Essen zum Mitnehmen und Lockerungen: Warum Berlins Straßen und Parks jetzt so vermüllt sind
Die Mülleimer quillen über, rund um Restaurants sieht es oft schlimm aus: Die BSR appelliert an die Vernunft, der Senat beschließt ein Anti-Müll-Konzept.
Leere Sektflaschen im Tiergarten, zerditschte Pizzakartons in Wedding und Neukölln, halbe Sushi-Menüs in Schöneberg. Seit das Draußensein in Berlin wieder umfänglich gestattet ist und fast alle Geschäfte wieder öffnen durften, wachsen die Müllberge: in Parks, auf Gehwegen, rings um viel zu kleine Mülleimer.
Was vielen Berlinern spätestens seit dem Wochenende unangenehm auffiel, bestätigte nun auch die Berliner Stadtreinigung (BSR): Zu einem „massiven Anstieg“ vor allem des Verpackungsmülls sei es in den vergangenen Tagen gekommen. Besonders Innenstadtbezirke wie Neukölln, Mitte oder Charlottenburg-Wilmersdorf seien betroffen, vor allem die Bereiche um Cafés und Restaurants.
„Aufgrund der Corona-Eindämmungsmaßnahmen verkaufen derzeit zahlreiche Gastronomiebetriebe Essen und Getränke außer Haus“, sagt BSR-Sprecher Sebastian Harnisch. Die To-Go-Verpackungen verstopften die Straßenmülleimer oder würden gleich „achtlos weggeworfen“. Das schöne Wetter habe sein übriges getan. Auf die schön bequeme Ausrede, dass die vielen Touristen am Müll in der Stadt Schuld seien, können sie die Berliner jetzt jedenfalls nicht mehr zurückziehen.
Das Problem der BSR: Solche kurzfristigen „Verlagerungen von Reinigungsschwerpunkten“ seien kaum vorherzusagen. Man könne ja schwer abschätzen, welche Restaurants wie frequentiert werden und welche Verpackungen sie verwenden. Anwohner könnten sich, wenn ihnen besonders stark verdreckte Orte auffallen, aber an das Kundencenter wenden.
Die BSR, sagt Harnisch, habe aber nach dem Wochenende „flexibel reagiert und mittlerweile die meisten Verunreinigungen beseitigt.“ Mehr oder größere Mülleimer aufzustellen, lohne sich nicht, weil es sich um „ein kurzzeitiges Phänomen“ handele. Sobald die Restaurants ihre Innenräume wieder öffnen dürfen, das wäre schon am Mittwoch, geht die Stadtreinigung von einem Rückgang des sperrigen Verpackungsmülls aus.
Kein Ausrutscher: Grüne fordern Einwegabgabe
Ähnliches prognostiziert die Senatsverwaltung für Umwelt, appelliert aber schon jetzt an Restaurantbetreiber: „Wichtig wäre, dass Gastronomen beim Außerhaus-Verkauf zusätzliche Abfallbehälter aufstellen“, sagt Sprecherin Dorothee Winden. Auch Mehrwegverpackungen seien beim Außerhaus-Verkauf wünschenswert.
Besonders in Parks und Grünanlagen sollten Abfälle wieder mit nach Hause genommen werden. Für deren Reinigung ist nämlich in den meisten Fällen nicht die Stadtreinigung zuständig, sondern die bezirklichen Grünflächenämter – und deren Kapazitäten sind begrenzt. Auch wenn einige Bezirke schon über mehr Mülleimer nachdenken. Erst seit knapp zwei Jahren reinigt die BSR im Rahmen eines Pilotprojektes auch einige wenige Parks.
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Der Grünen-Abgeordnete Georg Kössler, in seiner Fraktion für Umweltschutz zuständig, sieht die vergangenen Tage nicht als Ausrutscher: „Die durch Corona gesteigerte Nutzung von To-Go-Verpackungen ist nur ein Vorgeschmack und beschleunigt einen traurigen Trend“, sagt er. Es brauche eine radikale Abkehr von Einwegverpackungen.
„Nicht nur bei Kaffeebechern, sondern auch für Essen muss es Mehrweglösungen geben.“ Dafür brauche es geeignete Fördermittel, außerdem fordert Kössler eine Abgabe auf Einwegverpackungen. Nach Tagesspiegel-Informationen prüft die Senatsverwaltung für Umwelt bereits, ob solch eine Regelung für Berlin machbar wäre.
Senat will Müll um 20 Prozent reduzieren
Während es also in der Stadt derzeit eher nach „Maximum Waste“ aussieht, hat der Senat am Dienstag ein „Zero Waste“-Leitbild beschlossen. Das Abgeordnetenhaus muss dem Plan noch zustimmen. Bislang ist das wohlklingend Programm ein weiterer großer Plan im an großen Zielen nicht eben armen Repertoire von Rot-Rot-Grün.
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Durch das Abfallwirtschaftskonzept soll der Hausmüll in der Stadt bis 2030 um 20 Prozent reduziert werden. 250.000 Tonnen weniger sogenannte Klimagase will man so verbrauchen und besonders bei Baustoffen wie Beton, Gips und Ziegeln mehr wiederverwerten.
Konkret soll unter anderem das getrennte Sammeln von Bioabfällen, Wertstoffen und Elektrokleingeräten ausgebaut werden, teilte der Senat am Dienstag mit. Speiseabfälle, Einwegprodukte und Verpackungen soll es bis 2030 deutlich weniger geben. Per Twitter verkündet Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) schon: „Weniger Müll ist mehr.“ Ein Blick vor die Tür zeigt: Einige Pizzakartons müssen bis dahin noch noch aus dem Weg geräumt werden.