit den Spielen verbinden will. Für das Olympische Dorf mit 5000 Ein- bis Dreizimmer-Wohnungen gibt es eine Faustregel: Der Bau einer Wohnung kostet rund 200 000 Euro. Damit würde das Dorf rund eine Milliarde Euro kosten. Es ist offen, ob es mit Geldern von Wohnungsbaugesellschaften, Privatinvestoren oder durch eine Mischfinanzierung gebaut wird.
Wie teuer würde Olympia für Hamburg?
Genau beantworten kann das noch niemand. Aber in Hamburg bleiben die Verantwortlichen ganz besonders vage, und das erzeugt Kritik. An der fehlenden Transparenz bei den Finanzen stoßen sich die zuletzt vernehmbarer argumentierenden Olympia-Kritiker des Bündnisses „(N)Olympia“. Ihr Sprecher Dirk Seifert sagt: „Es gibt vom Senat keine verlässlichen Zahlen zu den Kosten.“ Genau gesagt, gab es bislang gar keine Zahlen. Drei Milliarden, fünf Milliarden, sechs Milliarden Euro, irgendwo in diesem Bereich liegen die Kosten, wobei große Teile der Infrastruktur durch den Bund und einiges andere vom IOC bezahlt werden. Was die Sportstätten angeht, wird das bis zu 300 Millionen Euro teure Olympiastadion den größten Kostenblock ausmachen. Bürgermeister Olaf Scholz und sein Innensenator Michael Neumann wollen konkrete Zahlen erst herausgeben, sollte Hamburg den Zuschlag bekommen.
Was passiert bis zur Präsentation der Konzepte?
In der Öffentlichkeit gar nichts. Die ganze Arbeit konzentriert sich auf den 15. und 16. März. An diesen beiden Tagen, Sonntag und Montag, werden die Bewerberstädte ihre Konzepte in Frankfurt am Main präsentieren. Die Städte werden ihr Konzept sowohl Experten aus den Bereichen Logistik, Verkehrswesen, Städtebau, Sicherheit und anderen Bereichen präsentieren, als auch den Sportfachverbänden. Die Präsentation als solche wird 15 Minuten dauern, und ist eine Mischung aus Vortrag und visuellen Elementen. „Es ist aber eine mehr oder weniger normale Präsentation“, sagt der Berliner Olympiabeauftragte Stefan Thies. Details will Thies nicht nennen, weil die Bewerber ein paar Freiräume für ihre Präsentation besitzen und ihre Besonderheiten nicht preisgeben möchten.
Auch in Hamburg wird jetzt nur noch hinter den Kulissen gearbeitet. Die Verantwortlichen bereiten sich wie ihre Kollegen in Berlin auf die Präsentation vor. Angeführt wird die Hamburger Delegation von Innensenator Michael Neumann. Zu erwarten ist, dass ein Überraschungsgast zur Entourage gehören wird.
Was spricht für das Berliner Konzept?
Mehrere Punkte: die Situation der Sportstädten, die Erfahrung mit der Ausrichtung von sportlichen Großereignissen, die große Zahl von Hotelbetten, die Popularität der Stadt. Bescheidenheit und Nachhaltigkeit sind zwei wesentliche Punkte der Berliner Bewerbung. Das Velodrom steht für einen der Kernpunkte dieses Konzepts. Denn die Halle, in der Bahnrad-Wettbewerbe stattfinden sollen, muss nicht neu errichtet werden. 15 von insgesamt 30 geplanten Olympiastätten gehören bereits zum Stadtbild, Neubau unnötig. Das Olympiastadion zum Beispiel oder die Max-Schmeling-Halle und die Schwimm- und Sprunghalle sind bereits vorhanden.
Sechs Neubauten werden trotzdem nötig sein, aber diese Anlagen sollen zurückgebaut werden und dem Breitensport dienen. Andere Sportstätten werden temporär errichtet, verschwinden also nach der letzten Siegerehrung völlig. Und dann hat die Stadt ja auch große Erfahrung mit der Ausrichtung von sportlichen Großereignissen. 2009 zum Beispiel fand im Olympiastadion die Leichtathletik-Weltmeisterschaft statt. Es war ein Event, das bei den Athleten nachhaltig Eindruck hinterlassen hat. Die deutsche Hochspringerin Ariane Friedrich schwärmte noch einen Tag nach ihrem Wettkampf völlig hingerissen von „den magischen Momenten“ im Olympiastadion. „Die Stimmung war unglaublich.“
Unvergessen bleibt die Fußball-WM 2006, bei der auch in Berlin Spiele ausgetragen wurden. 2015 finden in Berlin unter anderem das Champions-League-Finale im Männer- und im Frauen-Fußball statt, 2018 wird im Olympiastadion die Leichtathletik-EM ausgetragen.
Die Marke Berlin wird auch mit Zahlen präsentiert. Mehr als elf Millionen Touristen jährlich, Menschen aus 180 Nationen, die hier leben. Die Anforderungen, die das IOC an die Übernachtungsmöglichkeiten stellt, erfüllt Berlin problemlos. „Als Austragungsort wird Berlin weltweit das moderne und weltoffene Deutschland verkörpern“, verkünden die Olympia-Macher.
Was spricht für das Hamburger Konzept?
Das Hamburger Konzept unter dem Motto „Feuer und Flamme für die Spiele in Hamburg“ will vor allem städtebaulich überzeugen und mithelfen den „Sprung über die Elbe“ zu vollenden. Die benachteiligten Stadtteile wie Wilhelmsburg und Veddel sollen mit dem Rest der Stadt verschmelzen, wenn erst einmal das Olympiastadion, die Olympiahalle und das Olympische Dorf auf der Elb-Halbinsel Kleiner Grasbrook entstanden sein werden. Nach einem Rück- und Umbau sollen hier ein Kreuzfahrtterminal und 6000 Wohnungen entstehen.
Wie stehen die Sportverbände zu den Bewerberstädten?
Die Spitzenverbände beraten einen Tag vor dem Votum des DOSB-Präsidiums selbst mit den Städten. Sie stimmen am Sonntag sogar darüber ab. Alles andere als eine klare Mehrheit für Berlin wäre eine Überraschung. Der für die Olympiabewerbung zuständige DOSB-Vorstand Bernhard Schwank sagte zwar, er erwarte nicht, dass sich die Spitzenverbände bei der finalen Vergabe am 21. März gegen das Präsidium stellen. Aber zuerst stimmen die Verbände ab, und Clemens Prokop, der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbands, dreht die Frage um und sagt: „Können Sie sich vorstellen, dass das Präsidium gegen die Mitgliedsverbände entscheidet?“