Steigende Versicherungsprämien: Warum viele Hebammen aufhören
Die Lage von Hebammen verschärft sich weiter. Ab Juli steigen ihre Versicherungsbeiträge abermals dramatisch. Das geht zu Lasten junger Eltern. Eine Geburtshelferin berichtet.
Anfang Juli wird es für freiberufliche Hebammen finanziell richtig eng. Ihre Versicherungsprämien steigen erneut um bis zu 23 Prozent. Die Geburtshelferinnen müssen dann pro Jahr 6274 Euro nur für ihre Haftpflicht bezahlen. Zwar soll es dafür einen Ausgleich geben, doch weil sich die Hebammenverbände mit den Krankenkassen bisher nicht auf die Modalitäten einigen konnten, werden sich diese Zahlungen wohl noch um Monate verzögern. Und wegen eines Streits um die Qualitätskriterien für Hausgeburten liegt auch die schon vereinbarte Honorarerhöhung um fünf Prozent auf Eis. Wie kommt eine Hebamme damit klar?
Frau Logar, wie machen sich die finanziellen Probleme der Hebammen in Ihrem Arbeitsalltag bemerkbar?
Ich biete keine Geburtshilfe mehr an. Und zwar seit der ersten Erhöhung der Haftpflichtversicherung 2010. Die Veränderungen durch die mehrmaligen Erhöhungen in den letzten fünf Jahren merke ich vor allem an der großen Not der Frauen. Ich kümmere mich um Vorsorge und Wochenbettbetreuung in einer Praxis in Neukölln. Wir müssen unglaublich viele Frauen, die von uns betreut werden möchten, wegschicken. Jeden Tag sind auf dem AB zehn Frauen, die sagen: Ich habe schon 25 Hebammen angerufen. Die meisten werden niemand haben, der nach der Geburt zu ihnen nach Hause kommt. Das Problem wird mit jeder Erhöhung schlimmer.
Wieso das?
Hebammen, die nicht Vollzeit gearbeitet haben, können sich ihren Beruf oft nicht mehr leisten. Etwa, wenn sie kleine Kinder haben. Denn egal wie viele Stunden sie arbeiten – sie zahlen immer dieselbe Summe Haftpflichtversicherung. Bei mir wird es auch schwierig durch die Erhöhung. Ich habe noch zwei weitere Jobs: als Familienhebamme kümmere ich mich um sozial schwache Familien und ich habe meine Aufgaben als zweite Vorsitzende des Berufsverbands. Die Wochenbettbetreuung in Teilzeit lohnt sich so kaum noch für mich. Ebenso geht es festangestellten Kolleginnen, die eine halbe Stelle in einer Klinik haben und zusätzlich für einige Frauen Vor- und Nachsorge anbieten. Die hören jetzt damit auf – oder haben es schon getan.
Wollen Sie aufhören?
Wenn man es durchrechnet, würde jeder Steuerberater sagen: Warum machen Sie das noch? Aber die Betreuung der Frauen ist der Kern meines Berufes. Ich werde das nicht aufgeben. Ich muss jetzt mehr arbeiten, als ich es persönlich will. Kolleginnen mit kleinen Kindern oder einer Teilzeitstelle in einer Klinik können das nicht – die geben auf.
Geht es auch um die Möglichkeit für Frauen, eine Hausgeburt zu wählen?
Darum geht es schon lange nicht mehr ausschließlich. Was wirklich eine Katastrophe ist, ist die Situation der Beleghebammen. Die trifft es am härtesten – und ihre Patientinnen. Beleghebammen sind selbstständig und bieten in Kliniken eine Eins-zu-eins-Betreuung. Ihre Aufgabe wird immer wichtiger, da angestellte Hebammen in den Kliniken immer weniger Zeit haben, wegen des Personalmangels. In den vergangenen fünf Jahren hat sich die Situation in den Krankenhäusern erheblich verschlechtert. Wer nicht stundenlang allein sein möchte während der Geburt, besorgt sich eine Beleghebamme. Aber gerade die zahlen den höchsten Versicherungssatz – und verdienen am wenigsten. Immer mehr von ihnen hören auf. Man muss sehr viel arbeiten, um davon leben zu können. Meine Kollegin, mit der ich die Praxis teile, arbeitet seit März nicht mehr als Beleghebamme, wegen der neuen Erhöhung. Im Krankenhaus Havelhöhe allerdings gibt es nur Beleghebammen, die zahlen alle die höchste Versicherungssumme.