Jahrestag auf den Seelower Höhen: Vor 70 Jahren begann der Kampf um Berlin
18. April 1945: Die Rote Armee schaffte den Durchbruch an den Seelower Höhen. Auf beiden Seiten starben dabei insgesamt 100.000 Menschen - die Deutschen schickten sogar 16-Jährige ins Feuer. Ein Rückblick.
Jene, die dabei waren, haben nie etwas Schlimmeres erlebt. Ein Inferno war, was vor genau 70 Jahren, im April 1945 im Oderbruch bei den Seelower Höhen geschah, und Zeitzeugen steigerten den Superlativ noch, es war für sie ein furchtbares, ein unglaubliches, ein wahnsinniges Inferno – der Schlussangriff der Roten Armee auf Berlin. Alle drei Meter, auf einer Länge von 30 Kilometern, hatten die Russen ein Geschütz aufgebaut, es war wahrscheinlich die größte Konzentration von Artillerie in der Militärgeschichte.
Morgens, 3 Uhr, wurde geschossen
Und morgens um drei Uhr begannen am 16. April diese Geschütze auf die massiven Stellungen der Wehrmacht in den Seelower Höhen zu feuern, buchstäblich aus allen Rohren. In Schätzungen ist die Rede von bis zu 100.000 Menschen, die dabei auf beiden Seiten starben; noch heute werden im Oderbruch Opfer geborgen, in Massengräbern oder irgendwo sonst, rund hundert jedes Jahr.
Dabei war diese gigantische Schlächterei offenbar militärisch vollkommen überflüssig. Historiker sagen heute, es sei Stalin vor allem darum gegangen, Tempo zu machen: Er wollte am 1. Mai, dem zweithöchsten russischen Feiertag, in Berlin angekommen sein, und dieses Ziel war ihm das Leben unzähliger Soldaten wert.
Der Krieg selbst war zu diesem Zeitpunkt längst entschieden. Die West-Alliierten standen an der Elbe, die Rote Armee bereitete sich entlang der Oder auf die Schlussoffensive vor. Dort hatte sie etwa zweieinhalb Millionen Mann unter Waffen, die Berlin aus zwei Richtungen einkesseln sollten, im Norden von Stettin, im Süden von Forst in der Lausitz. Die deutschen Truppen waren im Verhältnis eins zu zehn unterlegen, ihre massive Stellung im Oderbruch hätte sich also relativ leicht umgehen lassen.
Stalin beauftragte seinen besten Mann
Stalin beauftragte seinen besten Mann, den Stalingrad-Feldherrn Marschall Georgi Schukow, mit dem direkten Vorstoß auf Berlin. Und der führte über die Seelower Höhen. Auf deutscher Seite schickte die Wehrmacht ihre letzten Reserven in die Schlacht, den Volkssturm, Strafbataillone. Zeugen erinnern sich: Als in tiefer Nacht das Feuer begann, war das für sie wie ein Weltuntergang. Doch Schukow hatte sich verkalkuliert, denn als er, siegessicher, das Schlachtfeld wenig später aus Flakscheinwerfern sogar beleuchten ließ, hatten sich die Deutschen zurückgezogen, verschanzten sich in ihren Verteidigungslinien und fügten der Roten Armee furchtbare Verluste zu.
Der Angriff kam immer wieder zum Stehen. Zwar war die deutsche Armee für Gegenstöße viel zu schwach, doch sie leistete verbissenen Widerstand; auch am nächsten Tag wurden deutsche Soldaten noch mit Bussen an die Front gekarrt. Erst am 18. April 1945 war die dritte und letzte Verteidigungslinie durchbrochen. Am 20. April erreichten die russischen Soldaten Bernau und feuerten von dort direkt auf Berlin.
Unmittelbar nach dem Krieg ließ die Rote Armee auf den Seelower Höhen ein großes Siegesmonument errichten, das einen Soldaten und einen zerstörten Panzer zeigt. 1972 wurde eine Gedenkstätte eröffnet, die das DDR-Geschichtsbild der unverbrüchlichen Freundschaft mit der Sowjetunion vermittelte; junge Volksarmisten leisteten dort ihren Fahneneid.
Heute ist die Gedenkstätte in erster Linie ein Ort historischer Forschung, wird alljährlich von rund 17.000 Menschen besucht. Auch Verwandte der Soldaten suchen hier nach Informationen, etwa nach Vermissten. Und selbst junge Besucher ohne persönlichen Bezug verstehen, dass hier einst 16- und 17-jährige Soldaten in eine sinnlose Schlacht geschickt wurden.
Der Tagesspiegel erinnert 70 Jahre später an die Schlacht um Berlin. In den nächsten Tagen lesen Sie Beiträge über den Einmarsch, das Gedenken und die Opfer.
Das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park: Lesen Sie mehr unter diesem Tagesspiegel-Link.
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