Temporäre Schließung geplant: Vorzeitiges Aus für Flughafen Tegel?
Der Flughafenchef will Tegel zeitweise schließen. Die Chancen dafür steigen in der Corona-Krise.
Flughafenchef Engelbert Lütke Daldrup will den wegen der Corona-Pandemie weitgehend verwaisten Berliner Airport Tegel für „zunächst zwei Monate“ stilllegen, um so monatlich mindestens sechs Millionen Euro zu sparen. Das geht aus einem aktuellen Schreiben von Lütke Daldrup an die Aufsichtsräte der Flughafengesellschaft Berlins, Brandenburgs und des Bundes (FBB) hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt.
Lütke Daldrup informiert mit dem Schreiben den Aufsichtsrat darüber, dass er „in den nächsten Tagen“ bei der zuständigen Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz die temporäre Befreiung von der Betriebspflicht für den Flughafen beantragt.
Ausdrücklich versichert Lütke Daldrup, dass der Flughafen Tegel binnen 14 Tagen seinen Betrieb wieder aufnehmen könne. „Das Ziel der FBB ist ausdrücklich nicht die vorgezogene endgültige Schließung von Tegel.“ Er sehe zu diesem Schritt „auf Grund der äußersten Dringlichkeit keine Alternative“.
Allerdings müssen der zeitweisen Außerbetriebnahme des Airports nicht nur die Behörden, sondern auch die drei FBB-Eigentümer zustimmen. Am Montag soll eine Gesellschafterversammlung darüber entscheiden. Berlin und Brandenburg sind dafür, da der Flughafen nach Tagesspiegel-Informationen wegen der Corona-Umsatzeinbrüche voraussichtlich 100 bis 300 Millionen Euro Nothilfen benötigen wird.
Nur 3000 Passagiere pro Tag
An beiden Flughäfen in Tegel und Schönefeld werden derzeit pro Tag nur noch 3000 Passagiere abgefertigt, vor der Corona-Krise waren es allein in Tegel zwischen 58 000 und 74 000 Passagiere pro Tag. Aktuell macht die FBB jeden Tag eine Million Euro Umsatzverlust. Der hohe personelle und materielle Aufwand für den Weiterbetrieb zweier Flughäfen sei „wirtschaftlich nicht vertretbar“, erklärte Lütke Daldrup.
Der Bund war in den vergangenen Tagen für den Weiterbetrieb, obwohl das in Tegel – fast ohne Passagiere – jeden Monat 7,5 Millionen Euro kosten würde, bei der Stilllegung wären es 1,5 Millionen Euro. Dem Vernehmen haben Bundesverteidigungsministerium und Auswärtiges Amt Bedenken, den Regierungsflugverkehr nach Schönefeld zu verlagern. Am Freitag gab es erste vorsichtige Signale, dass der Bund doch einlenken könnte, zumal derzeit de facto auch keine Regierungsmaschinen – mangels Reisen von Kanzlerin und Bundesregierung – starten und landen.
[Das Coronavirus in Berlin: Jeden Morgen ab 6 Uhr berichten Chefredakteur Lorenz Maroldt und sein Team im Tagesspiegel-Newsletter Checkpoint über die aktuellsten Entwicklungen. Kostenlos und kompakt: checkpoint.tagesspiegel.de]
Dass während der Corona-Pandemie Tegel und nicht der Airport in Schönefeld geschlossen wird, liegt auf der Hand. „Berlin Schönefeld (SXF) kann alleine den absehbaren Bedarf für Passage und Fracht abdecken“, schreibt Lütke Daldrup. So hat Schönefeld, anders als Tegel, ein Frachtzentrum. „Gerade für die erforderliche Aufrechterhaltung der Lieferketten und für die Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung kommt dem Frachtzentrum besondere Bedeutung zu.“
Auch sei dort ohne Sondererlaubnisse ein 24-Stunden-Betrieb gewährleistet. Und was gerade jetzt wichtig ist während der weltweiten Pandamie: „SXF verfügt über ein Medical Assessment Center, so dass im Ereignisfall Flüge mit Seuchenverdacht gemäß internationaler Gesundheitsvorschriften behandelt werden können.“
Regierungsbetrieb auch in Schönefeld möglich
Auch der Regierungsflugbetrieb wäre in Schönefeld möglich, versichert Lütke Daldrup. Das Regierungsterminal sei dem Bund am 1. März 2020 übergeben worden. Die Stellplätze folgen. „Am 31. März 2020 werde die zivile Nutzung des Vorfeldes 1 eingestellt und dieses ausschließlich dem Bund zur Verfügung gestellt“, schreibt Lütke Daldrup.
Und es gebe noch einen Effekt. Ganz „am Rande“ weist Lütke Daldrup darauf hin, dass mit der vorübergehenden Stilllegung auch die Anzahl der Feuerwehrleute für Tegel „erheblich reduziert“ werden könne. Das Land Berlin habe dem Flughafen mitgeteilt, dass die „freiwerdenden Kapazitäten von bis zu 1000 Kolleginnen und Kollegen der Betriebsfeuerwehr in Berlin wertvolle Unterstützungsleistungen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie leisten können“.
[Behalten Sie den Überblick: Corona in Ihrem Kiez. In unseren Tagesspiegel-Bezirksnewslettern berichten wir über die Krise und die Auswirkungen auf Ihren Bezirk. Kostenlos und kompakt: leute.tagesspiegel.de]
Zunächst bis Juni geschlossen
Wenn Behörde und Gesellschafter zustimmen, wäre Tegel zunächst etwa bis Juni geschlossen. Falls die Pandemie den Flugverkehr länger lahmlegt, könnte Tegel vor dem BER-Start gar nicht mehr wieder in Betrieb gehen. Bislang ist geplant, dass nach der ab 31.Oktober 2020 geplanten BER-Eröffnung der letzte Flieger in Tegel am 8. November abgefertigt wird.
Im BER-Terminal, wo der TÜV wegen eines Corona-Verdachts jüngst seine Prüfer abgezogen hatte, können die Abnahmen weitergehen. Wie Wolfram Stahl, Sprecher des TÜV Rheinland in Berlin bestätigte, werden die Sachverständigen am Montag, 30. März, „mit Ihren Prüfungen vor Ort am BER fortfahren“. Die häusliche Quarantäne sei im Homeoffice für andere notwendige Tätigkeiten genutzt worden, etwa „für Dokumentationen und die Berichterstellung“. Daher sei kein Zeitverzug entstanden.