Sakrileg für viele Berliner: Viel Widerstand gegen einen Zaun um den Görli
Parks nachts zu schließen, hat einige Vorteile, sagt Grün Berlin-Chef Christoph Schmidt. Doch in der ehemaligen Mauerstadt Berlin habe Zäune keine Lobby.
Der Vorschlag von Innenstaatssekretär Torsten Akmann (SPD), den Görlitzer Park einzuzäunen und nachts abzuschließen, war nicht nur ein persönlicher Einfall. Der Vorschlag sei mit Innensenator Andreas Geisel (SPD) abgestimmt, sagte sein Sprecher Martin Pallgen am Dienstag.
Gleichzeitig relativierte er die umstrittene Zaun-Lösung. „Es ist ja nicht so, dass der Görlitzer Park bis dato nicht umzäunt oder von einer Mauer umfasst gewesen ist. Der Vorschlag zielt darauf ab die schadhaften Stellen instandzusetzen, um so den einfachen Zutritt zu verhindern.“ Mit einer nächtlichen Schließung werde man „nicht den Drogenhandel auf Null bringen, wir haben aber das Ziel, die Begleitkriminalität des Drogenhandels zu reduzieren“ – also die Gewalttaten.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, die Grünen und die FDP sind gegen den Zaun. Entzündet hat sich die Diskussion an der offensichtlichen Ohnmacht der Behörden, die Drogenkriminalität im Park einzudämmen.
Trotz diverser Vorstöße in den vergangenen Jahren. Schon 2015 hatte der Kreuzberger SPD-Politiker Volker Härtig gefordert, den Park nachts zu schließen, um den Drogenhandel einzudämmen, zwischen Mitternacht und sechs Uhr, zunächst probeweise für zwei Jahre.
„Ein Aufenthalt im Park in dieser Sperrzeit könnte mit Ordnungsgeldern zwischen 50 und 100 Euro sanktioniert werden", sagte Härtig damals dem Tagesspiegel. Einen Zaun wollte Härtig nicht bauen, weil viele Verbindungswege für Radfahrer und Fußgänger durch den Park führen. Sein Vorschlag versandete trotzdem.
Berlin gilt als offene Stadt, der Freiheit verpflichtet
Lorenz Rollhäuser ist Sprecher des Parkrats und Anwohner. Auch er kann sich eine nächtliche Schließung kaum vorstellen. Bevor über Zäune geredet werde, sollte erstmal das 2016 vom Bezirk beschlossene Handlungskonzept vollständig umgesetzt werden. Zwar gebe es einen Parkmanager und Parkläufer, aber aufsuchende Sozialarbeit, wie im Konzept beschlossen, eben nicht.
Sozialarbeiter sollten die Dealer - viele von ihnen sind abgelehnte Asylbewerber - in Hilfsprojekte und Ausbildungen vermitteln. Auch die "kulturelle Belebung" der Randbereiche, etwa mit Sportveranstaltungen, sei nie umgesetzt worden, weil der Senat dafür kein Geld bereitstelle. Rollhäuser empfindet die Situation derzeit als belastend. Es gebe mehr Obdachlosigkeit und Verwahrlosung im Park, zudem würden einige Dealer selber Drogen nehmen und sich entsprechend benehmen.
Man ist ein bisschen hilflos, aber Rufe nach mehr Repression sind wahnsinnig vereinfachend.
Lorenz Rollhäuser, Sprecher des Parkrats
Der Görlitzer Park war früher eine ummauerte Bahnanlage, erst die Umgestaltung zum Park öffnete das verwilderte Gelände für alle Berliner. Jetzt einen neuen Zaun zu bauen, dessen Tore nachts geschlossen werden, wäre für viele Kreuzberger ein Sakrileg. Berlin gilt als offene Stadt, der Freiheit verpflichtet.
Zäune und Tore erinnern an die Mauerzeit, sind daher nur schwer vermittelbar. Sogar Paris, das seine Parks intensiver schützt als Berlin und derzeit sogar versucht ein Rauchverbot durchzusetzen, öffnet im Sommer viele innerstädtische Parks nachts für Touristen und Pariser.
Umzäunte Parks gibt es in Berlin nur dort, wo die Umfriedung von Anfang an dazugehörte. Der Britzer Park war mal eine Bundesgartenschau und kostet heute noch Eintritt. So ist es auch bei den Gärten der Welt in Marzahn. Das Tempelhofer Feld war mal ein Flughafen mit entsprechendem Absperrzaun. Weil er schon mal da war, ließ man ihn einfach stehen - die Proteste dagegen hielten sich in Grenzen.
In den Anfangsjahren des Parks sei der Zaun noch ab und an zerschnitten worden, doch das habe sich gelegt, sagt Grün Berlin-Chef Christoph Schmidt. Der Zaun und die nächtliche Schließung der Parkeingänge helfe gegen Vandalismus und nächtliche Partygelage. Auch Drogenhandel sei kein Thema im größten Park Berlins. Zum Görlitzer Park, für den er nicht zuständig ist, möchte sich Schmidt nicht äußern.
Schließungen helfen gegen Vandalismus und Partygelage
Zuständig ist Grün Berlin aber im Gleisdreieck-Park, ebenfalls eine ehemalige Bahnanlage ohne Zaun. Eine nächtliche Schließung würde auch hier gegen Vandalismus, Partygelage und Vermüllung helfen, ist sich Schmidt sicher.
Ohne Zaun sei der "Aufwand größer". Drogendealer versuchten, von der Yorckstraße aus auch im Park ihre Geschäfte abzuwickeln. "Wenn Parkguides das beobachten, gehen sie dagegen vor, rufen auch die Polizei, wenn es nicht anders geht." Guides seien auch nachts im Park unterwegs.
CDU-Fraktionschef Burkard Dregger findet nicht nur eine Nachtruhe für den Görlitzer Park richtig, er fordert auch die Rückkehr zur Null-Toleranz-Politik des ehemaligen Innensenators Frank Henkel (CDU).
Weil es damals aber zu einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen Dealern und der Polizei gekommen war, sollte eine mobile Wache eingerichtet werden, also eine Dauerpräsenz der Polizei im Park, am besten noch ergänzt durch eine Absenkung der tolerieren Menge Marihuana für den Eigenbedarf und verdeckte Ermittler, um Dealer konkret überführen zu können.
Mobile Wache? "Eine gute Idee"
Die Berliner Gewerkschaft der Polizei findet die mobile Wache "ein gute Idee", ansonsten hält GdP-Landesvorsitzender Norbert Cioma wenig von Dreggers Vorschlägen. Null-Toleranz habe nur zu einer Verdrängung in die anliegenden Wohngebiete geführt. Dort könnten dann neue Revierkämpfe ausbrechen. Cioma wünscht sich dagegen eine "einheitliche Drogenpolitik für die gesamte Stadt".
Im Görlitzer Park sollte man eher mit Sozialarbeitern agieren, den Dealern konkrete Job-Aussichten und eine Bleibeperspektive anbieten. In etwa mit dieser Ansage: Entweder Knast und Abschiebung oder Ausbildung und Job.