Regional und selbst gebacken: Warum Bio-Bäcker in Berlin und Brandenburg so beliebt sind
Viele Brandenburger Bäckereien haben schon früh auf Bio umgestellt. Ihre Produkte sind gefragt.
Feucht, gar klitschig ist das Ur-Essener und überaus körnig. Das Fladenbrot besteht aus selbst gezogenen Bio-Weizen- und Roggensprossen, Mehl wird nicht verwendet. Benannt ist es nach dem Volk der Essener, das einst in Palästina lebte, erklärt Volker Apitz von der Bio-Bäckerei Vollkern in Rohrlack (Landkreis Ostprignitz-Ruppin). „Es ist unser bestverkauftes Produkt.“ Rund 300 bis 400 Stück gehen täglich über die Ladentheken in Brandenburg und Berlin. Apitz verschickt das Brot sogar über seinen Online-Shop.
„Zwei Tage lang wird das Weizen- und Roggengetreide immer wieder beregnet. Dann keimt es und wird verarbeitet“, erklärt der Bäckereiinhaber und führt in einen kühlen Raum, in dem es stoßweise über gestapelte Boxen mit Getreide regnet. Die Anlage ist Marke Eigenbau. 2017 erhielt der Bäckermeister dafür den Brandenburger Innovationspreis.
Viel Herzblut hat der Tüftler in seine Bäckerei gelegt, die rund 80 Kilometer nördlich von Berlin liegt. Sie ist die einzige Bio-Bäckerei im Landkreis. Naturkost allein sei aber schon lange nicht mehr alles, sagt Apitz: „Kunden schauen immer mehr auf Regionalität. Bio ist das Sahnehäubchen.“
Nahe gelegene Bezugsquellen sind auch Diana Lewandowski von der Bio-Bäckerei Schmidt in Cottbus wichtig: „Alles, was ich kriege, kaufe ich regional.“ Seit 1962 gibt es den Familienbetrieb, die 59-Jährige führt ihn in zweiter Generation. Zu DDR-Zeiten war an Bio noch nicht zu denken, auf natürliche Zutaten hätten sie aber immer geachtet, sagt die Bäckermeisterin, die echte Bio-Pionierarbeit geleistet hat.
1997 stellte sie die Produktion zum Teil um. Damals übernahm sie den Kundenstamm eines anderen Bio-Bäckers, der sein Geschäft aufgab: „Bis 2004 sind wir zweispurig gefahren. Dann war Schluss mit konventionellem Backen.“ Danach folgte auch viel Überzeugungsarbeit.
Dem Bio-Backhandwerk geht es gut
„Es war eine schwere Zeit“, erinnert sich die Cottbusserin. Auf Veranstaltungen habe sie Pfannkuchen und Streuselkuchen mit Vollkornmehl angeboten und die Menschen probieren lassen – immer wieder. Über die Jahre stellte sich Erfolg ein, heute laufen die Geschäfte gut. „Wir beliefern elf Naturkostläden von Cottbus bis Frankfurt (Oder)“, sagt Lewandowski. Zusammen mit Sohn René und einer weiteren Kraft stemmt sie den Laden. Derzeit ist sie auf der Suche nach einem weiteren Bäckergehilfen.
„Bio-Bäcker sind im Wachstum. Mehr als herkömmliche Bäckereien“, sagt Johannes Kamm. Er ist Geschäftsführer des Bäcker- und Konditoren Landesverbandes Berlin-Brandenburg. Dem Bio-Backhandwerk geht es gut. Genaue Zahlen zu Bio-Backstuben in Brandenburg hat Kamm keine parat, jedoch zu herkömmlichen Betrieben in Berlin: „1937 gab es dort 3994 selbstständige Bäckereien, heute sind es circa 120. Ähnlich sieht es in Brandenburg aus.“
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Früher wären Bäckereien Grundversorger gewesen, meint Kamm, der in der Backstube der Eltern großgeworden ist: „Im Umkreis von 200 Metern haben sie die Menschen nicht nur mit Brot- und Backwaren versorgt, sondern auch mit sonstigen Lebensmitteln.“ Irgendwann übernahmen Supermärkte diese Funktion. „Nach der Wende haben wir deshalb viele Betriebe in Brandenburg verloren“, so der Experte.
Oft fehlte auch die Nachfolgegeneration: Die Menschen zogen weg, die Nachfrage nach Bäckereien ebbte ab. Seit ein paar Jahren gibt es eine Gegenbewegung: Kunden, die wissen wollen, was genau sie essen, die regionale Produkte und Naturkost bevorzugen. „Regional geht mittlerweile vor bio“, bestätigt Kamm. „Viele Backbetriebe, die nicht bio backen, beziehen dafür aber wiederum ihr Getreide von nahen Feldern.“
Mühe, Zeit und Geld sind nötig
Ein Unternehmen auf Bio umzustellen kostet nicht nur Mühe und Zeit, sondern auch Geld, Bio-Bäckereien benötigen außerdem ein Bio-Siegel. Die Öko-Backbranche legt derzeit zu. Zu Einzelbäckereien entwickeln sich auch Ketten wie das Bio-Backhaus, das Standorte in Berlin, Potsdam oder Wustermark (Havelland) hat. Sie sind untereinander im Austausch und vereint bei den „Bio-Bäckern Berlin-Brandenburg“, zu denen auch Volker Apitz mit seiner Bäckerei Vollkern gehört.
Apitz gründete seine Bäckerei im Jahr 2000. Auf die Idee gebracht hätte ihn die Arbeit in einer Behinderteneinrichtung in England, erzählt der gelernte Konstruktionsmechaniker: Dort wurde das Brot selbst gebacken. Für ihn seien Bio und Vollkorn ab diesem Zeitpunkt Lebenssinn gewesen.
Zurück in Deutschland schulte der gebürtige Stralsunder in seiner Heimatstadt zum Bäcker um. Danach lernte er in einer Vollkorn-Bäckerei in Prenzlau, was bio-backen bedeutet und baute seine eigene Öko-Bäckerei auf. Nach Rohrlack kam er, weil er ursprünglich in der Einrichtung für betreutes Wohnen im Ort eine Bäckerwerkstatt aufbauen sollte.
[Die Berliner und Brandenburger Bio-Bäcker laden jedes Jahr zur Woche der offenen Backstuben: bio-baecker-berlin-brandenburg.de]
Am Ende wurde es ein eigenes Geschäft mit 28 Mitarbeitern. Seine Stammkunden kommen aus dem Umkreis, er beliefert Bio-Läden in Neuruppin, Rathenow, Wittstock, Stendal und Rheinsberg, außerdem hat er Großabnehmer in Berlin – unter anderem eine große Bio-Supermarktkette. „Ab Oktober sind wir dort aber raus. Wir können die schiere Masse nicht mehr leisten.“ Das Leben leide darunter. Die Qualität auch.
Volker Apitz möchte sich stattdessen stärker auf die Region konzentrieren. Ende des Jahres plant er, in Neuruppin ein zweites Geschäft mit Café und Schaubäckerei zu eröffnen. Immer im Fokus seines Schaffens: der Klimaschutz. „Seit 2003 beziehen wir zertifizierte, umweltfreundliche Energie.“ Damit wird in der Backstube gerade fleißig gebacken. Es riecht angenehm nach warmem Streuselkuchen. Ein Angestellter holt die Bleche aus dem Ofen. Backen ist Handwerk und für manche mehr als das: „Uns geht es gut, weil wir backen“, sagt Volker Apitz.
Anja Reinbothe