IT-Jobvermittlung Honeypot: Von der Wäscherin zur Start-up-Millionärin
Als Jugendliche in Irland hilft Emma Tracey in der Reinigung der Mutter. Dann entdeckt sie Berlin und gründet hier die Jobplattform Honeypot.
In der aktuellen Krise verlegen viele Unternehmen ihre Aktivitäten ins Internet, bieten Produkte online an und entwickeln neue Geschäftsmodelle. Dazu benötigen sie Digitalexperten wie Programmierer und Entwickler.
Doch die Fachkräfte sind gar nicht so einfach zu bekommen, denn sie können sich ihren Arbeitgeber weltweit aussuchen. Hier kommt die spezialisierte Jobplattform Honeypot aus Berlin ins Spiel, die hochqualifizierte Software-Entwickler vermittelt.
„Die Digitalisierung erhält gerade ihren größten Schub seit Jahren, sagt Honeypot-Geschäftsführerin Emma Tracey. Die Job-Plattform funktioniert nach dem Prinzip des „Reverse Recruiting“. Das bedeutet, dass sich die Unternehmen bei ihren potenziellen Arbeitnehmern bewerben - also genau umgekehrt als üblich.
Bisher wurde das Angebot vor allem von Start-ups aus der Tech-Szene genutzt. „Jetzt erhalten wir auch Anfragen von Universitäten und Konzernen“, berichtet Tracey.
Besonders gefragt sind Software-Entwickler
Der Bedarf für IT-Fachkräfte war bereits vor der Krise groß. Einer Bitkom-Studie von November 2019 zufolge waren seinerzeit 124.000 der IT-Stellen in der Gesamtwirtschaft unbesetzt. Im Durchschnitt blieben sie vier bis sechs Monate offen. 83 Prozent der Unternehmen gaben demnach an, einen Mangel an Digitalspezialisten zu haben.
Und 65 Prozent gingen davon aus, dass sich dieser Fachkräftemangel in Zukunft verschärfen würde. Besonders gefragt: Software-Entwickler, die von 32 Prozent der Firmen gesucht wurden, gefolgt von IT-Anwendungsbetreuern (18 Prozent) und Data Scientists (13).
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Software-Entwickler, die sich bei Honeypot anmelden möchten, müssen ihre praktischen Fähigkeiten nachweisen. „Wir testen, ob der Code, den sie schreiben, einem bestimmten Standard entspricht“, sagt Tracey. Nur etwa zehn Prozent der Interessenten würden zugelassen. Die erhalten dann die Gelegenheit, sich und ihre Qualifikationen auf der Plattform zu präsentieren.
Die Firmen nehmen ihrerseits den Kontakt auf, stellen sich und ihre Arbeitsbedingungen vor und bieten ein bestimmtes Gehalt an. Aktuell seien durchschnittlich etwa 200.000 Programmierer gleichzeitig registriert. 80 Prozent der Unternehmen würden auf diesem Wege innerhalb von nur vier Wochen eine freie Stelle besetzen können, sagt Tracey.
Auch Programmierer finden nicht so leicht den besten Job
Das Unternehmen hat die gebürtige Irin 2015 gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Kaya Taner gegründet. Der habe am Anfang auch die Idee gehabt. Für ein früheres Start-up habe er selbst nach IT-Fachleuten gesucht. Am Anfang stand eine Erkenntnis: Trotz der international günstigen Marktsituation ist es auch für die Programmierer schwierig, den besten Job zu finden. Sie müssen sehr unterschiedliche Jobangebote und Rahmenbedingungen vergleichen. Deshalb berät sie Honeypot bei der Einschätzung der Angebote, aber auch zu rechtlichen Fragen wie Visumsangelegenheiten.
Emma Tracey hat eine für die Tech-Szene eher ungewöhnliche Laufbahn beschritten. Die heute 31-Jährige hat am Trinity College Dublin Literatur und Film studiert. Mit Anfang Zwanzig zog sie nach Bogotá in Kolumbien.
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Als Journalistin für ein Wirtschaftsmagazin bereiste sie Südamerika, arbeitete dann in Kanada und Australien, Togo, Burkina Faso, Senegal und Kenia. Es sei ihr Ziel gewesen, auf allen fünf Kontinenten zu arbeiten und zu leben, bevor sie 25 Jahre alt würde, erzählt Tracey. Schließlich baute sie in Ghana ein lokales Büro für ihren Arbeitgeber auf. Dort hatte sie die Idee für ihr erstes eigenes Unternehmen.
Wegen der Currywurst in Berlin geblieben
Tracey kündigte ihren Job und gründete gemeinsam mit einem ehemaligen Kollegen eine PR-Agentur Lifa Communications in Johannesburg. Die Agentur betreut sowohl afrikanische Unternehmen, die internationale Investoren suchen, als auch Firmen, die in den afrikanischen Markt einsteigen wollen. „Doch nach einer Weile wurde das etwas monoton“, sagt sie. Also zog sie nach Berlin, absolvierte ein Masterstudium in International Business an der Hochschule für Wirtschaft und Recht, und wurde Tech-Unternehmerin.
Berlin kannte sie bereits seit 2006. Nach dem Schulabschluss sei sie mit Freunden und einem Interrail-Ticket durch Europa gereist. In der deutschen Hauptstadt wollte ihre Gruppe eigentlich nur einen Zwischenstopp einlegen. „Damals wusste ich nicht viel über Deutschland oder Berlin, sagt Tracey. Doch am Hauptbahnhof habe sie eine einschneidende Erfahrung gemacht: „Ich aß eine Currywurst und begriff, dass das das beste Essen der Welt ist.“ Aus einer geplanten Übernachtung wurden fünf. „Im Tacheles kaufte ich ein Gemälde, das heute zu meinen wertvollsten Besitztümern gehört.“ Später reiste sie während des Filmstudiums zur Berlinale.
Anders als viele Start-ups habe Honeypot nicht nach Risikokapitalgebern gesucht, sagt Tracey. Stattdessen sei die Firma vor allem durch Reinvestition der Gewinne gewachsen und einige kleinere Fremdkapital-Investitionen. Doch der Erfolg gab den beiden Gründern recht. Zur Berliner Zentrale kamen Standorte unter anderem in Hamburg, München und Wien hinzu. Dann folgte der Durchbruch, auf den die meisten Tech-Startups hinarbeiten.
Seit dem Millionen-Deal schläft Emma Tracey besser
Im April 2019 kaufte die Hamburger New Work SE, die hinter dem Business-Netzwerk Xing steht, das Startup Honeypot für einen Basiskaufpreis von zunächst 22 Millionen Euro. Daraus könnten noch bis zu 57 Millionen Euro werden. Denn der Kaufvertrag enthält eine Earn-Out-Klausel. Sollte das junge Unternehmen bis 2022 vertraglich festgelegte operative Ziele erreichen, folgen weitere Zahlungen von insgesamt 35 Millionen Euro.
„Das hat mir viel Last von den Schultern genommen“, sagt Tracey. New Work verfüge über ein umfangreiches Netzwerk und unterstütze Honeypot bei der Expansion in andere Länder. „Seit ich weiß, dass eine größere Organisation hinter mir steht, schlafe ich besser.“ Bis dahin habe sie sich nur ein minimales Gehalt ausgezahlt. „Ich denke, meine Eltern sind froh, dass ich endlich Geld verdiene“, sagt sie und lacht.
"Berlin sollte nicht nur nach Silicon Valley schauen"
Tatsächlich spricht Tracey von ihrer Mutter als ihrem Vorbild. Die Mutter betrieb in Irland eine Wäscherei, in der die Tochter als Heranwachsende aushelfen musste. „Ich denke, dass ich von ihr eine sehr starke Arbeitsethik gelernt habe.“ Mitten in der Rezession habe die Mutter zudem ein zweites Geschäft aufgebaut, obwohl viele ihr davon abgeraten hätten. Die Tochter lernte daraus: „Wenn du etwas wirklich tun möchtest und überzeugt davon bist - dann tu es.“
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Nach dem Millionen-Deal, den sie mit ihrem Team an einer Currywurst-Bude feierte, kann sich Tracey nun auch wieder ihrer Leidenschaft widmen - und Geschichten erzählen. Auf YouTube hat Honeypot einige Dokumentationen über die Menschen hinter Programmiersprachen wie GraphQL oder Elixir veröffentlicht.
Demnächst sollen weitere Filme erscheinen - auf einer eigenen Video-Plattform namens „Cult“. Honeypot unterstützt damit die Tech-Community, und festigt gleichzeitig die eigene Position in der Marktnische. „Berlin sollte nicht immer nur nach Silicon Valley schauen“, sagt Emma Tracey.
Die deutsche Hauptstadt habe viel Potenzial als Tech-Standort. Doch eines könnten hiesige Unternehmer von den Kaliforniern lernen: Sie sollten international nach Personal suchen, Bewerbungsprozesse digitalisieren und Videokonferenzen für das Interview nutzen. Die Startups seien da bereits sehr weit, sagt Tracey, es sei nun an den etablierten Firmen nachzuziehen.