Mit Zaunlatten und Baseballschlägern: Vor 30 Jahren wurde Amadeu Antonio von Neonazis ins Koma geprügelt
1990 verletzten Nazi-Schläger den Angolaner Amadeu Antonio Kiowa so schwer, dass er starb. Die nach ihm benannte Stiftung fordert mehr Einsatz gegen Rassismus.
Auch nach 30 Jahren macht das Geschehen viele Menschen traurig und fassungslos. Nicht nur, weil eine Horde von 50 rassistischen Gewalttätern in der Nacht vom 24. auf den 25.November 1990 „einfach mal so“ Jagd auf mehrere Vertragsarbeiter aus Angola und Mosambik machen wollte und machen konnte. Nicht nur, weil sie mit Zaunlatten und Baseballschlägern in großer Überzahl auf den einen jungen Mann einprügelten, der schon schwer verletzt am Boden lag und ihm sogar auf den Kopf sprangen. Sondern auch, weil drei Zivilfahnder der Polizei in der Nähe waren, aber nicht wagten, einzugreifen und Verstärkung anzufordern.
Doch auch diese vollausgerüsteten Polizisten zögerten viel zu lange. Als sie endlich einschritten, war es für den jungen Mann zu spät: Amadeu Antonio Kiowa, das älteste von 12 Kindern aus dem angolanischen Quimbele, war schon ins Koma gefallen und erlag am 6. Dezember seinen schweren Verletzungen.
1987 war er mit der Hoffnung in die DDR gekommen, hier Flugzeugtechnik studieren zu können, wurde aber zur Arbeit im Schlacht- und Verarbeitungskombinat Eberswalde eingeteilt. Er gilt als eines der ersten Todesopfer rassistischer und rechtsextremer Gewalt nach der Wiedervereinigung.
Die nach ihm benannte Amadeu Antonio Stiftung erinnert jetzt gemeinsam mit lokalen Initiativen und der Stadt Eberswalde an die brutale Tat und mahnt eine bundesweite Strategie zur Bekämpfung von Rassismus an. „Positiv ist, dass heute einigermaßen offen über Rassismus gesprochen werden kann“, sagte die Vorsitzende der Stiftung, Anetta Kahane, dem Tagesspiegel: „Negativ ist, dass erst jetzt langsam klar wird, wie groß das Problem ist.“
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Die Black Lives Matter-Proteste hätten deutlich gemacht, dass man auch heute und hier noch weit entfernt sei von einem Zustand ohne alltäglichen Rassismus. „Da müssen wir auch gar nicht auf Amerika verweisen“, sagte Kahane weiter: „Diese Probleme gibt es auch in unserer Mitte, gibt es auch in Deutschland und auch in Ostdeutschland.“
Die Stiftung fordert Staatsanwaltschaften für Hasskriminalität
In einer Presseerklärung forderte die Amadeu Antonio Stiftung am Dienstag zudem eine bundesweite Strategie zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus an. Es fehle noch immer ein gesetzlicher Rahmen, der die dauerhafte Auseinandersetzung damit gewährleiste - ein Demokratiefördergesetz sei überfällig.
Auch die Forderungen des NSU-Untersuchungsausschusses müssten umfassend umgesetzt werden, heißt es in der Erklärung weiter. Dazu gehöre die flächendeckende Einrichtung von Staatsanwaltschaften, die sich ausschließlich mit Hasskriminalität befassen. Bei den Ermittlungen müsste die Perspektive von Betroffenen verpflichtend einbezogen werden.
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Und noch eines liegt Anetta Kahane am Herzen: „Von den von der Amadeu Antonio Stiftung erfassten 213 Todesopfern rechter Gewalt nach der Wiedervereinigung wurden bislang lediglich 109 als solche staatlich anerkannt“, sagt sie. Und fordert eine bundesweite Untersuchung der übrigen Fälle nach dem Vorbild Brandenburgs.
Dort hätten Forscher im Auftrag des Landes gemeinsam mit Sicherheitsbehörden und Vertretern der Zivilgesellschaft bislang unklare Fälle neu bewertet, wodurch mehr Menschen als Opfer rechter Gewalt anerkannt wurden.
Auf einer Plattform kommen seine Freunde zu Wort
Für Amadeu Antonio Kiowa soll am 6.Dezember, 30 Jahre nach seinem Tod, eine Gedenkveranstaltung stattfinden. Aber schon ab dem 25. November können digitale Gedenkbeiträge und Videobotschaften unter den Hashtag #amadeuantonio eingestellt werden. Die Stiftung selbst erinnert auf ihrer Website amadeu-antonio.de an den jungen Angolaner. Dort würden vor allem seine Freunde und Verwandten zu Wort kommen, sagt ein Sprecher. Aber auch Zeugen jener schlimmen Zeit, als Rassisten mit Baseballschlägern loszogen, um „einfach mal so“ Menschen zu töten.