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Unter Hochspannung. Seit Monaten knistert’s in der Berliner Landesregierung wegen der Zukunft des Berliner Stromnetzes.
© imago

Heilmann attackiert Nußbaum: Verfahren um Stromnetzvergabe verzögert sich weiter

Die Stromnetzvergabe verzögert sich, die Finanzverwaltung muss nacharbeiten. CDU und SPD streiten um die Rolle der Senatoren Nußbaum und Heilmann - es geht noch immer um eine mögliche Befangenheit.

Das Verfahren um die Vergabe des Berliner Stromnetzes muss zwar nicht neu aufgerollt werden. Es wird sich jedoch verzögern. Wie berichtet, wird Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) den Senat am heutigen Dienstag im vertraulichen Teil über eine Änderung des so genannten zweiten Verfahrensbriefes informieren. Darüber abgestimmt wird nicht, da der geänderte Verfahrensbrief noch gar nicht vorliegt. Für das Verfahren bedeutet diese Zurücksetzung, dass die drei verbliebenen Bieter, das landeseigene Unternehmen Berlin Energie, die Vattenfall-Tochter Stromnetz Berlin GmbH, und die Genossenschaft Bürger Energie, aufgefordert werden, erneut ein erstes unverbindliches Angebot auf Basis des zweiten Verfahrensbriefes mit Anforderungen und Kriterien abzugeben. Im dritten Verfahrensbrief werden dann finale Angebote abgegeben.

Laut vertraulicher Vorlage des Finanzsenators Nußbaum, die dem Tagesspiegel vorliegt, wird das Konzessionierungsverfahren „in den Stand zum Zeitpunkt vor der Kriterienfestlegung zurückversetzt“. Bisher fehlte eine Auflistung bewerteter Unterkriterien, die der Bundesgerichtshof und das Oberlandesgericht Düsseldorf in entsprechenden Urteilen für ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren als zwingend voraussetzen. „Das Verfahren wird bis zu dem Zeitpunkt zurückgesetzt, an dem der Fehler aufgetreten ist“, sagte Thomas Wolf, Rechtsanwalt für Energierecht bei der bundesweit tätigen Kanzlei Rödl & Partner.

Ein Beispiel: Wenn in den Kriterien der Oberbegriff Versorgungssicherheit mit 100 Punkten gewichtet wird, müssen auch die Unterpunkte wie zum Beispiel Investitionen, Unterbrechungshäufigkeit, Instandhaltungsintervalle oder Mitarbeiterzahl mit Punktwerten versehen sein. Das fehlte jedoch bisher in dem zweiten Verfahrensbrief.

Heilmann: "Nußbaum flattern die Nerven"

Für deutlichen Ärger in der CDU sorgt der erste angeführte Punkt in Nußbaums Besprechungsunterlage: die Beteiligung von Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) bei den Abstimmungen über das Konzessionierungsverfahren Strom und Gas. Dies habe „sowohl im Abgeordnetenhaus als auch in der öffentlichen Wahrnehmung zu Diskussionen geführt“, schreibt Nußbaum. Und es „besteht die Besorgnis“, dass Bieter ein „Mitwirkungsverbot“ des Justizsenators „auch bereits für die Vergangenheit“ geltend machen würden. Nußbaum führt erneut die Beteiligung von Heilmann über eine Holdinggesellschaft an der Ampere AG an. Diese habe „gegen eine Provision“ Kunden an Vattenfall vermittelt.

Nußbaum „flattern die Nerven, weil er aufgrund des SPD-internen Streits nicht weiß, ob er in wenigen Wochen noch Finanzsenator ist“, sagte CDU-Generalsekretär Kai Wegner. Der Finanzsenator verhalte sich „wie ein Ertrinkender, der wild um sich schlägt“. Es sei „schlechter Stil, von eigenen Verfahrensfehlern durch vorgeschobene Scheinargumente ablenken zu wollen“. Ginge es tatsächlich um eine „angebliche Befangenheit“, würde Nußbaum wohl kaum den Verfahrensbrief massiv ändern. Er suche „einen Sündenbock, um die eigene Haut zu retten“. Die CDU erwarte vom zukünftigen Regierenden Bürgermeister, „dass diese Art des Umgangs in der Koalition ein Ende findet“.

Wie Klaus Wowereit zur Frage der Befangenheit steht

Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) und Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) geraten wegen der Netzvergabe weiter unter Druck.
Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) und Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) geraten wegen der Netzvergabe weiter unter Druck.
© dpa

Auch wenn das Wort „Befangenheit“ nicht in der Vorlage auftaucht: Nußbaum sprach öffentlich von einem „Befangenheitsgefühl“ des Justizsenators. Das dementierte Heilmann stets. Er sagte in der letzten Parlamentssitzung, zwischen 2012 und 2014 seien keine Verträge zwischen der Ampere AG und der Gasag abgeschlossen worden. Und: „Es floss kein Cent.“ Ampere handelt für kleinere und mittlere Unternehmen im Paket Rabatte bei Gas- und Stromanbietern aus. Von der Ersparnis zahlen die abnehmenden Unternehmen, nicht die Energieversorger, eine Provision von 25 Prozent an Ampere. „Die Frage, wer Eigentümer eines Gas- oder Stromnetzes ist, ist völlig irrelevant“, heißt es aus Senatskreisen. Deshalb könne Heilmann abstimmen.

Aachen ist das Musterbeispiel

Wie berichtet, hatte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) Heilmann aber schriftlich gebeten, „von einer Beteiligung an den weiteren Entscheidungen zur Stromkonzession abzusehen“, um auch nur den Anschein einer unzulässigen Einflussnahme zu vermeiden. Von Seiten der Senatskanzlei gebe es jedoch „keinen konkreten Vorwurf der Befangenheit“, hieß es dort am Montag deutlich.

Nußbaum schreibt, eine Änderung des zweiten Verfahrensbriefs habe keine Auswirkungen auf das Gas-Konzessionsverfahren. Wie berichtet klagt die unterlegene Gasag AG gegen das Land wegen der Vergabe des Gasnetzes an das landeseigene Unternehmen Berlin Energie. Sollte das zuständige Landgericht rechtliche Bedenken haben, könnte laut Jurist Wolf das Verfahren noch einmal aufgerollt werden. Sollte bereits ein Konzessionsvertrag abgeschlossen sein, würde der wohl „rechtlich nicht gelten“, sagte Wolf. Bei einer Anhörung im Wirtschaftsausschuss warnte Christian Amsinck von den Unternehmensverbänden Berlin Brandenburg vor den Risiken für das Land beim Gasnetz-Kauf. Alexandra Genten von den Stadtwerken Aachen lobte Synergieeffekte und nannte ein in Aachen aufgelegtes „Mobilitätskonzept Erdgas“ als Beispiel.

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