Fachkräftemangel in Ostdeutschland: Viele Brandenburger zieht es zurück zu Mama
In vielen Städten der Region wird dieser Tage um den gut ausgebildeten Nachwuchs geworben. Dafür gibt es jetzt auch mehr Fördergeld
Weihnachten sind sie zuhause. Jedenfalls viele der verlorenen Landeskinder, die vor allem in den 90er Jahren, aber auch noch in den 2000ern der Arbeit hinterher zogen: als Kellner in die Gastronomie, als Ingenieure oder IT-Spezialisten in die Autoindustrie in Bayern, Baden-Württemberg oder Niedersachsen. Auch Anja K. und ihr Freund Hannes L. aus Elsterwerda gingen vor zwölf Jahren in den Westen. Er als Automechaniker, sie als Krankenschwester: „Ich habe in Rosenheim doppelt so viel verdient, für die gleiche Arbeit“, sagt Anja K. Bei ihrem Freund war der Unterschied nicht ganz so groß, aber immer noch enorm. Obwohl sich das gar nicht so dramatisch verändert hat, überlegen die beiden, ob sie nicht in ihre Heimat zurückkehren. „Der Hauptgrund sind unsere beiden Kinder“, sagt Anja K.: „Es wäre schön, wenn sie in der Nähe von Oma und Opa leben könnten, die sie auch aus der Kita oder der Schule abholen und am Nachmittag betreuen könnten. Aber es geht auch um Freunde und Nachbarn und unsere Art zu leben.“
Das hört man von vielen jungen oder nicht mehr ganz so jungen Menschen, die zu den Feiertagen zurück nach Brandenburg kommen. Rückkehrer-Initiativen nutzen diese Zeit: auch in diesem Jahr gab es am 27. Dezember wieder Job- und Rückkehrer-Börsen in mehreren Städten des Landes wie Cottbus und Guben.
Fünftelmilliarde für die Rückkehrer
Hier hatte Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bereits vor vier Wochen auf einer Fachveranstaltung zu Rückkehr und Zuzug mit der Initiative „Guben tut gut“ und dem Netzwerk „Ankommen in Brandenburg“ angekündigt, dass die Landesregierung weiterhin entsprechende regionale Initiativen unterstützen wird.
Am Freitag teilte Staatssekretär Thomas Kralinski (SPD) in Guben mit, dass die Gesamtfördersumme von jetzt 200 000 auf 230 000 im Jahr 2019 ansteigen werde. Außerdem sollen ab dem 1. Januar 2019 überarbeitete Fördergrundsätze gelten, die eine Höchstförderung von 40 000 Euro pro Einzelprojekt vorsehen.
Profitieren können davon auch Initiativen wie die „Willkommensagentur Comeback Elbe-Elster“. Auf ihrer Homepage sprechen die Mitarbeiter ihre Klientel direkt an: „Sie wollen nach Jahren zurück in die Heimat? Sie haben das Pendeln satt? Sie wollen ihre Kinder bei Oma und Opa aufwachsen sehen?“
Nach einer auf der Fachveranstaltung in Guben vorgestellten Befragung von Rückkehrern in den Städten Wittstock/Dosse, Guben und Finsterwalde sind die verbliebenen Bindungen an die Heimat und die sozialen Netze enorm wichtig für jede Rückkehrentscheidung: Nähe zur Familie, das persönliche Umfeld und Betreuung oder Unterstützung von Angehörigen sind die entscheidenden Gründe dafür.
Mehrheit bereut Rückkehr nicht
Laut Befragung haben 90 Prozent der Rückkehrer ihre Entscheidung nicht bereut. Allerdings gibt es keine Statistik, wie viele Menschen insgesamt als Rückkehrer nach Brandenburg kommen. Es sind in jedem Fall immer noch zu wenige, um die nahezu 800 000 Menschen, die Brandenburg seit 1990 verlassen haben, zu ersetzen.
Experten halten die regionalen und kommunalen Initiativen dennoch für einen effektiven Weg. Er funktioniere auf jeden Fall besser als eine einmalige Rückkehrprämie.
„Wir haben auch auf unserem diesjährigen Rückkehrer-Tag am 27. Dezember auf ein Gesamtpaket gesetzt“, sagt der Sprecher der Stadt Cottbus, Jan Gloßmann: „Dabei geht es um Kita- und Schulplätze, Wohnungsangebote – überhaupt die gesamte Infrastruktur.“
Etwa 50 sogenannte Anbahnungen habe es in diesem Jahr gegeben, sagt der Sprecher. Wie viele davon erfolgreich sein werden, erfahre man leider nicht.
Bei Anja K.und ihrem Lebensgefährten hat es am Ende nicht geklappt: „Das lag vor allem an den Arbeitgebern“, sagt sie. „Wir hatten uns zwar auf finanzielle Einbußen eingestellt, aber nicht auf solche massiven. Hinzu kam, dass man unsere in Bayern gemachten Abschlüsse nicht anerkannte und überhaupt wenig Entgegenkommen zeigte.“
Das sei der Punkt, an dem man leider nichts mehr machen könne, heißt es bei kommunalen und regionalen Initiativen: Wenn Firmen dauernd ihren Arbeitskräftemangel beklagten, aber nicht bereit seien, den Bewerbern finanziell entgegenzukommen, nutze auch das schönste Gesamtpaket nichts. Dann kämen die jungen Leute eben nach wie vor nur für Weihnachten und anderen Feiertagen nach Hause.