Tag der offenen Tür: Viel Vergnügen im Tagesspiegel-Verlagshaus
Leser neugierig, Lesungen voll, Kinder bester Laune: So war der Tag der offenen Tür beim Tagesspiegel am Askanischen Platz.
Am Eingang ist der Chef. Florian Kranefuß, Tagesspiegel-Geschäftsführer, verteilt persönlich die praktischen Flyer, mit denen sich der Weg durchs geografisch vertrackte Verlagsgebäude finden und planen lässt. Schwellen außer den real existierenden soll es nicht geben, dafür aber eine familiäre Atmosphäre, in der die Leser auch gleich die Stargäste sind. Wer sich, als Mitarbeiter kenntlich gemacht, durchs Gewühl der insgesamt etwa 5000 Besucher bewegt, der hört beruhigend oft die Frageeinleitung: „Ich bin jetzt seit 30 Jahren Abonnent...“, gefolgt von viel Lob, fundierter Kritik und vielen Fragen: „Sagen Sie mal, was ich schon immer mal wissen wollte...“. Die Absicht des Chefs, vorn am Eingang auch gleich die Vorzüge eines Abonnements zu erläutern, lief jedenfalls weitgehend ins Leere: Wissen wir doch, haben wir schon längst.
Viel jünger als der Tagesspiegel ist die werdende Tradition des Tags der offenen Tür am neuen Verlagsstandort am Askanischen Platz. Doch schon in diesen paar Jahren haben sich die Akzente verschoben: Die Arbeit der Online-Redaktion nimmt einen viel größeren Raum ein, es gibt plötzlich eine erstaunliche Zahl neuer Magazine wie „Köpfe“ und „Genuss“, es gibt „Agenda“, „Mehr Berlin“ und „Morgenlage“, und irgendwie scheint es auch, als habe die Zahl der Bücher zugenommen, die von den Redakteuren und Mitarbeitern der Zeitung geschrieben wurden und insofern kategorisch nach einer Lesung mit anschließender Signierstunde verlangen.
Großer Andrang bei Kolumnistin Hatice Akyün
Auf Grundlage einer Geschichte unserer Kolumnistin Hatice Akyün wurde unlängst der Film „Hans mit scharfer Sauce“ gedreht, der in Häppchen am Sonnabend auch zu sehen war – mal sehen, wie sich dieses Thema in den kommenden Jahren weiterentwickelt. Akyüns Lesung aus dem demnächst erscheinenden Buch „Verfluchte anatolische Bergziegenkacke“ war jedenfalls schon so gefragt, dass der mit etwa 200 Plätzen nicht unbedingt kleine Saal schon eine Stunde vor Beginn gut gefüllt war.
Es liegt in der Natur solcher Veranstaltungen, dass ihre alljährliche Wiederholung auch Stammgäste erzeugt, die sich langsam auch untereinander kennenlernen. Dafür, dass hier kein geschlossenes Insider-Kränzchen wächst, stehen aber die vielen Kinder, die vielleicht nur mal neugierig mitgehen und dann rasch Spaß an den Angeboten finden, die das auf vielen Informationstafeln quer durchs Haus versteckte Rätsel lösen – und hinterher zur Entspannung vielleicht auf dem Hof versuchen, einen Ball unter sachkundiger Anleitung eines Profis der „Berlin Recycling Volleys“ in der Tonne zu versenken.
Wer sich intensiver ins Thema versenken wollte, der konnte nach dem Vorbild des „Kinderspiegels“ an einer eigenen Zeitung mitwirken. Vermutlich werden diejenigen, die am Sonnabend ihre Spuren in dieser Arbeit hinterlassen haben, in ein paar Jahrzehnten die Führungsmannschaft des Tagesspiegels sein.
Tagesspiegel-Chor sang zur Eröffnung
Das Grundprinzip der Veranstaltung: Wir vom Tagesspiegel zeigen, was wir so können, aber holen auch andere, die was anderes können. „Stormy Weather“ sang der Chor von Verlag und Redaktion eingangs mit deutlicher Kritik am dunklen Gewölk, und er verdiente sich damit viel Beifall. Später zeigten die Profis vom Orchester der Deutschen Oper, was sie so machen, wenn sie den Orchestergraben hinter sich lassen: Ziemlich inspiriert durch die Klassiker von Jazz und Blues federn, und zwar so, dass niemand über einen Mangel an Seele und Swing lästern kann. „Rübe“ nennen sie ihren Drummer, das klingt absolut nicht nach Partitur und Generalmusikdirektor.
Um noch einmal aufs Amateurwesen zurückzukommen: Der Betriebsrat, der sich von Außenstehenden naturgemäß selten in die Karten gucken lässt, hatte die Ausstattung der Kaffeetafel übernommen und eine Vielzahl verschiedener Kuchen und Torten, nein, nicht gekauft, sondern selbst gebacken. Und Alfons Frese, der Vorsitzende, konnte eigentlich schon zu Beginn der ortsüblichen Kaffeezeit verkünden, dass alles verkauft und gegessen war, Marmorkuchen, Apfel, Aprikose, ganz egal.
Neu war in diesem Jahr die Verbindung dieser Veranstaltung mit der „Fête de la musique“, die dann auch gleich am frühen Abend das Programm fortsetzte, mit A-cappella-Gesang, mehreren Bands. Es hätte vermutlich ein langer Abend werden können, wären da nicht dieser gemeine Regenguss und jene große Sportveranstaltung in Brasilien, die nach 20 Uhr dann doch ein gutes Stück Aufmerksamkeit für sich beanspruchen sollte. Warten wir auf 2015: Dann gibt es wohl wieder einen Tag der offenen Tür, aber garantiert ganz ohne Fußball-WM.
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