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Der Koalitionsausschuss hat sich auf eine Frauenquote von 30 Prozent geeinigt - ist das sinnvoll?
© dpa

Willkommen im Vorstand: Warum die Quote wichtig ist

Gerecht? Ökonomischer Wahnsinn? Bruch von Gesellschaftsstrukturen? Die Frauenquote kommt. Sie ist diskriminierend, aber notwendig. Irgendwann wird man sie nicht mehr brauchen, weil man sich daran gewöhnt hat. Ein Kommentar aus unserem neuen Jugendmagazin Schreiberling.

Frauen in Führungspositionen sieht man nicht häufig. 2012 betrug der Anteil an weiblichen Vorständen in den 200 größten deutschen Unternehmen lediglich vier Prozent. In den männlich geprägten Strukturen der Konzerne gelangen Männer weitaus einfacher in Führungspositionen und fördern (unbewusst) männlichen Nachwuchs. Frauen dagegen bleiben im mittleren Management hängen.

Jetzt kommt die Frauenquote. Ab 2016 sollen 30 Prozent der Aufsichtsratsposten in den 108 größten deutschen Unternehmen weiblich besetzt sein. Die Regelung gilt ohne Ausnahmen: Wenn sich keine Frau findet, bleibt der Platz frei.

Die Einführung einer Frauenquote bedeutet auf keinen Fall die Lösung all der Ungleichheiten im Berufsalltag. Aber sie zwingt zur Auseinandersetzung mit dem Thema. Ja, Männer und Frauen sind unterschiedlich. Gerade das macht die Quote sinnvoll: Zahlreiche Studien belegen, dass gemischte Teams kreativer arbeiten als homogene. Die Befürchtungen, durch die Einführung der Quote würden Unternehmen wahllos die nächstbeste Frau einstellen, anstatt kompetente männliche Kollegen zu fördern, oder dass Aufsichtsratsplätze unbesetzt bleiben, weil sich keine Frau findet, werden sich, davon bin ich überzeugt, als unberechtigt herausstellen. Wer will, der kann. Endlich wird mit alten Gesellschaftsstrukturen gebrochen: In einer Welt, in der selbstverständlich beide Elternteile arbeiten, sollte für ausreichend Kinderbetreuung gesorgt sein. Mama und Papa sollten Karriere machen dürfen.

Eine Chance für Frauen, die nicht dominant auftreten wollen

Viele Frauen sind trotzdem gegen die Quote, weil sie nicht als Quotenfrau abgestempelt werden wollen. Durch die gesetzliche Zwangsmaßnahme werden sie als Opfer dargestellt, als zu schwach, um alleine die Vorstandsleiter zu erklimmen. Allerdings: In einem männlich geprägten Umfeld dient die Quote als ein Mittel zum Zweck. Es geht nicht darum, Prinzessinnen mit Sänften in die obersten Etagen zu befördern, sondern Frauen eine Chance zum Aufstieg zu geben, ohne „typisch männliches“ Verhalten zu übernehmen. Sie müssen sich immer noch anstrengen, konkurrieren mit Kolleginnen und Kollegen um den beruflichen Aufstieg. Die Quotenregelung öffnet lediglich bisher verschlossene Türen. Dabei geht es nicht darum, qualifizierte Männer durch inkompetente Quotenfrauen zu ersetzen. Nur bei gleicher Qualifikation sollen Frauen eher aufsteigen als Männer.

Sobald Frauen an der Spitze großer Konzerne zum Alltag gehören, erfüllen sie eine bisher nicht vorhandene Vorbildfunktion für zukünftige Generationen und ermutigen junge Frauen zu höheren Zielen. Darum bin ich für die Quote. Wie effizient sie als Maßnahme ist, wird sich erst in den nächsten Jahrzehnten zeigen. Schaden wird sie uns nicht. Immerhin geht es „nur“ um 30 Prozent – selbst wenn diese Posten besetzt sind, können immer noch mehr als die Hälfte der Vorstandssitze von Männern ausgefüllt werden.

Frauen in Führungspositionen sind Gewöhnungssache

Recht gebe ich QuotengegnerInnen in einem Punkt: Die Frauenquote ist diskriminierend. Sie wird nur Frauen helfen und dabei bis zu 30 Prozent der männlichen Aufsichtsratsanwärter den Aufstieg verwehren. Deshalb hoffe ich einerseits, dass die Quotenregelung in einigen Jahren gar nicht mehr zum Tragen kommen muss, weil wir uns dann so sehr daran gewöhnt haben, von ausgeglichenen Führungsteams angeleitet zu werden.

Andererseits wäre die Einführung einer anderen Quote sinnvoller: Der Genderquote. Mindestens 30 Prozent beider Geschlechter auf allen Ebenen. Dann würde ein Drittel aller Technikberufe von Frauen ausgeführt werden und es wären mindestens 30 Prozent Männer im Pflegesektor tätig. Damit entginge man dem „Opferimage“ und würde ein deutlicheres Zeichen für die Gleichheit setzen.

Eine sarkastische Lösung schlägt der Kolumnist Harald Martenstein in der Kurzgeschichte „Aufsichtsräte“ vor: Benachteiligte qualifizierte Männer könnten sich ja einfach einer Geschlechtsumwandlung unterziehen und weiterhin im Vorstand sitzen.

Dies war ein Beitrag unseres neuen Jugendmagazins "Schreiberling". Wie findet ihr die Frauenquote? Schreibt uns an schreiberling@tagesspiegel.de. Lust auf mehr? Werdet unsere Freunde auf www.facebook.de/Schreiberlingberlin oder folgt uns auf www.twitter.com/schreiberling_.

Anna-Maria Dombrowsky

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