Anschlag am Breitscheidplatz: Was man bisher über den Verdächtigen weiß
Der mutmaßliche Attentäter Naved B. war wegen Sexualvergehen in Deutschland aktenkundig. Er soll seit einem Jahr in Deutschland leben, zuletzt wohnte er in der Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Tempelhof.
Naved B., der einen Lastwagen auf einen Berliner Weihnachtsmarkt gesteuert haben soll, ist in Pakistan geboren. Der nach der Amokfahrt festgenommene Mann hat sich offenbar bislang nicht zu der Tat bekannt. Der Verdächtige sage nur wenig, hieß es am Dienstag in Sicherheitskreisen. Im Gegenteil: Berlins Polizeipräsident Klaus Kandt deutete am Nachmittag an, dass es sich möglicherweise bei dem Festgenommenen nicht um den Täter handelt. "Wir tun alles, um den Tatverdacht zu erhärten, sollte das nicht der Fall sein, wird die Fahndung weiter gehen." - "Die Ermittlungen laufen noch, es ist unsicher, ob es der Fahrer war. Die Überprüfungen sind noch nicht zu Ende."
Der am Abend Festgenommen ist in Deutschland unter zwei ähnlichen Namen und zwei nahe beieinanderliegenden Geburtsdaten registriert gewesen, soll in jedem Fall aber 1993 geboren worden sind. Naved. B. sei der Polizei folglich mit mehreren Aliasnamen bekannt gewesen, die allerdings auf Transkriptionsprobleme zurückzuführen seien, hieß es von Berliner Beamten. Zudem war der Mann als möglicher Sexualtäter bekannt - gegen ihn wurde wegen sexueller Belästigung ermittelt. Ob dies in Berlin oder etwa Köln stattfand, war am Dienstagmorgen noch nicht zu klären. Er habe unterschiedliche Nationalitäten angegeben. Mal soll er behauptet haben, Afghane zu sein, ein anderes Mal sprach er von einer pakistanischen Staatsangehörigkeit.
Der RBB berichtet unter Berufung auf Sicherheitskreise, er sei am 31. Dezember 2015 in Passau nach Deutschland eingereist. Laut der Nachrichtenagentur Reuters soll er 23 Jahre alt sein.
Bei seiner Festnahme habe er nach bisherigem Kenntnisstand keine Waffen oder waffenähnliche Gegenstände bei sich gehabt, sagten Sicherheitskreise. Er soll sich auch nicht gegen die Polizeibeamten gewehrt haben. Es sei noch immer nicht hundertprozentig klar, ob der Mann der Täter sei, der den Lkw steuerte. "Wir halten das aber für wahrscheinlich", hieß es. Die Festnahme sei im Umfeld der Siegessäule erfolgt; ein Zeuge sei Naved B. laut RBB gefolgt.
Sicherheitsexperten betonten zudem, es gebe keine Hinweise auf eine Explosion bei der Amokfahrt. Zeugen hatten von einem lauten Knall berichtet. Den Behörden ist bislang auch keine Bekennung der Terrormiliz IS zu der Tat in Berlin geläufig. Eine Meldung aus US-Medien, der IS reklamiere den Angriff für sich, könne nicht bestätigt werden.
Soll in Berliner Flüchtlingsunterkunft gelebt haben
Die Deutsche Presse-Agentur (DPA) berichtet, dass der Verdächtige wohl im Februar als Flüchtling über die Balkanroute nach Deutschland eingereist sei. DPA beruft sich dabei auf Sicherheitskreise. Demnach soll der Mann in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft gelebt haben. Nach Tagesspiegel-Informationen hat es gegen 3 Uhr einen Polizeieinsatz in den Hangars am Flughafen Tempelhof gegeben. Dabei wurden vier Afghanen befragt; zehn Ermittler - sowie eine Hundertschaft zur Absicherung - sowie ein Staatsanwalt waren vor Ort. Ob die vier Männer mit dem mutmaßlichen Täter in Kontakt stehen, ist allerdings unklar. Dem RBB berichtete der Generalbundesanwalt, dass der Einsatz nicht in Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Anschlag am Breitscheidplatz stehe. Am Nachmittag hingegen sagte BKA-Chef Münch, dass die Durchsuchung des Hangars in Tempelhof durchaus mit dem Verhafteten in Verbindung stand. Allerdings habe es keine neuen Erkenntnisse gegeben.
Vom Ernst-Reuter-Platz nach Karlsruhe gebracht
Wie die BZ berichtet, wurde Naved B. in der Nacht kurz vor 2 Uhr von der Polizeiwache am Ernst-Reuter-Platz zu einem Hubschrauber gebracht. Vom militärischen Teil des Flughafens Tegel sei er nach Karlsruhe gebracht worden, wo die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen übernommen hat.
Bei der Tat am Montagabend im Herzen Berlins war ein Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche gerast und hatte mindestens zwölf Menschen getötet. Weitere 49 Menschen lagen am Morgen zum Teil schwer verletzt in Krankenhäusern.
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Den Angreifern der offenen Gesellschaft herausfordernd gegenübertreten: Das gilt auch heute, egal wer der Täter war und woher er kam. Ein Kommentar am frühen Morgen von Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt.
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