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Hütchenspiel. Johannes Schneider hat in der Elternzeit Musikvideos gedreht, Karin Christmann hat außer der Babypflege einfach mal gar nichts gemacht.
© Doris Spiekermann-Klaas

Elternzeit - der kleine Unterschied: „Vermisst du dein Kind auch so?“ „Och ...“

Karin Christmann und Johannes Schneider haben gleichzeitig ein halbes Jahr Elternzeit genommen. Ihre Erfahrungen könnten kaum unterschiedlicher sein. Ein Spielplatzgespräch.

Johannes: Karin, ich bin während meiner Elternzeit ständig bewundert und beneidet worden, weil ich Elternzeit mache. Fanden dich auch alle so toll?

Karin: Falls ja, haben es die Neider und Bewunderer erfolgreich für sich behalten. Dafür kann ich jetzt mit meinem Freund angeben, der sechs und später noch mal zwei Monate Elternzeit nimmt. Donnerlüttchen. Das begeistert die vielen Leute, die mich ganz vorsichtig fragen, wo denn das Baby tagsüber untergebracht ist. Und bei dir? Nur Bewunderung – oder auch ungebetene Ratschläge?

Johannes: Das mit den ungebetenen Ratschlägen hatte ich mir vorher deutlich schlimmer vorgestellt. Was mich in der Realität eher genervt hat: dass du immer automatisch für die Mutter beider Kinder gehalten wurdest, wenn wir gemeinsam unterwegs waren. Also: dass die Leute eher an ein biologisches Wunder geglaubt haben – eine Mutter mit sichtbar verschieden alten Babys – als an einen Vater allein mit Kind. Aber sonst wurde ich, glaube ich, eher als besonders kompetent eingeschätzt. Nach dem Motto: Wer sich das zutraut, der weiß genau, was er tut.

Karin: Echt? Die sprichwörtliche alte Omi, die auf der Straße schimpft, mein Kind sei zu dünn angezogen, ist mir tatsächlich schon begegnet. An Ratschlägen mangelt es auch sonst nicht. Dabei tue ich doch das Gleiche wie du: mein Bestes.

Johannes: Ich hatte natürlich einen großen Vorteil: Als Vater steigt man ja selbst bei fairer Zweiteilung in der Regel später in die Elternzeit ein. Das Kind ist im zweiten halben Jahr wacher, man kann sein Interesse lenken, hat mehr Möglichkeiten, Geschrei zu begegnen.

Karin: Stimmt, da beginnt der schönste Trubel. Daher ist die Frage, wie die Elternzeit fair aufzuteilen ist, gar nicht so leicht zu beantworten. Vorher fand ich 50/50 fair. Jetzt bin ich nicht mehr sicher.

Johannes: Fairness ist ja sowieso so ein Thema. Ich bin in der Elternzeit ständig nach meinen Projekten gefragt worden! Das war ganz selbstverständlich: Du bist ein Mann, du bist Journalist, du hast frei – welches Buch schreibst du? Ich wollte mich dem nicht beugen, habe dann aber aus Laune irgendwie doch ein paar Sachen gemacht: auf Twitter über die #elternzeit geschrieben, außerdem Musik gemacht und bei Youtube hochgeladen. Mütter haben da weniger Ambitionen, scheint mir, auch, weil es niemand von ihnen erwartet, eher im Gegenteil. Hast du dich irgendwie unter Druck gefühlt?

Karin: Ganz ehrlich: Nö. Liegt aber vielleicht auch an meiner sentimentalen Ader. Mit kleinem Baby, das rasant dazulernt, spürt man sehr deutlich, wie die Zeit verrinnt. Ich hatte wohl das Gefühl, wenigstens dieses halbe Jahr verteidigen zu wollen. Weil mit meiner Auszeit ein Gefühl von „weniger“ verbunden war, im Vergleich zu anderen Müttern aus dem Rückbildungskurs. Die Väter hingegen, die mehrere Monate Elternzeit nehmen, starten bestimmt mit einem großen „Mehr“-Gefühl in die Babyzeit.

Johannes: Stimmt. Zumal einem ja AUSNAHMSLOS alle Väter, die weniger oder gar keine Elternzeit nehmen, ungefragt erklären, warum für sie mehr „nun wirklich nicht drin“ ist. Aber jetzt noch mal zu etwas anderem: Wie hast du eigentlich die Rückkehr an den Arbeitsplatz erlebt?

Karin: Vor der Geburt hätte ich mir nie vorstellen können, dass mir mein Kind tagsüber so fehlen würde. Ich trage ein großes babyförmiges Luftloch mit mir herum. Aber war das nicht für dich als Papa auch schlimm? Du musstest ja schon kurz nach der Geburt zurück zur Arbeit.

Johannes: Och ...

Karin: Du Glücklicher!

Johannes: Nein, es war viel schwerer als gedacht. Gerade das Informelle: Ich wollte immer nur über das Kind sprechen, die anderen aber nicht nerven. Da sitzt man dann in der Kantine, schweigt und alles ist falsch.

Karin: Ich könnte auch den ganzen Tag vom Baby schwärmen. Aber die Menschen haben doch tatsächlich andere Dinge im Kopf. Verblüffend.

Johannes: Hat man immerhin seine Ruhe!

Karin: Na ja. Erstaunlich viele Mitmenschen, Mütter vorneweg, haben mich vor allem vor der Geburt gefragt, ob ich mir das gut überlegt habe. Oder gleich gesagt, dass das nicht funktioniert. Zack, da schnappt die Rabenmutter-Falle zu.

Johannes: Und? Sitzt du jetzt in der Falle?

Karin: Nein, es funktioniert prima, wenn man ehrlich der Meinung ist, dass der Papa genauso zuständig und genauso kompetent ist. Wenn man dem Baby seinen Vater gönnt und umgekehrt. Wenn man seinen Job mag. Und zu den Leuten gehört, bei denen auch mal die innere Stimme der Vernunft durchgreift, wenn die Mutterhormone eine Palastrevolte anzetteln. Uff, ganz schön viele Wenns...

Johannes: Wenn Frau nur beim Kind bleibt, weil Frau das halt so macht, und wenn Mann arbeiten geht, weil Mann halt arbeiten geht, und wenn man sich dann als Paar entfremdet, weil ein Partner die Welt des anderen nicht kennt, dann sind das auch viele Wenns!

Karin: Da sprichst du noch was Wichtiges an! Wir haben ja erst vor einigen Wochen Rollen getauscht, aber den friedensstiftenden Effekt geteilter Elternzeit merke ich ganz eindeutig: Ich habe vollstes Verständnis für Unordnung. Und er hat vollstes Verständnis für Müdigkeit nach Feierabend. Aber gibt’s denn auch Nachteile?

Johannes: Mal so für mich: Das Geld wurde am Ende knapp. Ich habe keine Ahnung, was mir im Job entgangen ist. Ansonsten war es vollzeit-anstrengend, aber super. Auch zu merken, dass man nicht verschwindet, wenn man grad beruflich nicht wahrgenommen wird.

Karin: Bei mir bleiben trotzdem Zweifel. Etwa, ob mein Baby sich nicht doch wundert, warum Mama tagsüber weg ist.

Johannes: Vielleicht ist es vatertypisch, diese Hybris nicht zu haben: dass das Kind nur bei mir Geborgenheit erfahren kann. Jetzt ist es in der Kita – und am Wochenende ruft es: „Kita! Kita!“ Kann also auch nicht so schlimm sein. Wir müssen aber noch auf die große Frage zurückkommen: Was ist nun eine faire Aufteilung der Elternzeit auf beide Partner?

Karin: Ich würde sagen, so ganz grundsätzlich, unabhängig vom Einzelfall: Das erste Jahr wird 50/50 aufgeteilt. Und die beiden Bonusmonate, die viele Väter als einziges nehmen, bekommt die Mutter – als kleine Entschädigung für ganz schön viel Unschönes, von dem sie sich erholen muss.

Karin Christmann, Johannes Schneider

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