Berlins Bezirke im Polit-Check: Viele Haus-Aufgaben in Friedrichshain-Kreuzberg
Im Szenebezirk "X-Hain" zeigt sich ein Problem der Hauptstadt besonders deutlich: Steigende Mieten führen zur Verdrängung.
Was war: Aktivisten, Drogen, Rigaer
Für Gesamtberlin ist das Bündnis aus SPD, Linken und Grünen eine historisch neue Konstellation – in Friedrichshain-Kreuzberg hingegen ist die Kombination bereits erprobt, als Zählgemeinschaft auf der Bezirksebene. Mit einem Unterschied: Nicht die SPD ist stärkste Kraft im Dreierclub, sondern es sind die Grünen.
Seit 2016 sitzen acht Parteien in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV): Neben den Satirikern von „Die Partei“ zog auch die AfD neu ein (mit dem schlechtesten Bezirksergebnis in der ganzen Stadt). Die FDP schaffte den Sprung über die Drei-Prozent-Hürde ebenfalls.
Friedrichshain-Kreuzberg gilt als Spielplatz für die linksalternative Szene, ist längst aber auch Wohnort für bürgerliche Besserverdiener. Genau daraus resultiert das wohl drängendste und meistdiskutierte Problem: Die Gentrifizierung, der Bezirkspolitiker den Kampf angesagt haben. Einer davon ist Florian Schmidt (Grüne). Als er das Amt als Baustadtrat vor einem Jahr antrat, brachte keine Verwaltungserfahrung mit; dafür ist er aber „Stadtaktivist“.
Und auch in seiner jetzigen Funktion kann man ihn getrost als solchen bezeichnen. Der Bezirk hat bisher bei elf Häusern das Vorkaufsrecht ausgeübt. Das Instrument soll der Spekulation mit Wohnraum entgegenwirken und Mieter schützen. Zudem wurden elf Abwendungsvereinbarungen abgeschlossen, in denen sich die Käufer verpflichteten, weder Miet- in Eigentumswohnungen umzuwandeln, noch teure Modernisierungsmaßnahmen vorzunehmen (deren Kosten im Regelfall auf die Mieter umgelegt werden).
Kontrovers diskutiert wird der Umgang der grün-rot-roten Mehrheit mit der Drogenproblematik im Kiez: Mitte Oktober kippte der Senat die Null-Toleranz-Verordnung des früheren Innensenators Frank Henkel (CDU), mit der er die Drogenkriminalität unter anderem im Görlitzer Park in den Griff bekommen wollte. Seither ist es Konsumenten wieder erlaubt, bis zu 15 Gramm Cannabis zu besitzen und zu konsumieren. Kritik gab es dafür von der CDU.
Und dann ist da noch die unendliche Geschichte um die Rigaer Straße in Friedrichshain: Rund um das von Linksextremen bewohnte Haus in der Nummer 94 kommt es immer wieder zu Angriffen auf Polizisten und neuerdings auch Rettungskräfte. Die Aktivisten wehren sich gegen den „Ausverkauf“ des Kiezes an Investoren und machen das an den zahlreichen Neubauten mit Wohnungen im hochpreisigen Segment, die in letzter Zeit hier entstanden sind.
Als Konsequenz auf die Randale gilt der Samariterkiez rund um die Rigaer mittlerweile als „kriminalitätsbelasteter Ort“, an dem die Polizei häufig ohne Anlass Personen überprüft. Davon sind nicht nur die Autonomen, sondern auch andere Anwohner genervt. Der Bezirk hat deshalb Ende November ein Dialogverfahren gestartet, das den Kiez befriedet soll.
Was wird: Das Top-Thema 2018
In Zukunft dürften Erhaltung und Neubau bezahlbarer Wohnungen wichtig bleiben. Ein Instrument ist dabei das Vorkaufsrecht, dass der Bezirk ausüben kann, wenn sich ein Wohnhaus in einem Milieuschutzgebiet befindet. Stadtrat Schmidt kündigte an, den Anteil von Schutzgebieten in Friedrichshain-Kreuzberg von circa 40 Prozent der Bezirksfläche auf 60 Prozent erhöhen zu wollen; am liebsten würde er den kompletten Bezirk unter Milieuschutz stellen. Auch beim Neubau dürfte sich etwas tun: Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) kündigte an, die Bezirke mit Prämien zu unterstützen; Schmidt hat bereits Pläne für 6693 Wohnungen, die bis 2021 entstehen könnten.
Auch bei den teils stark sanierungsbedürftigen Schulen im Bezirk soll es 2018 voran gehen: Sieben Projekte sind beim Senat zur Finanzierung angemeldet worden, außerdem ist der Neubau einer Grundschule geplant. Bereits groß gebaut wird rund um die Großarena an der East Side Gallery: Dort wächst ein neues Viertel mit Bürotürmen, Hotels, Lokalen, einem Kino und einem Einkaufszentrum – vieles davon soll 2018 fertig gestellt werden.
Ferner soll der Bezirk sicherer für Radler werden: Stadtrat Schmidt stellt derzeit 40 Projekte in einem „Radplan“ zusammen; bis März soll die Liste stehen.