Betreuungskrise in Berlin: Warum ein Berliner Vater 5000 Euro für einen Kita-Platz geboten hat
Immer wieder bieten Eltern in Berlin viel Geld auf Ebay-Kleinanzeigen für einen Kitaplatz. Ein Vater versuchte es ebenfalls – und wurde offline fündig.
Die Suche nach einem Kitaplatz treibt inzwischen immer mehr Eltern dazu, ungewöhnliche Maßnahmen zu ergreifen. Auf dem Internetportal Ebay-Kleinanzeigen gibt es immer wieder Angebote von Eltern, die mehrere Tausend Euro für die Vermittlung eines Kitaplatzes bieten. Und auch der umgekehrte Fall machte Schlagzeilen: Wie berichtet wurde kürzlich auf dem Portal eine Anzeige veröffentlicht, in der ein Paar eine Wohnung suchte und dafür die Vermittlung eines Kitaplatzes versprach. Die Anzeige ist mittlerweile nicht mehr online.
„Wir haben zwei Jahre nach einem Kitaplatz gesucht, der näher an unserer Wohnung oder Arbeitsstelle liegt“, sagt ein Vater, der auf Ebay-Kleinanzeigen 5000 Euro geboten hat. Er will seinen Namen nicht in der Zeitung lesen und die Anzeige ist mittlerweile auch nicht mehr aktiv. Denn inzwischen hat die Familie einen Platz gefunden, und zwar unabhängig von der Anzeige. Eine Kita, die im August eröffnet wird und bei der sie sich ohnehin beworben hatten, hat ihnen einen Platz zugesichert.
„Wir haben alle Kitas in der Nähe abgeklappert und uns irgendwann gefragt, was wir noch tun können. Dann habe ich die Anzeige geschaltet, auch wenn wir nicht hundertprozentig daran geglaubt haben, dass das etwas bringt“, sagt der Vater. Die Familie hatte bereits einen Kitaplatz für ihre Tochter, doch der war in Wedding, wo die Familie früher gewohnt hat. Nach einem Umzug nach Friedrichshain habe der Weg zur Kita pro Strecke über 40 Minuten gedauert – das sei für die beiden berufstätigen Eltern auf Dauer zu einer immer größeren Belastung geworden.
„Andere Kinder gehen auf den Spielplatz, unser Kind fährt S-Bahn“, habe er gedacht. Auf die Anzeige hätten sich vor allem Leute gemeldet, die eine Betreuung als Babysitter anboten. „Das wollten wir aber nicht, wir wollen, dass unser Kind in eine Kita geht.“
„Das sollte die Politik als Warnsignal beachten“
Für Katharina Mahrt von der Initiative „Kitakrise Berlin“ sind die Ebay-Kleinanzeigen vor allem ein Zeichen dafür, wie verzweifelt Eltern mittlerweile sind. „Das sollte die Politik als Warnsignal beachten“, sagt die Sprecherin der Initiative, einem Bündnis von Eltern und Erziehern. Mahrt hat selbst lange nach einem Kitaplatz für ihr Kind gesucht, schließlich geklagt und im Eilverfahren Erfolg gehabt. Das Jugendamt müsse ihr einen Platz zuweisen, ordnete das Gericht damals an. Fast zeitgleich hatte sie dann doch noch einen Platz bei einer Kita, bei der sie auf der Warteliste stand, bekommen.
Senat, Bezirke und Träger wissen längst um die angespannte Situation und bemühen sich um den Ausbau der Plätze und darum, mehr Fachkräfte zu gewinnen. Nach Angaben der Jugendverwaltung gibt es in Berlin (Stand 30. April 2019) 176.000 Plätze in Kitas und in der Kindertagespflege, das sind rund 5000 mehr als vor einem Jahr. Als belegt registriert sind momentan 171.000 Plätze. Die rein rechnerisch rund 5000 nicht belegten Plätze sind aber nicht unbedingt verfügbar, darauf weist die Jugendverwaltung selbst hin: Diese Plätze sind meist reserviert – für Geschwisterkinder oder für Kinder auf Wartelisten.
Im Februar hatte Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) an alle Träger appelliert, möglichst ein Kind mehr pro Kita aufzunehmen. Bei rund 2600 Kitas in Berlin könnten so die bis Ende Juli nötigen 2000 zusätzlichen Plätze zusammen kommen. Ob dieser Appell schon gefruchtet hat, lasse sich anhand der derzeit verfügbaren Daten noch nicht genau ablesen, teilt die Jugendverwaltung mit.
Sie weist aber darauf hin, dass die sogenannte Ausschöpfungsquote leicht, um etwa ein Prozent, gestiegen sei. Damit ist ist die Relation zwischen Plätzen mit Betriebserlaubnis und tatsächlich angebotenen Plätzen gemeint. Im vergangenen Jahr gab es rund 10.000 Plätze mit Betriebserlaubnis, die nicht angeboten werden konnten – vor allem weil Erzieher fehlten, teilweise aber auch aus baulichen oder pädagogischen Gründen.
Dass nun etwas mehr Plätze mit Betriebserlaubnis auch tatsächlich angeboten werden, führt die Jugendverwaltung auf die „vielfältigen Maßnahmen der letzten Monate“ zurück, zum Beispiel auf die neue Fachkräfteregelung, die es Kitas erleichtere, Personal einzustellen.
Babysitterregelung soll Kitaplatzsuche überbrücken
Die suchenden Eltern spürten allerdings noch nicht viel von den Maßnahmen, sagt Katharina Mahrt von der Initiative „Kitakrise“. Immerhin würden inzwischen mehr Eltern die Babysitterregelung in Anspruch nehmen: Wenn sie nachweislich keinen Kitaplatz finden, übernimmt das Jugendamt für eine begrenzte Zeit die Kosten für eine private Betreuung. Allerdings müsse das Land die Eltern besser über diese Möglichkeit informieren und das Verfahren vereinfachen, fordert Mahrt.
Momentan müssten Eltern bei der Bezahlung der Babysitter in Vorleistung gehen, das bringe einige in finanzielle Schwierigkeiten, ebenso wie die Befristung auf wenige Monate. Und viele Eltern wüssten auch nicht, dass es diese Möglichkeit überhaupt gibt.
Dass die Kitas mehr Kinder aufnehmen sollen, und damit auch temporäre Überbelegungen in Kauf genommen werden, sieht Mahrt ebenfalls kritisch. „Wir bekommen schon jetzt die Rückmeldung, dass viele Erzieherinnen überlastet sind“, sagt Mahrt. Sie würde sich wünschen, dass es für Eltern mehr Möglichkeiten zur Überbrückung geben würde, so dass sie nicht unter einem so großen Druck stünden, direkt nach dem ersten Geburtstag des Kindes einen Kitaplatz zu brauchen.
Im Moment sei es so, dass man beispielsweise kein Arbeitslosengeld I bekomme, wenn man nach dem Auslaufen des Elterngeldes mangels Kitaplatz nicht arbeiten kann – weil man dann auch nicht dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht. Wenn es eine Überbrückungszeit beim Elterngeld, eine bessere Babysitterregelung oder eine Änderung beim ALG I-Bezug gebe, könnte das nicht nur die Eltern entlasten sondern auch die Situation in den Kitas entzerren.