Naturschutzverbände: Volksinitiative Insektenschutz: Brandenburg plant schon, Berlin prüft noch
Naturschützer in Brandenburg bereiten eine Volksinitiative zum Insektenschutz vor, ihre Berliner Kollegen überlegen noch.
Nach den Flächenländern Bayern und Brandenburg könnte es auch in Berlin bald eine Volksinitiative für einen besseren Insektenschutz geben. „Wir prüfen das", sagte die Geschäftsführerin des Naturschutzbundes (Nabu) Berlin, Jutta Sandkühler, dem Tagesspiegel. Es gäbe gute Gründe, auch in der Großstadt Berlin eine Initiative zu starten. Es fehle in den Verwaltungen noch immer an Personal, um die bestehenden Programme für Artenschutz und Biotopverbund wirklich umzusetzen.
Auch die von der Koalition angestrebte Charta für das Stadtgrün komme nur sehr schleppend voran und bleibe zunächst eine Absichtsbekundung. "Ziel in der wachsenden Stadt muss eine gemeinsame Stadtplanung sein, die neben dem Wohnungsbau auch eine grüne Infrastruktur plant und ökologisch wertvolle Grünflächen schützt", sagte Sandkühler. Auch städtische Wohnungsbaugesellschaften könnten einen Beitrag zum Artenschutz leisten, indem sie ihre oft sterilen Grünflächen so umgestalten, dass sie Insekten Rückzugsraum und Nahrungsgrundlage bieten.
In Bayern ist mit überraschend großer Resonanz ein Volksbegehren zum Artenschutz gestartet worden, das besonders die Insekten im Fokus hat. 950.000 Menschen, 18,4 Prozent der Wahlberechtigten, trugen sich in nur zwei Wochen in die Unterschriftenlisten des Volksbegehrens ein, fast doppelt so viele wie nötig. Das ist besonders für die regierende CSU eine Herausforderung, die sich als "Bauernpartei" bislang auf Distanz zu den Initiatoren hielt. Selbst der britische „Guardian“ berichtete über die Initiative und zeigte bayerische Aktivisten im Bienenkleid.
Im Frühjahr startet Brandenburger Initiative
Der Erfolg beflügelt auch Naturschützer in Brandenburg. Sie beschlossen in der vergangenen Woche eine eigene Volksinitiative. "Damit wollen wir noch im Frühjahr diesen Jahres starten", erklärten der Nabu-Landesvorsitzende Friedhelm Schmitz-Jersch und Thomas Volpers, stellvertretender Vorsitzender des BUND Brandenburg.
Während es in den Flächenländern vor allem darum geht, das Insektensterben auf landwirtschaftlichen Flächen einzudämmen, könnte sich Berlin mit seinen Gärten und Parkanlagen noch stärker als insektenfreundliche Großstadt profilieren. Dazu müssten die vorhandenen Grünflächen aber weniger intensiv gepflegt und behutsamer genutzt werden. Wie sich die Insektenpopulationen in Berlin entwickeln, ist weitgehend unbekannt. Der Nabu verweist auf den durch Zählungen belegten Rückgang von Vogelarten und -populationen als ein Indiz. Viele Vögel sind Insektenfresser. Vor zwei Jahren schockierten Biologen die umweltbewussten Deutschen mit einer Studie, nach der die Zahl der Fluginsekten in deutschen Naturschutzgebieten in den vergangenen 27 Jahren um rund 80 Prozent zurückgegangen ist.
Bauernbund spricht von "Horrorszenarien"
Der Bauernbund Brandenburg hält die Insektenschützer jedoch für weltfremde Spinner. Von „Horrorszenarien im Heidiland“, spricht der Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung, der in Lennewitz in der Prignitz einen Biohof mit Mutterkühen bewirtschaftet. Mit den im bayerischen Volksbegehren geforderten Öko-Quoten, Flächenstillegungen und Bewirtschaftungsseinschränkungen würden viele Bauern faktisch enteignet, ohne wirklichen Nutzen für Natur und Umwelt.
„Die seit Jahrzehnten gleichbleibend geringen Flächen, auf denen Insektizide zur Anwendung kommen, können nicht für einen Insektenschwund verantwortlich sein.“ Schädlich sei eher das Zubetonieren der Landschaft für den Bau von Häusern und Straßen und die Umwandlung von Obst- und Gemüsegärten in „sterile Rasenflächen“. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will die Insekten auf ihre Art retten. Sie bereitet ein „Aktionsprogramm“ vor und setzt sich für eine Verbesserung der EU-Naturschutzfinanzierung ein. Der Insektenschutz und die dazu gehörige Forschung sollten zusätzlich mit 100 Millionen Euro im Jahr gefördert werden. In einem neuen Gesetz soll es zudem klare Vorgaben für eine „umwelt- und naturverträgliche Anwendung von Pestiziden in Insektenlebensräumen“ geben. (mit dpa)
Imker in Berlin: Auch in der Großstadt summt und brummt es
Seit November 2017 gibt es in Berlin die im Parlament verabschiedeten „Strategien für Bienen und andere Bestäuber“. Die Berliner sollen durch eine Öffentlichkeitskampagne dafür sensibilisiert werden, dass Bienen für eine lebenswerte Stadt wichtig sind. 16 Imkervereine mit rund 1000 Mitgliedern betreuen in Berlin mehr als 5000 Völker, die auf Terrassen oder Flachdächern ihr Zuhause haben. Die Koalition will ein besseres Nahrungsangebot für Bienen und Grundstücke landeseigener Unternehmen für Bienenstöcke bereitstellen. In einigen Bezirken wird auf die Bienenfreundlichkeit beim Anbau von Bäumen und Blumen geachtet. Projekte wie die „essbare Stadt“, bei der Grünanlagen durch die Pflanzung von Obstbäumen oder Sträuchern in essbare Landschaften umgestaltet werden, gibt es in vielen Bezirken. Bienen können sich in der Hauptstadt zudem prominente Standorte aussuchen: auf dem Dach des Berliner Doms, des Abgeordnetenhauses, des Umweltforums, der Auferstehungskirche oder des Hauses der Kulturen der Welt.
Das Jagdschloss Grunewald und das Klärwerk Ruhleben zählen ebenso zu den Domizilen der Honigsammler. Junge Berliner können das Imkern in Praxiskursen lernen. Einige Vereine vermieten Bienenvölker an den Nachwuchs. Die Initiative „Berlin summt“ baut die Zahl der prominent platzierten Standorte für Bienen weiter aus und bietet Grundschulen Bienenkoffer zum Ausleihen an. Das Lehrmaterial soll Kindern auf spielerische Weise das Leben der Tiere und ihre Bedeutung für das Ökosystem näher bringen. 2018 produzierten die Bienen der 1000 Imker in der Hauptstadt mehr als 122 Tonnen Honig. (sib)
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