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Auch ohne die Dating-App Tinder kann man Singles kennenlernen.
© picture-alliance/dpa

Die SPD goes Tinder: Wahlkampf per Herzenswisch

Unser Autor Stefan Jacobs verfolgt den Wahlkampf via Dating-App. Und hat schon mal auf Tinder mit der SPD gedaddelt.

Tinder, wie die Zeit vergeht! Gerade konstatierte die Öffentlichkeit noch, dass die SPD schon schärfere Spitzenkandidaten auf ihren Großplakaten hatte als Michael Müller. Und schon passiert gewissermaßen das Gegenteil: Alexander Freier, der ein Drittel seiner 29 Lebensjahre als Bezirksverordneter in Treptow-Köpenick absolviert hat, will die Wähler da abholen, wo sie seiner Meinung nach sind: Bei ihren Smartphones, genauer gesagt bei der Dating-App Tinder, deren Motto lautet: „What are you doing tonight?“

Das sieht nach einem Politiker zum Anfassen aus. Solche sind gefragt in diesem Wahlkampf, in dem die Akteure buchstäblich Kopf an Kopf liegen. Man wischt auf dem Display nach rechts, um eine in der Nähe befindliche Person zu mögen, und nach links, um sie abzulehnen: Mit einem Wisch ist jeder weg. Wenn nur alles im Leben so einfach wäre. Freier sagt, er habe seit Mitte Juli schon mehr als 400 „Matches“ (also Rechtswische) von Menschen in zwei Kilometer Umkreis gehabt und „Leute erreicht, die ich sonst nie erreicht hätte“.

Für Kontrollfreaks wird es schwer

Einzige Ausnahme seien heterosexuelle Männer, bei denen er durch den Suchfilter fällt. Mit den anderen aber geht es bei Tinder nicht nur um das Eine, sondern um das eine oder andere Politische. Manche seiner neuen Kontakte fänden die Aktion so toll, dass sie ihm sogar im Wahlkampf helfen wollten, erzählt Freier. Zum Beispiel am klassischen Straßenstand mit Kulis unterm Sonnenschirm, den es natürlich weiter gibt. Und wo man als Politiker weiter oder sogar mehr denn je ganz analog beschimpft wird von Leuten, denen man manchmal wohl ebenfalls mal eine wischen würde, zumindest links.

Der Einzug der Politik rückt die mobile Datingwelt in neues Licht. Kontrollfreaks, die gern mal schauen, was Ihr(e) Liebste(r) in letzter Zeit so auf dem Handy gedaddelt hat, müssen nun nicht mehr gleich ausrasten, wenn da was mit Tinder war. Auf die Frage: „Schatz, mit wem hast du dich denn da verabredet, hm?“ gibt es jetzt die neue Antwortoption: „Mit der alten Tante SPD. Da war jemand, der hieß Freier; wir haben über die Kitabeitragsfreiheit diskutiert.“ Und wen wählt man nun am 18. September? Vielleicht ist der Wahlomat ja auch bald auf Tinder.

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