Berliner Linken-Chef Klaus Lederer: "Wahlkämpfe werden nicht durch schrille Töne gewonnen"
Die Linke debattiert über die richtige Strategie. Die Bundeschefs warnen davor, "staatstragend aufzutreten". Doch die Berliner Linke will wieder regieren.
Welcher Slogan macht am meisten Eindruck? Wie offensiv darf der Wahlkampf sein? Und stimmen eigentlich die Forderungen noch? In allen Parteien bereiten sich Funktionäre und Mitglieder in diesen Tagen auf den Wahlkampf vor – schließlich stimmt Berlin in vier Monaten über ein neues Abgeordnetenhaus ab und damit auch über eine mögliche neue Regierungskoalition. Noch ziemlich tief in der Debatte scheint dabei die Linke zu sein: Wie sehr darf sie die seit einem Vierteljahrhundert in Berlin regierende SPD provozieren – mit der sie nach der Wahl vielleicht selbst koalieren wird?
Angesichts der für die Linke desaströsen Wahlergebnisse in Sachsen-Anhalt vor einigen Wochen sollte die Partei ihr Profil stärken. Das hatten die Bundesvorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger kürzlich in einem Aufruf erklärt. Man sollte die gesellschaftliche „Empörung von links besetzen und die soziale Gerechtigkeitsfrage“ zuspitzen. Das Duo warnte die eigene Partei davor, allzu „staatstragend aufzutreten“ – vielmehr müsste die Linke in sozialen Bewegungen und Gewerkschaften aktiver werden, sie solle also raus auf die Straße und rein in die Betriebe gehen.
Kein staatstragender Auftritt also. Das könnte allerdings gerade der Hauptstadt-Linken schwerfallen. Bislang hatte sie sich in Berlin als bessere Regierungspartei empfohlen. Und nun soll die Linke auf Oppositionskurs setzen – statt sich der SPD wieder als solider Koalitionspartner anzubieten?
Linke müsse mit offensiver Strategie überzeugen
Vielleicht sagt Klaus Lederer, Linken-Landeschef und Spitzenkandidat, dem Tagesspiegel deshalb so klar: „Ich kann mit dem Begriff staatstragend wenig anfangen.“ Man möchte den Berlinern in ihrem Alltag helfen, sagt Lederer, doch dazu müsse eine Partei eben auch „vom hohen Ross“ absteigen und sich auf die Probleme der Bürger einlassen: „Wir wollen die Berliner viel mehr an den Entscheidungen in der Stadt beteiligen.“ Eine Koalition mit SPD und Grünen bleibt mit dieser eher weichen Strategie weiterhin gut möglich. Die Mehrheit der Berliner Linken-Mitglieder hatte das ohnehin abgesegnet.
Die beiden Bundesvorsitzenden Kipping und Riexinger betonen dagegen in ihrem vor zwei Wochen veröffentlichten Papier: „SPD und Grüne sind von sozialer Gerechtigkeit derzeit weiter entfernt als je zuvor, es gibt kein linkes Lager der Parteien mehr.“ Alarmierend sei zudem, dass die AfD in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg stärkste Partei bei Arbeitern und Erwerbslosen geworden sei; auch in Berlin reicht sie in Umfragen mittlerweile an die Werte der Linken heran. Nun müsse die Linke mit einer „offensiven Strategie“ als linke Alternative von sich überzeugen.
Klaus Lederer ist aber versöhnlich
Lederer sagt derweil mit Blick auf die Berlin-Wahl im September, neben einer rechnerischen Mehrheit hänge eine Regierungsbeteiligung davon ab, ob SPD und Grüne bereit seien, für bezahlbaren Wohnraum, für mehr Personal in den Ämtern und für Investitionen in Schulen, Bäder und Nahverkehr zu sorgen. „Wahlkämpfe gewinnt“, erklärt der Landeschef außerdem, „wer in der Lage ist, den Menschen Hoffnung auf Veränderung zu geben und nicht, wer die schrillsten Töne anschlägt.“ Mit Blick auf die Debatte um das Mitregieren ist Lederer aber versöhnlich: Richtig sei nämlich, sagt er, dass die Linke in erster Linie in der Gesellschaft um Unterstützung werben müsse – und nicht bei anderen Parteien.
Die Diskussion in der Linken wird sich bis zur Wahl jedoch nicht legen. Kipping und Riexinger möchten Ende Mai auf dem Linken-Bundesparteitag in Magdeburg wiedergewählt werden. Ohnehin ist seit Monaten unklar, wohin es die Partei zieht. Gregor Gysi, Ex-Chef der Bundestagsfraktion, hatte nach den AfD-Erfolgen seine Partei sogar ermuntert, auf die CDU zuzugehen. Es gelte, sagte er sinngemäß, gegen die Rechtspopulisten der AfD zusammenzurücken.
Kipping und Riexinger zitieren in ihrem Papier lieber den Linken-Chef in Sachsen, Rico Gebhardt: „Der größte Beitrag, den wir als Linke gegenwärtig gegen den Rechtstrend leisten können, ist, wenn wir die Arbeiterschaft und die Arbeitslosen zurückgewinnen. Das ist eine soziale Herausforderung mit hohem antifaschistischen Effekt.“
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