zum Hauptinhalt
Neue Ordnung braucht das Land. Wie auf dem Reißbrett geplant sieht diese Feldlandschaft bei Schönfließ nahe Frankfurt (Oder) aus.
©  Patrick Pleul/dpa

Landtag Brandenburg: Verwaltungsreform: Der Tag der Entscheidung

Das Parlament im Brandenburg entscheidet am Mittwoch über einen Neuzuschnitt des Landes. Die Abstimmung ist eine Bewährungsprobe für Ministerpräsident Woidke.

Ginge diese Abstimmung schief, müsste Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wohl seinen Posten räumen: Am Mittwoch stimmt der Landtag im aufgebauten Potsdamer Stadtschloss über die Kreisgebiets- und Verwaltungsstrukturreform ab, mit der das Land in seinem inneren Aufbau grundlegend verändert werden soll. Es ist vor allem Woidkes Reform. Er setzt sie auch gegen Widerstände in den eigenen Reihen durch. Denn das zentrale Projekt der rot-roten Regierung in dieser Legislaturperiode ist umstritten – so wie einst in Berlin die Bezirksreform. Die Pläne gehen über neue Kreisgrenzen hinaus. Denn auch die Kompetenzen, die Aufgaben zwischen Land und Kommunalebene sollen neu aufgeteilt werden sollen, was in Berlin seit Jahren diskutiert, aber bisher nicht angepackt wurde. Ein Überblick.

GROßKREISE STATT KLEINSTAATEREI

In Brandenburg, einem der größten Flächenländer der Bundesrepublik, gibt es derzeit noch 14 Landkreise und vier kreisfreie Städte. Diese Struktur stammt bereits aus dem Jahr 1993, als es die letzte Kreisreform gab. Diskutiert wird über einen Neuzuschnitt bereits seit der Jahrtausendwende.

Brandenburgs frühere Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) war vor dem unpopulären Projekt aber immer wieder zurückgeschreckt. Brandenburg ist eins der letzten Länder in Ostdeutschland, das eine solche Reform anpackt. Die Zahl der Kreise soll auf künftig maximal zehn Gebietskörperschaften reduziert werden. So hatten es SPD und Linke 2014 im Koalitionsvertrag beschlossen.

Bei der heutigen Abstimmung geht es noch nicht über Brandenburgs neue Landkarte. Zunächst werden „Leitlinien“ mit den entscheidenden Parametern für die Reform verabschiedet: So wird festgelegt, dass die neuen Großkreise nicht größer als 5000 Quadratkilometer sein dürfen. Zum Vergleich: Das Saarland ist halb so groß. Zum anderen sollen die neuen Kreise in der Regel mindestens 175 000 Einwohner haben, nur in Ausnahmen maximal 150 000 Einwohner. Am umstrittensten ist, dass die Städte Frankfurt/Oder, Brandenburg an der Havel und Cottbus ihre „Kreisfreiheit“ verlieren, in neuen Regionalkreisen aufgehen sollen. Sie sollen mehr Geld erhalten und teilweise entschuldet werden. Rot-Rot investiert in die Reform rund 600 Millionen Euro. Auf der anderen Seite sollen Landesbehörden teilweise kommunalisiert werden.

DIE BEGRÜNDUNG

Als Hauptgrund wird die demografische Entwicklung angeführt, die insbesondere in den berlinfernen Regionen nach allen Prognosen weiterhin zu einem starken Bevölkerungsrückgang führt. Im Jahr 2030 wird danach jeder zweite Brandenburger im Berliner Speckgürtel leben, auf zehn Prozent der Landesfläche. Die Herausforderung besteht darin, auch künftig landesweit gleichen Bürgerservice, gleiche Professionalität in den Verwaltungen zu sichern, heißt es. Ein anderes Argument ist das Auslaufen des Solidarpakts im Jahr 2019. Allerdings haben Woidke und seine Koalitionäre vermieden, die Reform als Sparprojekt zu verkaufen.

NUR EINE STIMME MEHRHEIT

Die rot-rote Koalition hat im Landtag 47 Abgeordnete, nur eine knappe Mehrheit von drei Stimmen. Nach Probeabstimmungen standen am Dienstag die rot-roten Reihen. Die Fraktionschefs Mike Bischoff und Ralf Christoffers verkündeten, dass es jeweils eine Enthaltung in den Fraktionen geben wird. Abweichler, besonders in der SPD, sind umgefallen.

Dabei hatten sich noch Ende 2015 vor allem der frühere Innenminister Ralf Holzschuher aus Brandenburg an der Havel und die Cottbuser Abgeordnete Martina Münch (beide SPD) gegen die geplante Einkreisung der kreisfreien Städte stark gemacht. Münch ist seit Mai Wissenschaftsministerin. Schon da war gemutmaßt worden, dass so auch - durch die Einbindung in die Kabinettsdisziplin - eine Stimme gesichert wird. Die Grünen halten die Reform für nötig, sie wollen sich aber – wegen Bedenken in Details – enthalten.

DIE GEGNER

Im Landtag lehnen die CDU, die AfD und die Freien Wähler die Reform ab. Das Nein der CDU ist besonders ungewöhnlich. In anderen Bundesländern war es meist die Union, die etwa in Sachsen solche Gebietsreformen vorangetrieben hat. „Es ist die falsche Therapie für Brandenburg“, sagt Partei- und Fraktionschef Ingo Senftleben.

Die Union plädiert - so hat es auch ein Landesparteitag einstimmig beschlossen - für die bisherigen Strukturen (14 plus 4) und für freiwillige Kooperationen und Zusammenschlüsse statt Zwangsfusionen. Bestätigt sieht sich die Union durch massive Kritik der Kreise und Kommunen an der geplanten Reform – von allen Landräten und Oberbürgermeistern, auch denen mit SPD- Parteibuch. Und durch ein jüngst publik gewordenes Gutachten der Kommunalebene des Innenministeriums selbst vom Januar 2016, dass einen „Neustart“ für die Reform gefordert hatte - wegen handwerklicher Defizite in den Leitlinien.

NEUE KREISE 2019?

Nach der Verabschiedung der Leitlinien durch den Landtag kann das Innenministerium die künftige Kreislandkarte Brandenburgs zeichnen oder aus den Schubladen holen. Es läuft wohl auf elf Gebietskörperschaften hinaus, die Landeshauptstadt Potsdam als künftig einzige kreisfreie Stadt und zehn Großkreise.

Denn nicht alle werden betroffen sein: So werden teilweise im Speckgürtel liegende Wachstumskreise wie Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming oder Dahme-Spreewald bestehen bleiben wie sie sind. Durch Fusionen entstehen könnten neue Regionalkreise Prignitz/Ostprignitz-Ruppin, Barnim/Uckermark oder Elbe Elster/Oberspreewald-Lausitz. Die dafür nötigen Gesetze sollen bis Ende 2017 fertig, spätestens 2018 beschlossen sein. Die Reform soll 2019 in Kraft treten, so dass die Kommunalwahl im Frühjahr 2019 bereits in den neuen Gebietsgrenzen stattfinden könnte - und vor der Landtagswahl im Herbst 2019 durch ist. Allerdings müssten dafür noch die nächsten Hürden genommen werden - eine Verfassungsklage und ein Volksbegehren.

Zur Startseite