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Keine Abkühlung: Trotz Bullenhitze verharren zehn Berliner Freibäder im Wintermodus. 
© Ralf Hirschberger/dpa
Update

Sommer in Berlin: Viele Freibäder bleiben trotz Hitze noch geschlossen

Die Temperatur steigt auf über 30 Grad. Aber jedes dritte Freibad in Berlin ist noch nicht geöffnet - aus Personalnot. Vor so mancher Kasse gibt es Frust.

Endlich Sommerhitze, am Sonntag mit 32,5 Grad in Berlin sogar der bislang heißeste Tag des Jahres – eigentlich ein hübscher Anlass, um sich in einem der vielen Freibäder der Berliner Bäderbetriebe zu erfrischen.

Doch viele Gäste standen am langen und vor allem sonnigen Wochenende vor abgesperrten Kassen: Von den 28 Freibädern, die die Berliner Bäderbetriebe betreiben, waren 10 noch immer geschlossen. Sieben öffnen erst am 3. Juni, eines, das Sommerbad „Spucki“ in Lichterfelde, immerhin zwei Tage zuvor, das am Neuköllner Columbiadamm jedoch erst Mitte Juni und das in Staaken gar erst am 20. Juli – also erst in acht Wochen, mit Beginn der späten Sommerferien in Berlin.

Frust vor den Kassenhäuschen

Wer kommt schon bei über 30 Grad im Schatten auf die Idee, dass ein Freibad überhaupt noch geschlossen sein könnte? Das konnte man Sonntagvormittag vor den Toren des Sommerbades Mariendorf erleben. Eine ganze Schar Eltern mit Kindern und Kühlbox strebte voller Vorfreude dem Kassenhäuschen entgegen, hinter den Sperren spiegelte sich die Sonne verlockend im Wasserbecken, die Liegewiesen waren frisch grün und gemäht – aber am Eingang hing ein Schild: Geöffnet erst ab 3. Juni. Frust in den Gesichtern. Und auch bei Twitter schimpften verprellte Badefreunde. Die Berliner Bäderbetriebe reagierten nicht auf Anrufe.

Der verspätete Öffnungstermin steht zwar auf der Website der Bäderbetriebe, aber keiner hatte zuvor draufgeguckt – zumal das Sommerbad Mariendorf im vergangenen Jahr schon Ende Mai Einlass gewährte, wie die verhinderten Badegäste berichteten. Allerdings waren 2016 die weiteren Sommermonate gleichfalls frustig, so Bianca Tchinda auf ihrem "Schwimm-Blog-Berlin" . Das Bad am Volkspark Mariendorf wurde wochenweise wieder geschlossen, angeblich wegen schlechten Wetters, der wahre Grund aber war die Personalnot der Bäderbetriebe.

Berlin fehlen die Bademeister

Im Mai 2016 genehmigte ihnen das Abgeordnetenhaus zwar 25 weitere Vollzeitstellen, vor allem für zusätzliche Bademeister. Aber bis heute ist es nach Darstellung der Bäderbetriebe wegen des „leergefegten Stellenmarktes“, des geringen Interesses an Ausbildungsstellen und der mangelnden Voraussetzungen etlicher Bewerber offenbar nicht gelungen, alle ausgeschriebenen Jobs zu besetzen. So müssen Azubis beispielsweise „rettungsfähig“ sein und einen 100-Kilo-Mann vom Beckengrund hochziehen können. Dazu bringt nicht jeder die gesundheitliche Konstitution mit.

Verspätete Öffnungszeiten sind die Folge. Außerdem schlägt sich der Mangel an Mitarbeitern im ständigen Gerangel um die Zeiten für Früh- und Spätschwimmer nieder.

Einige Bäder wie das Olympiabad in Charlottenburg und das Kreuzberger Prinzenbad sind zur Freude vieler Berufstätigen, die gerne vor oder nach der Arbeit ins Wasser springen, täglich von 7 bis 20 Uhr geöffnet. Aber die meisten Bäder kann man nur zwischen 10 und 19 Uhr nutzen. Darüber ärgern sich auch ältere Menschen, die gerne in aller Frühe oder am Abend ihre Bahnen ziehen, wenn der Trubel der Kinder und Jugendlichen noch bevorsteht oder vorbei ist.

Linke und Grüne finden die Misere "nicht mehr hinnehmbar"

Politiker der rot-rot-grünen Koalition forderten am Sonntag im Gespräch mit dem Tagesspiegel übereinstimmend für die Zukunft „nachvollziehbare, verlässliche, berlinweit standardisierte Bäder-Öffnungszeiten, und zwar spätestens etwa ab Mitte Mai.“ Auch das tägliche Zeitfenster müsse für Berufstätige und Senioren vereinheitlicht ausgeweitetet werden.

„Es kann doch nicht sein, dass ich für jedes Bad extra nachgucken muss, wann ich dort schwimmen darf – und keine dieser Angaben dauerhaft gilt, weil sich ständig etwas ändert“, sagt die sportpolitische Sprecherin der grünen Fraktion im Abgeordnetenhaus, Anja Schillhaneck. Sie könne gut verstehen, „dass vielen Nutzern der Bäder langsam der Geduldsfaden reißt“.

"Der Bäder-Entwicklungsplan muss forciert werden"

Der vom Senat und Abgeordnetenhaus eingeforderte Entwicklungsplan für die Bäder und deren Personal müsse dringend vorangebracht werden. Schillhaneck: „Das werden wir nun anpacken.“ Auch Phillip Bertram, Sport-Experte der Linken-Fraktion, beklagt, die Bäderbetriebe seien derzeit nicht in der Lage, „ihren Auftrag flächendeckend zu erfüllen“. Vor zwei Monaten bat Bertram als Abgeordneter um Auskunft, wie denn die Einstellungsoffensive vorankomme. Als Antwort bekam er, man sei noch immer nicht komplett besetzt.
Aus Bertrams Sicht ist diese Misere „nicht mehr hinnehmbar“. zumal es die gleichen Klagen und Debatten schon vor einem Jahr gegeben habe. Wenn es mit den bisherigen Werbemitteln nicht gelinge, ausreichende Kräfte einzustellen, müssten eben neue Ideen ausprobiert werden. Der Sportausschuss des Abgeordnetenhauses werde dieses Problem „grundlegend angehen“, verspricht er.

Auf den Wannsee ist Verlass

Frustszenen wie am Sonntag vor dem Sommerbad Mariendorf dürfte es die kommenden Tage öfter geben. Auch heute sollen es laut Wetterdienst Meteogroup wieder 29 Grad werden, am Dienstag noch einen Tick mehr. Auch die etwas kühleren Tage darauf mit 20 bis 23 Grad reichen für ein Bad allemal aus. Wer vor verschlossenen Freibadtüren steht, der kann sich zum Trost in der Berliner Fluss- und Seenlandschaft erfrischen. Am Sonntag meldete die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) „volle Strände“ vom Müggelsee bis zum Wannsee. Einem Schwimmer retteten die Helfer das Leben. Er hatte in der Oberhavel einen Schwächeanfall erlitten.

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