Zum 25. Todestag von Marlene Dietrich: Von Kopf bis Fuß auf Ärger eingestellt
Ein Dokumentarfilm über die Diva sorgte für viel Missmut zwischen ihr und Regisseur Maximilian Schell. Doch das Ergebnis wurde preisgekrönt und ist nun zu Marlene Dietrichs 25. Todestag wieder zu sehen.
„Alles falsch – Lächerlich! – Quatsch – Das ist doch furchtbar – Wie schrecklich kann man es noch machen“: Dies nur eine kleine Auswahl an Randbemerkungen, mit denen Marlene Dietrich in den frühen Achtzigern Script-Entwürfe zu dem geplanten Dokumentarfilm über sie kommentierte. Möchte man da als Produzent noch weitermachen? Oder nicht lieber die ganze Sache abblasen, der empörten Diva einen Strauß roter Rosen senden, dazu eine Karte, hier liege wohl ein Missverständnis über das vereinbarte Projekt vor, das man vor weiteren Verstimmungen besser in Ehren beende? Ja, könnte man – nicht aber, wenn die Schimpfende Marlene Dietrich heißt.
Es gibt viele Möglichkeiten, des an diesem Sonnabend zum 25. Mal sich jährenden Todestages der Dietrich zu gedenken. Als Verehrer ihrer Kunst könnte man erst ihr Geburtshaus in der Schöneberger Leberstraße 65 besuchen, weiter zur Potsdamer Straße 116 in Tiergarten spazieren, wo sie als Kind eine Zeitlang lebte, nebst Abstecher zum nahen Marlene-Dietrich-Platz.
Ein Besuch im Steglitzer Schlossparktheater wäre denkbar, in dem sie am 20. Januar 1922 in einer kleinen Nebenrolle ihren ersten Bühnenauftritt hatte, verbunden mit einer Gedenkminute vor dem Titania-Palast in der Schloßstraße, wo sie im Mai 1960 ebenso gefeiert wie geschmäht wurde. Schließlich wäre ihr Ehrengrab auf dem Friedhof in der Friedenauer Stubenrauchstraße zu besuchen. Dort wurde sie am 16. Mai 1992 begraben.
Noch näher kommt man ihrem Leben im Museum für Film und Fernsehen am Potsdamer Platz, in dessen Dauerausstellung Marlene Dietrich großen Raum einnimmt, wenngleich nur ein Bruchteil der im Archiv verfügbaren Memorabilien gezeigt werden kann. Und man kann am Sonntag im Kino Arsenal in einer vom Museum veranstalteten Matinee die von der Porträtierten so geschmähte, unter der Regie von Maximilian Schell doch noch zustande gekommene Dokumentation „Marlene“ sehen, nach einer Lesung des in der Vorbereitungszeit und während der Dreharbeiten geführten, weitgehend unveröffentlichten Briefwechsels zwischen Schell und Dietrich samt privater Notizen. Den Part der Schauspielerin wird Claudia Michelsen übernehmen, den Regisseur Ulrich Matthes.
Auch ein Gelegenheitsgedicht Marlene Dietrichs gehört zu den Texten, die dabei vorgetragen werden, überschrieben „Holiday from Schell“. Entstanden ist es am 3. Oktober 1982, einem offenbar drehfreien Sonntag: ein Stimmungsbericht in tiefem Grau, Schilderung eines „frustrating afternoon“, Trostlosigkeit pur.
Nein, es waren nicht für Marlene Dietrich und ganz bestimmt auch nicht für Maximilian Schell erquickliche acht Tage, als zwischen dem 28. September und dem 5. Oktober 1982 in ihrem Pariser Apartment in der Avenue Montaigne 12 die Aufnahmen für den Film entstanden. Wobei es genaugenommen nicht mal Dreharbeiten waren, nur Tonaufnahmen waren zugelassen. „Ich bin zu Tode fotografiert worden“, damit hatte Marlene Dietrich weitere Bilder von sich abgelehnt.
Schell musste improvisieren - was ihm bestens gelang
Die Schwierigkeiten hatten für den Münchener Produzenten Karel Dirka schon früh begonnen. Der Dietrich schwebte ein von ihr kommentierter Streifzug durch ihre Filme vor, für den man keinen Regisseur benötige. Er bestand auf einem klassischen Dokumentarfilm, für den er erst Volker Schlöndorff vorschlug, dessen Manuskript für Marlene Dietrich aber nur „Alles Quatsch“ war.
Auch Peter Bogdanovich, Werner Schroeter und Billy Wilder fanden nicht ihre Gnade, sicherheitshalber warnte sie Wilder noch selbst vor dem ihrer Meinung nach dilettantischen Dirka, schlug dafür Maximilian Schell vor – wohlgemerkt nur als Sprecher. Den kannte sie von den Dreharbeiten zu „Das Urteil von Nürnberg“. Dirka war einverstanden, Schell sollte aber nicht nur Stichwortgeber für Dietrichs Kommentare zu ausgewählten Filmszenen sein, sondern sie interviewen und Regie führen – ein Zielkonflikt, der Verlauf war entsprechend.
An sich war ausgemacht, dass nicht Marlene selbst, wohl aber ihr Apartment gefilmt werden dürfe, was sie nun kurzfristig widerrief. Der Kameramann, den Schell für alle Fälle dabei hatte, kam nicht zum Einsatz, der Tonmeister hatte allerdings heimlich eine Fotokamera dabei, dokumentierte so die Wohnung, die Schell später in München nachbauen und filmen ließ. Und auch bei den täglichen Treffen zeigte sich Marlene, mit Trainingsanzug im Rollstuhl, die Augen hinter einer blau getönten Brille verborgen, ausgesprochen divenhaft, reagierte widerspenstig bis abweisend auf Schells Fragen, warf ihm vor, sich nicht richtig vorbereitet zu haben.
Doch bisweilen gelang es Schell, Marlene dazu zu bewegen, ihr Inneres ein wenig zu offenbaren, so als er ein Gedicht von Ferdinand Freiligrath ansprach, das in der Wohnung ihrer Eltern gerahmt an der Wand hing und an dem sie lesen gelernt hatte. Er rezitierte es, und irgendwann stimmte sie ein, mit bebender Stimme.
Aber das waren Ausnahmen. Nach acht Tagen wurde das Interview abgebrochen, und das Team reiste zurück nach München, kehrte auch nicht zurück. Es wäre für Dirka, gegen den die Schauspielerin dann jahrelang prozessierte, zu teuer geworden, zumal nicht zu erwarten stand, dass sie bei einem zweiten Versuch umgänglicher wäre.
Schell musste also improvisieren, was ihm immerhin so gut gelang, dass der Film 1984 auf der Berlinale gezeigt wurde, beim Deutschen Filmpreis das Filmband in Silber erhielt und 1985 für einen Oscar nominiert war. Wie hatte die „Los Angeles Times“ zum US-Filmstart geschrieben? „Die Dietrich zwang Schell dazu, einen besseren Film zu drehen, als er es getan hätte, wäre sie bereit gewesen, vor die Kamera zu treten.“
Die Matinee mit dem Film „Marlene“ und der szenischen Lesung findet an diesem Sonntag, 11.30 Uhr, im Kino Arsenal, Potsdamer Straße 2 in Tiergarten, statt. Zum 25. Todestag der Schauspielerin ist bei C.H. Beck eine neue Biografie erschienen, in der auch die Entstehung des Dokumentarfilms "Marlene" beschrieben wird: Eva Gesinde Baur: Einsame Klasse. Das Leben der Marlene Dietrich (576 Seiten, 24,95 Euro). Leider nur noch antiquarisch erhältlich ist die Biografie "Marlene Dietrich" von Werner Sudendorf (dtv), in der der Film ebenfalls Thema ist.
Info: Das Grab von Marlene Dietrichs Mutter ist gerettet
In der Nähe des Grabes von Marlene Dietrich auf dem Friedhof in der Friedenauer Stubenrauchstraße liegt das ihrer Mutter Josefine von Losch. Mitte September 1945 hatte sie ihre berühmte Tochter zum ersten Mal seit 1931 in Berlin wiedergesehen, Anfang November war sie überraschend gestorben. Das Grab, nach Marlenes Wünschen angelegt und gepflegt, war, wie berichtet, von der Einebnung bedroht – aber dieses Problem konnte nun gelöst werden. Finanziert durch Spenden und Mittel des Förderkreises des Museums für Film und Fernsehen ist das Grab wieder hergerichtet worden. Für die Grabnutzungsgebühr über weitere 20 Jahre gewährte die Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg Sondermittel.