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Ramona Pop (Mitte) oder Antje Kapek (rechts) werden wohl für die Grünen ins Rennen gehen.
© Jörg Carstensen/dpa

Schreckensszenario für die Umfragekönige: Was Giffeys Vorstoß in Berlin für die Grünen bedeutet

Starke Zustimmung, schwache Konkurrenz: Das Rote Rathaus schien den Grünen sicher. Dann trafen die Berliner Sozialdemokraten eine Entscheidung.

Von Laura Hofmann

Noch sind sie der kleinste Partner in der rot-rot-grünen Berliner Landesregierung. Doch schon seit Monaten liegen die Grünen in den Umfragen klar vorne: Aktuell bei rund 24 Prozent, und damit fast zehn Prozentpunkte vor der SPD.

Nur Franziska Giffey, so hieß es schon seit geraumer Zeit, könnte den Grünen noch gefährlich werden. Und eine grüne Regierende Bürgermeisterin 2021 verhindern. Genau dieses Szenario ist nun eingetreten.

Dass die Grünen eine Frau ins Rennen schicken, gilt als sicher

Dass die Grünen eine Frau ins Rennen ums Rote Rathaus schicken, gilt als sicher. Zwei stehen zur Auswahl. Wirtschaftssenatorin und Bürgermeisterin Ramona Pop ist die natürliche Favoritin. Sie ist ein Polit-Profi mit jahrelanger Erfahrung.

Allerdings ist sie einigen Linken in der Grünen-Fraktion zu konservativ. Beliebter ist da Antje Kapek, die Fraktionschefin.

Sie würde sich wohl auch durchaus zutrauen, Regierende Bürgermeisterin zu werden, äußert sich dazu selbst aber nicht – noch nicht. „Wir sind gut aufgestellt und lassen uns von den Personalentscheidungen der anderen Parteien nicht treiben“, sagte sie dem Tagesspiegel. Und betonte: „Ich arbeite unfassbar gut mit Ramona Pop zusammen.“

Pop konnte sich eine Spitze gegen die SPD nicht verkneifen

Pop selbst konnte sich am Mittwoch eine Spitze gegen den Koalitionspartner, mit dem es schon länger nicht mehr gut läuft, nicht verkneifen: „Wenn sich durch diese Personalentscheidung die Wogen in der Führung bei der SPD beruhigen und dies das Regieren einfacher macht, freue ich mich“, sagte sie auf Nachfrage am Mittwoch. „Das war in den vergangenen Monaten ja nicht immer leicht.“

Einen Streit um die politische Führung wollen die Grünen mit aller Macht verhindern, Linke wie Realos. Auch wenn Franziska Giffey und Michael Müller sie nun unter Zugzwang stellen.

Erst am 28. März, auf der nächsten Landesdelegiertenkonferenz, wollen die Landesvorsitzenden Nina Stahr und Werner Graf mit einem Antrag einen „Fahrplan zur Personalaufstellung“ vorlegen. Überrascht sei er von Müllers und Giffeys Entscheidung nicht, sagte Graf. Grundsätzlich kommentiere man die Personalentscheidungen der Koalitionspartner aber nicht. „Wir halten uns an den Koalitionsvertrag“, sagte auch Stahr.

Im linken Flügel der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus wird Giffey allerdings kritisch gesehen. Ihr Regierungsstil sei paternalistisch, ihr Charakter autoritär. Dass sie rot-rot-grüne Politik mache, müsse sie erst beweisen.

Mehr als fraglich ist deshalb, ob die Grünen einen vorzeitigen Wechsel im Roten Rathaus unterstützen würden. Zwar heißt es von einigen Realos, man werde die Koalition darüber nicht platzen lassen. Andererseits hilft ein schwacher Michael Müller den Grünen vor der Wahl im September 2021 vielleicht mehr als die bei den Berlinern beliebte Franziska Giffey.

Lederer will vorerst an Müller festhalten

Man habe noch eine Menge gemeinsam vor, hieß es auch von den Linken. Kultursenator Klaus Lederer will deshalb bis zum Ende der Legislaturperiode an Michael Müller als Regierendem Bürgermeister festhalten und Giffey nicht vorzeitig ins Amt wählen. „Die Koalition hat Michael Müller für fünf Jahre gewählt“, sagte Lederer dem Tagesspiegel.

Ein verfrühter Wahlkampf wäre aus seiner Sicht für Rot-Rot-Grün eher hinderlich. Auch die Linken-Landeschefin Katina Schubert sagte am Mittwoch, sie gehe davon aus, dass Müller „seinen Job bis zum Ende der Legislaturperiode im Herbst 2021 gewissenhaft erledigen wird“. Mit 17,4 Prozent liegt die Linke in den aktuellen Umfragen knapp hinter der CDU und würde im Fall eines Bündnisses mit SPD und Grünen erneut die zweitstärkste Fraktion stellen.

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Dass die Grünen in Berlin so erfolgreich sind, haben sie auch ihren Kolleginnen und Kollegen im Bund und nicht zuletzt den beliebten Bundesparteichefs Annalena Baerbock und Robert Habeck zu verdanken. Die Partei profitiert auch vom Zeitgeist, der – inspiriert von der „Fridays for Future“-Bewegung und alarmiert durch Waldbrände weltweit – den Klimaschutz als immer wichtiger ansieht.

Ein Glück für die Berliner Grünen, deren Spitzenpersonal nicht durch die Bank mit erfolgreicher Arbeit glänzt.

CDU-Landeschef hieß Giffey willkommen

Umwelt- und Verkehrssenatorin Regine Günther kann man zwar ein ambitioniertes Nahverkehrskonzept über 28 Milliarden Euro zu Gute halten, doch die Verkehrswende ist auf den Straßen Berlins noch kaum sichtbar. Günther hat in ihrer Verwaltung einen schweren Stand, gilt als wenig durchsetzungsstark.

Als sie vor rund einem Jahr sagte, sie wolle, dass die Berliner ihre Autos abschaffen, war der Beifall von Verkehrswende-Aktivisten laut. Doch von der Opposition und auch vom Koalitionspartner SPD muss Günther sich immer wieder dafür kritisieren lassen, nicht rechtzeitig die nötigen Alternativen zum Pkw zu schaffen. Auch der grüne Justizsenator Dirk Behrendt ist durch den aktuellen Daten-Skandal am Berliner Kammergericht politisch beschädigt. CDU-Landeschef Kai Wegner hieß Giffey am Mittwoch in der Berliner Landespolitik willkommen. Er habe allerdings Zweifel daran, dass es ihr gelingen werde, „die durch Rot-Rot-Grün betriebene tiefe Spaltung unserer Stadt“ zu beenden.

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