Geld für Investitionen: Warum Berlin 691 Millionen Euro kaum nutzt
Das Sondervermögen heißt „Infrastruktur der wachsenden Stadt“. Doch statt zu wachsen verliert sich Berlin in den Schlingen der Bürokratie.
Berlin hat momentan viel Geld, ist aber nicht in der Lage, es für sinnvolle Investitionen zügig auszugeben. Im Sondervermögen „Infrastruktur der wachsenden Stadt“ (SIWA), das vor eineinhalb Jahren von SPD und CDU beschlossen wurde, schlummern 691 Millionen Euro aus den Überschüssen des Berliner Haushalts. Davon wurden bis heute erst 62 Millionen Euro ausgegeben. Daher warten Kitas und Schulen, Krankenhäuser und soziale Einrichtungen, Polizei und Feuerwehr auf die längst versprochenen Neubau- und Sanierungsmaßnahmen.
Für 241 Projekte stehen Mittel zur Verfügung, doch werden sie in den meisten Fällen gar nicht oder nur tröpfchenweise ausgegeben. Zwei Minierfolge gibt es: Eine neue Trainingsbeleuchtung in der Sportanlage Hubertusallee (Charlottenburg-Wilmersdorf) und die Sanierung eines Kletterfelsens in der Grünanlage am Wolfgangspfuhl (Lichtenberg) sind inzwischen fertig. Das war es aber auch schon. Auch die Finanzverwaltung, die die Verteilung der SIWA-Gelder steuert, verliert allmählich die Geduld. In einem Brandbrief an alle Senats- und Bezirksverwaltungen, der dem Tagesspiegel vorliegt, drohte der Finanzstaatssekretär Klaus Feiler damit, die Mittel für jene Projekte zu streichen, die bis zum Jahresende nicht begonnen werden.
Ausschöpfungsgrad von 4,7 Prozent
Schaut man sich die aktuellen Zahlen an, kann man schon fast von einem Boykott des öffentlichen Sonderprogramms sprechen, das Anfang 2015 mit viel Vorschusslorbeeren an den Start ging. Das gilt auch für die Bezirke. Ihnen stehen insgesamt 121,5 Millionen Euro aus SIWA zur Verfügung, davon wurden bisher aber nur 5,7 Millionen Euro ausgegeben. Das ist ein Ausschöpfungsgrad von 4,7 Prozent. Den Vogel schießt Tempelhof-Schöneberg ab, der sozialdemokratisch geführte Heimatbezirk des Regierenden Bürgermeisters Michael Müller (SPD). Dort flossen von 8,8 Millionen Euro, die der Bezirk verbauen darf, erst 4.300 Euro ab – die erste Rate für den Umbau eines Jugendfreizeitheims, der eine Million Euro kosten soll. Bauplanungsunterlagen liegen aber noch nicht vor. Etwas mehr Mühe geben sich Spandau und Charlottenburg-Wilmersdorf, die ihr Budget bis Juni 2016 zu 15,3 und 11 Prozent ausgeschöpft haben.
In den Senatsverwaltungen sieht es nicht besser aus. So hat die Stadtentwicklungsbehörde, die mit gutem Beispiel vorangehen könnte, von 118,6 Millionen Euro SIWA-Mitteln erst 3,1 Millionen für die geplanten Bau- und Verkehrsprojekte ausgegeben. Zwar stehen weitere 43,3 Millionen Euro auf der Ausgabenseite, aber das ist ein Sonderposten. Dieses Geld wurde im letzten Jahr für den Kauf von U-Bahnzügen überwiesen. In keinem guten Licht steht auch die Innen- und Sportverwaltung, die aus dem Sondervermögen eine Sporthalle, zwei Schwimmbäder und diverse Gebäude für Polizei und Feuerwehr sanieren oder neu bauen soll.
Verzögerung beim Bäderbau
Dafür stehen dem Innensenator Frank Henkel (CDU) 96 Millionen Euro zur Verfügung. Verbaut wurden bisher nur 711.000 Euro, die in die Sanierung der Sporthalle der Landespolizeischule und des Einsatz- und Trainingszentrums in Ruhleben flossen. 2017 bzw. 2019 werden diese Baumaßnahmen beendet sein. Dagegen müssen die Berliner noch lange darauf warten, dass in Mariendorf und Pankow zwei schöne, große Multifunktionsbäder entstehen. Sportsenator Henkel hatte versprochen, dass das erste Bad 2018 eröffnet wird. Inzwischen ist von frühestens 2021 die Rede. Gut Ding will eben Weile haben. Vor drei Wochen wurden die Bedarfsprogramme der Bäder „zwecks Korrekturbedarf“ an die Bäderbetriebe zurückgegeben, und für beide Bäder müssen die Bezirke neue Bebauungspläne vorlegen. Das dauert.
Der groß angekündigte Neubau einer Sporthalle im Olympiapark steht offenbar auf tönernen Füßen. „Der Mittelabfluss ist kaum planbar“, steht in den Controllinglisten der Finanzverwaltung. Außerdem gibt es eine neue Kostenprognose. Die Sporthalle wird, wenn sie tatsächlich entsteht, 6,4 Millionen Euro kosten. Eingeplant sind bisher 5 Millionen Euro. Senator Henkel muss sich aber nicht grämen, denn das Schlusslicht der SIWA-Investitionen ist die Senatskanzlei (einschließlich der Kulturverwaltung). Von den 1,5 Millionen Euro, ein recht übersichtlicher Betrag, wurde bisher kein Cent ausgegeben.
Verwendet werden soll das Geld für die W-Lan-Ausstattung von Kultureinrichtungen, für neue IT-Technik in den Bibliotheken und für ein Zentrum „Digitale Zukunft“ bei der Einstein-Stiftung. Doch bisher rührt sich da nichts. Ein Sprecher der Finanzverwaltung bemühte sich am Mittwoch darum, dem SIWA-Desaster noch etwas Positives abzugewinnen. Es sei „derzeit noch Luft nach oben“, räumte er ein. Die Finanzbehörde erwarte jedoch, im zweiten Halbjahr 2016 und im nächsten Jahr „einen deutlich höheren Mittelabfluss zu sehen“. SIWA war ausdrücklich dafür eingerichtet worden, dringend erforderliche Investitionen zügig auf den Weg zu bringen.
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